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So stehen unsere Landratskandidaten zum Brenner-Nordzulauf

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Von: Jennifer Bretz

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Kommunalwahl 2020: Landratswahl Rosenheim-Neubeuern: Podiumsdiskussion Brenner-Nordzulauf
v.l.: Rainer Auer, Alexandra Burgmaier, Sepp Hofer, Ulla Zeitlmann, Otto Lederer © jb

Neubeuern - Die geplante Zulaufstrecke zum Brenner-Basistunnel durch das Inntal spaltet die Region. Am Mittwochabend diskutierten einige Landratskandidaten in einer Podiumsdiskussion über das Thema.

Die Bürgerinitiativen des Landkreises haben die Landratskandidaten der fünf großen Parteien in die restlos volle Beurer Halle in Neubeuern zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Das Thema: "Brennernordzulauf Schicksalswahl für Stadt und Land". Teilgenommen haben: Otto Lederer MDL, CSU; Ulla Zeitlmann, Bündnis90/Die Grünen; Rainer Auer, Parteifreie/ÜWG; Alexandra Burgmaier, SPD; Sepp Hofer, Freie Wähler.

Vier Themenblöcke zum Brenner-Nordzulauf:

Nachdem die Kandidaten vorgestellt wurden, diskutierten sie unter der Moderation von Journalist und BR-Moderator Florian Schrei die vier Themenblöcke: Zugzahlen, Bundesverkehswegeplan, Lärmschutz Bestandsstrecke und Bedarf. Im Anschluss beantworteten die Kandidaten noch Fragen aus dem Publikum.

Im Video können Sie die komplette Diskussion der Kandidaten noch einmal ansehen:

Brenner-Nordzulauf: Zugzahlen

Die Bürgerinitiativen haben bezüglich der Zugzahlen eigene Messungen mit einer Kamera und Software im Inntal durchgeführt. 2019 wurden insgesamt 39 Wochen mit über 30.000 Zugbewegungen ausgewertet. Im Durchschnitt zählten die Initiativen 150 Züge pro Tag. Von der Bundesregierung werden aber 200 Züge pro Tag angeben. Die Differenz habe bisher von der Bundesregierung oder Deutschen Bundesbahn nicht plausibel erklärt werden können.

Laut Bundesbahn bestehe auf der Bestandsstrecke - mit entsprechenden Maßnahmen - eine Kapazität von 320 Zügen. Die derzeitige Auslastung beträgt nach den ermittelten Zahlen nur etwa 50 Prozent. Eine Engpasssituation ist somit nicht gegeben. Die Kapazität für die Zukunft scheint ebenfalls gesichert zu sein.

Otto Lederer stellt sich dazu die Frage, wie die Kapazität in 40, 50 oder 60 Jahren ausgenutzt sein wird. Die Bahn behauptet, es werden bei einem Ausbau der Bestandsstrecke etwa 320 Züge fahren können, die Vieregg-Rössler Studie rechnet mit einer Kapazität von 390 Zügen. "Das kann ich nicht bestätigen, das weiß ich nicht, aber was ich weiß, ist, dass bei der Studie 29 Kilometer neu gebaut werden sollen." Lederer befürchtet, dass die Italiener nach Fertigstellung des Brenner-Basistunnels alles daran setzen werden, die Güter auf die Schiene zu bringen.

Ulla Zeitlmann sagt zu den aktuellen Zahlen, dass natürlich eine riesige Diskrepanz zwischen den aktuellen und den prognostizierten Zahlen da sei. Dass die Bürgerinitiativen mit einer Kamera die Züge zählen müssen, spreche für einen extremen Reformstau bei der Bahn, die die Zahlen offenbar nicht einfach per Knopfdruck herauslassen könne. Sie glaube nicht, dass jemand sagen könne, wie viele Züge 2050 da durchfahren werden.

