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Mangfalltal unter Strom: So gehen sechs Gemeinden die Energieversorgung der Zukunft an

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Von: Nicolas Bettinger

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Bei einer gemeinsamen Sitzung gründeten sechs Gemeinden die „Mangfalltal Energie GmbH. Dabei sprachen die Bürgermeister unter anderem über eine geplante PV-Freiflächernanlage.
Bei einer gemeinsamen Sitzung gründeten sechs Gemeinden die „Mangfalltal Energie GmbH. Dabei sprachen die Bürgermeister unter anderem über eine geplante PV-Freiflächernanlage. © re/dpa/Fotomontage

Bei einer historischen Sitzung im Kurhaus Bad Aibling haben sich sechs Kommunen aus dem Altlandkreis zusammengeschlossen. Das Ziel: Unabhängiger von den Energiemärkten zu werden. Welche Folgen die wegweisende Entscheidung hat.

Bad Aibling/Mangfalltal – Jetzt ist es amtlich: Sechs Mangfalltal-Kommunen machen beim Thema Energieversorgung künftig gemeinsame Sache. Bad Aibling, Bad Feilnbach, Feldkirchen-Westerham, Bruckmühl, Tuntenhausen und Großkarolinenfeld – allesamt Gemeinden aus dem Altlandkreis – haben sich zusammengeschlossen und dabei mit der Energie Südbayern GmbH (ESB) die „Mangfalltal Energie GmbH“ gegründet. Ziel des gemeinsamen Projektes soll eine sicherere, nachhaltigere und bezahlbare Energieversorgung für die Bürger im Mangfalltal sein.

Notwendig für diesen Schritt war eine – in dieser Form „historische“ – Sitzung im Bad Aiblinger Kurhaus, zu der sich am Dienstagabend (31. Januar) alle betroffenen Bürgermeister sowie deren Stadt- beziehungsweise Gemeinderäte versammelten. Die Rathauschefs hatten über das Vorhaben mit den insgesamt 132 Entscheidungsträgern, die rund 70.000 Bürger repräsentieren, abzustimmen. Historisch war der Abend auch deshalb, weil bei der gemeinsamen Veranstaltung offiziell also sechs Stadtrats- beziehungsweise Gemeinderatssitzungen gleichzeitig und in einem Raum stattfanden.

„Wir zünden heute den Turbo“

Und obwohl diverse Vorbesprechungen in den einzelnen Gremien und Räten vorausgegangen waren, durfte man dennoch mit Spannung erwarten, ob und wie groß die Zustimmung insgesamt tatsächlich ausfällt. „Wir zünden heute den Turbo für erneuerbare Energien im Mangfalltal“, begrüßte Aiblings Bürgermeister Stephan Schlier die Anwesenden, zu denen auch zahlreiche Zuschauer zählten, zu dem organisatorisch durchaus anspruchsvollen Unterfangen. Für ihn sei die „historische Sitzung“ Ausdruck der guten Zusammenarbeit der verschiedenen Kommunen.

Bei einer gemeinsamen Sitzung gründeten sechs Gemeinden die „Mangfalltal Energie GmbH“.
Bei einer gemeinsamen Sitzung gründeten sechs Gemeinden die „Mangfalltal Energie GmbH“. © Rathaus Bad Aibling

Der „Startschuss“ des Projektes soll die Gemeinden künftig unabhängiger von den Energiemärkten machen. „Und es ist zudem wichtig, dass wir die Wertschöpfung bei uns in der Region halten“, erklärte der Bürgermeister. Sprich: Energie aus der Region, für die Region. Schliers Amtskollege aus Bad Feilnbach, Anton Wallner (CSU), gleichzeitig Vorsitzender des für das Projekt geschaffenen Lenkungskreises, sprach im positiven Sinne von einer „denkwürdigen Sitzung“.

