Zwecke an. Die Möglichkeit eine Tagesklinik in Prien in Bahnhofsnähe fußläufig zu errichten, nahmen wir gerne an.
Welchen geschichtlichen Hintergrund hat das Gebäude?
Im 19. Jahrhundert war das Gebäude - später in Prien als sogenanntes „Rosa Haus“ bekannt - ein Hotel, in dem seinerzeit König Ludwig in der ersten Etage übernachtet hat. Danach diente es der Schön Klinik als Zentrale, die inzwischen in München stationiert ist.
Wann fällt der Startschuss für den Klinikbetrieb?
Wir werden am 13. September starten - bis dahin sollte der Umbau abgeschlossen sein. Die Türen der Tagesklinik stehen dann von Montag bis Freitag je von circa 8.30 Uhr bis 17 Uhr offen.
Wie ist die Klinik aufgebaut?
In den oberen Stockwerken befindet sich künftig die Verwaltung und eine Ambulanz. Erdgeschoss und erster Stock werden im Wesentlichen die Gebäude für die Tagesklinik mit Gruppengesprächsräumen. Außerdem gibt es eine Lehrküche für Menschen mit Essstörung. Gestaltungstherapieräume befinden sich im Gebäude gegenüber. Damit möchten wir ein umfangreiches und abwechslungsreiches Therapieangebot machen.
Welche Art von Patienten behandeln Sie hier künftig?
Die eine Hälfte der insgesamt 30 Plätze ist für Menschen mit Essstörungen wie Anorexie und Bulimie vorgesehen. Die andere Hälfte für Menschen, die unter Depressionen, Ängsten oder Zwängen leiden. Die Patienten werden von 16 Mitarbeitern betreut - darunter Ärzte, Therapeuten, Co-Therapeuten und Ökotrophologen.
Die Behandlung ist kognitiv-verhaltenstherapeutisch ausgerichtet - was darf man sich darunter vorstellen?
Kognitiv steht für unsere Gedanken und Verhaltenstherapie setzt, wie der Name schon sagt, am Verhalten an. Dabei steht zunächst die Diagnose im Fokus und die Frage, was die jeweiligen Symptome aufrecht erhält. Was bedeutet zum Beispiel eine Depression?Wie reagiert ein Mensch, wenn er sich antriebslos beziehungsweise nicht gut fühlt, sich zurückzieht, keine Energie mehr hat oder nicht mehr arbeitet? Eine Depression wirkt oft wie eine Art Strudel, der einen nach unten zieht. Oder auch wie ein Teufelskreis. Hier setzen wir kognitiv mit der Frage an, wie der Patient aus diesem Strudel wieder herausfinden kann und arbeiten gleichzeitig am Verhalten: Wie ist es praktisch und in kleinen Schritten möglich, wieder zurück in den Alltag zu finden?
Die Tagesklinik behandelt ihre Patienten nur tagsüber: Was sind die Vorteile aus medizinischer Sicht, wenn sich die Patienten abends und an den Wochenenden in ihrem gewohnten sozialen Umfeld befinden?
Die Patienten müssen sich nicht in einer ganz neuen Umgebung einfinden, sie bleiben in Kontakt mit ihrer realen Lebenssituation, ihrer Familie und dem Freundeskreis. Viele Probleme aus dem Alltag können unmittelbar dort gelöst werden, wo sie auftreten.
Spannen wir den Bogen zur Pandemie: Inwiefern haben sich Krankheitsbilder und Patientenstruktur in der Psychosomatik seit Beginn von Corona verändert?
Anmeldezahlen bestätigen: Der Bedarf ist in allen Altersgruppen gestiegen. Die Kliniken haben so viele Anmeldungen, dass sie gar nicht alle zeitnah aufnehmen können. Gerade Menschen, die vorher schon psychische Probleme hatten sind durch die Einschränkungen zurückgeworfen worden - aufgrund fehlender Tagesstruktur, durch Untätigkeit und insbesondere auch durch die deutliche Reduzierung sozialer Kontakte. Ganz besonders betroffen sind Jugendliche. Ich hoffe sehr, dass keine Schulschließungen mehr folgen, denn die Heranwachsende leiden besonders unter solchen Einschränkungen. Um diese wichtigen Entwicklungsphasen angemessen bewältigen zu können, sind intensive Sozialkontakte essentiell. Auch ältere alleinstehende Leute zeigen vermehrt psychische Auffälligkeiten. Dazu kommen Menschen, die durch die Einschränkungen - vom Künstler bis zum Koch oder auf die Ausstattungen von Geschäften spezialisierte Innenarchitekten - beruflich und wirtschaftlich besonders gebeutelt waren oder sind. Der Flurschaden, den Corona auch diesbezüglich angerichtet hat, ist erheblich.
Können Sie aus medizinischer Sicht einen Ausblick in Bezug auf langfristige Auswirkungen der Pandemie geben?
Es wird sicher viele geben, die die Corona-Konstellationen recht gut wegstecken, zumal dann, wenn sie ein tragfähiges soziales Netzwerk haben und wirtschaftlich abgesichert sind. Aber es gibt viele, vor allem auch Jugendliche, bei denen diese Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die Flucht in virtuelle Medien hat deutlich zugenommen - schon deshalb, weil es wenig Alternativen gab. Die Langzeitfolgen werden sicher erst in ein paar Jahren quantifiziert werden können. Dass es langfristig nicht nur in Einzelfällen massive Probleme geben wird, ist schon jetzt erkennbar.
Herr Professor Dr. Dr. Hillert, herzlichen Dank für das Interview.
mb
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