Sepp Hofer ist der Meinung, dass auch der Verkehrsminister keine Glaskugel habe. "Diese Strecke würde 250 Züge auch noch aushalten. Es gibt genug Strecken, die noch besser ausgebaut werden müssen. Das sind zu 80 Prozent noch eingleisige Bahnen von anno dazumal." Laut Hofer solle man das Geld hernehmen, um diese Strecken zu ertüchtigen und nicht um das Inntal durchzupflügen.

Alexandra Burgmaier ist sich sicher, dass die Bürgerinitiative sehr präzise gearbeitet habe. "Insofern ist das höchst unglücklich für die Bahn, dass sie hier keine genauen Zahlen genannt hat. Diskrepanz erweckt Misstrauen." Sie ist der Meinung, dass das mit der Verlagerung der Güter nicht funktioniere, da die Bahn kaputtgespart und privatisiert worden sei. Sie bezieht sich auf den Rückgang der per Bahn transportierten Güter von 415 Millionen Tonnen auf 256 Millionen Tonnen seit 2010.

Rainer Auer ärgert es, dass die gleichen Personen die das 3. und 4. Gleis bauen wollen, es in hohem Maße daran fehlen lassen, die Güter auf die Schiene zu bekommen. Es gebe Zahlen aus Österreich die nachweisen, dass der Güterverkehr über den Brenner um weitere 5,6 Prozent zurückgegangen sei. "Das bedeutet, das, was wir von unserem allseits geschätzten Verkehrsminister gesagt bekommen, sind reine Lippenbekenntnisse." 

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Das Interesse an den Landratskandidaten war extrem hoch. © jb

Bundesverkehswegeplan

Der Brenner-Nordzulauf ist das einzige Schienenprojekt im Bundesverkehrswegeplan ohne Angabe eines Nutzen-Kosten-Verhältnisses.

Bahn und Politik argumentieren hierzu: Um ein Nutzen-Kosten-Verhältnis für das Projekt berechnen zu können, ist erst die Planung einer Trasse notwendig. Dem widerspreche laut Bürgerinitiativen ein verkehrswirtschaftliches Gutachten. 2017 habe laut Bürgerinitiative die Firma Trimode - im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums - das Nutzen-Kosten-Verhältnis am Brenner-Nordzulauf mit 0,8 berechnet. Somit bestehe kein volkswirtschaftlicher Nutzen.

Otto Lederer habe in der Vergangenheit den Verkehrsministern bereits die Frage nach dem Kosten-Nutzen-Faktor gestellt. Es gebe aber bereits Bahnprojekte, die einen höheren Kosten-Nutzen-Faktor als 1 haben. "Der Kosten-Nutzen-Faktor scheint in der Politik nicht mehr das Glückseligmachende zu sein." Er mache auch ein paar Fragezeichen dahinter, dass die Italiener den Südzulauf nicht finanzieren können.

Ulla Zeitlmann stehe mit den Grünen seit 40 Jahren gegen die Zerstörung der Umwelt. Sie werde ihre Partei nutzen, um die Landschaft zu schützen. Sie würde als Landrätin die Bundes- und Landespolitik ihrer Partei in Stellung bringen und gucken, dass man die notwendige Opposition gegen die nicht mehr zeitgemäße Verkehrspolitik aktiviere und sicherstellen, dass die notwendigen Positionen eingehalten werden.

Sepp Hofer betonte, dass man in der Politik immer um den heißen Brei herum rede. "Der Bundesrechnungshof unterstützt die ganze Sache nicht, wir haben die Züge gezählt, das gibt es auch nicht her. Es ist schlichtweg nicht notwendig." Er sieht auch die Nachteile der zwei neuen Gleise und was dadurch alles alles kaputt gemacht werde. Als Landrat würde er die Bürgerinitiativen beieinander halten. "Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen. Wenn wir alle zusammenhalten, dann schaffen wir das auch."

Alexandra Burgmaier nimmt das, was im Bundesverkehrswegeplan steht, nicht so ernst. Wofür man die Bahn ihrer Meinung nach schimpfen müsse sei, dass die Bahn verpflichtet sei dem Bund rückzumelden, 'Tschuldigung, der Auftrag ist ein Kas'. "Der ganze Skan-Med-Korridor ist ein Flickenteppich. Es fehlt an allen Ecken und Enden. Warum soll man dann bei uns Flächen unwiederbringlich opfern?"

Rainer Auer betont, dass man von oben keine Hilfe erfahren könne. "Wir müssen den Finger in die Wunde legen, weil der Bundesverkehrswegeplan Fehler aufweist. Beispielsweise gibt es bei München eine Engstelle. Wir müssen gemeinsam sehr laut werden, damit die uns hören. Denn von selber tun sie es nicht." 

Brenner-Nordzulauf: Bedarf

Der Umwegverkehr und der nicht verlagerbare Transitverkehr wirken sich direkt auf die zukünftig benötigte Schienenkapazität im Brennernordzulauf aus. Bedeutend weniger Schienenkapazitäten seien laut Bürgerinitiativen notwendig, um den Straßenverkehr zu verlagern. Wird dieses Argument den Bau einer Hochleistungsschienen-Trasse am Brenner-Nordzulauf bei ausreichender Kapazität auf der Bestandsstrecke beeinflussen? Allein die Vermeidung des Umwegeverkehrs von ca. 800.000 Lkw würde nach Auffassung der Bürgerinitiative der Region helfen. Die heutige Auslastung der Bestandsstrecke würde bereits jetzt eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene zulassen.

Rainer Auer betonte, dass es zu den 30 Prozent Umwegeverkehr auch noch Mehrwegeverkehr hinzu komme. Auch wieder 30 Prozent. "Der Bestwegeverkehr sind dann nur noch 41 Prozent, und das wird von den Tirolern bewiesen. Das sind am Tag fast 2.000 Lkw." Man müsse hier Einschränkungen machen. "Es ist einfach wesentlich zu günstig die Güter auf dem Lkw zu transportieren." 

Alexandra Burgmaier sehe als Landrätin keine großen Möglichkeiten, da einzuwirken. Sie sehe die Problematik bei der Bahn. "Die Bahn ist ein ausgezeichnetes Verkehrsmittel, aber gerade im Güterverkehr erlebt man ja, dass die Bahn in der heutigen Zeit nicht mehr mithalten kann." Waren werden immer leichter und hochwertiger und man erwartet Pünktlichkeit und Flexibilität. "Ich glaube auch wenn man Lkw-Transporte teurer machen würde, dass die Bahn nicht mithalten kann."

Sepp Hofer sagt, dass die Ströme 2008 und 2009 zurückgegangen seien. "Was kann ein Landrat tun? Ein Landrat kann auf Regionalität setzen und das nicht indem man die Flächen zubetoniert. 

Ulla Zeitlmann bringt die Alpentransitbörse an, mit der man den Fernverkehr durch die Alpen verknappen und verteuern könne, so dass die Alpenüberquerung nicht mehr uneingeschränkt möglich sei. "Wir kämpfen auch auf allen Ebenen zusammen für die regionale Wertschätzung. Unser gesamtes System muss ökologisiert werden. Man muss sich auf allen Wegen für die Verkehrswende einsetzen.

Otto Lederer ist der Meinung, dass das Thema Verkehrsvermeidung an erster Stelle stehen müsse im Landkreis. Das zweite Thema sei die Verkehrsverlagerung. "Seines Wissens sei der Gütertransport auf der Schiene in den letzten Jahren schon gestiegen, aber zu wenig. Wir müssen da hin, eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene zu bringen." Man müsse sich dafür einsetzten, dass Themen wie Unpünktlichkeit gelöst werden.

Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von den "Neurosenheimern" begleitet, die unter anderem auch ihre Brenner-Nordzulauf-Hymne "Braucht's des?" spielten.

jb

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