Laut Wallner stünden die Bürgermeister seit der Auflösung des Altlandkreises vor 50 Jahren stets in engem Austausch. Zu dieser Gemeinschaft gehöre zwar auch Bürgermeister Peter Kloo, in diesem Fall sei Kolbermoor jedoch nicht vertreten, da die Stadt bereits in einem anderen Verbund integriert ist. Die Idee für das Projekt entstand im September 2021, als Bad Aiblings Bürgermeister Schlier und Stadtwerkeleiter Stefan Barber auf Wallner zukamen, um über eine mögliche gemeinsame Photovoltaik-Freiflächenanlage an der Autobahnausfahrt nach Bad Aibling, jedoch auf Bad Feilnbachs Grund, zu sprechen.

Das sind die Ziele des Zusammenschlusses

Aus der anfänglichen Idee entstand ein Konzept, in das auch die ESB mit eingebunden wurde. Auch die weiteren Kommunen signalisierten ein Interesse am Zusammenschluss. Schwerpunkte der „Mangfalltal Energie GmbH“ sollen neben dem Verkauf erneuerbarer Energie an private, kommunale und gewerbliche Kunden (vorwiegend in der Region) auch die Übernahme und der Betrieb von dezentralen und regenerativen Energieerzeugungsanlagen (Photovoltaik und Wasserkraft), die Identifikation und Umsetzung von Energie-Effizienz-Projekten, die Regionalstromvermarktung sowie der Einstieg in den Mobilitätsbereich (Ladeinfrastruktur, E-Carsharing, Wasserstoff) oder der Aufbau, die Übernahme und der Betrieb einer Infrastruktur mit Wärmenetzen sein.

Die Kommunen erhoffen sich, das Produktangebot und seine Umweltverträglichkeit mitbestimmen zu können sowie Zugang zu wettbewerbsfähigen Einkaufskonditionen zu schaffen. „Wenn unsere Landschaft schon betroffen ist, wollen wir den Umbau auch aktiv mitgestalten“, betonte Wallner. Für die Gründung der GmbH wurde zugleich ein Gesellschaftsvertrag aufgesetzt, der durch verschiedene Instanzen geprüft worden sei.

Großes Potenzial der „flächenmäßig großen Gemeinden“

Um handlungsfähig zu sein, hat man sich für die Mangfalltal Energie GmbH auf eine besondere Verteilung der Geschäftsanteile verständigt. Demnach schlüsseln sich diese in 25,6 Prozent für die Energie Südbayern mit einem Kapital von 1,024 Millionen Euro und 74,4 Prozent für die Kommunen mit einem Kapital von 2,976 Millionen Euro auf. Mit dem Eigenkapital von vier Millionen Euro seien die Kommunen nun sofort handlungsfähig, erklärte der Lenkungskreisvorsitzende. Jede Kommune erhalte anteilig – egal wie groß oder klein sie ist – 12,4 Prozent an der GmbH und investiere 496.000 Euro in den nächsten beiden Haushaltsjahren.

Zu den konkreten Plänen der Mangfalltal Energie gehört besagtes Startprojekt nahe der Autobahn, wo für 1,5 Millionen Euro eine PV-Anlage mit 1,6 Megawatt und einer Fläche von 15.000 Quadratmetern errichtet werden soll. Der Bau soll noch heuer beginnen und die Anlage dann 2024 in Betrieb gehen.

Im Anschluss an die Sitzung tauschten sich die kommunalen Vertreter in gelöster Atmosphäre aus.
Im Anschluss an die Sitzung tauschten sich die kommunalen Vertreter in gelöster Atmosphäre aus. © Rathaus Bad Aibling

Laut Patrick Beyer, Geschäftsführer der GWBA (einer Tochtergesellschaft der Stadtwerke Bad Aibling und der ESB) hätten die „flächenmäßig großen Gemeinden“ ein immenses Potenzial im Energiebereich. Die Kundenpotenziale für Strom in den Mangfalltal-Gemeinden liegen bei rund 51.000 Einwohnern und circa 25.000 Privat-und Geschäftskunden, was einem Absatzpotenzial von rund 100 bis 150 Millionen Kilowatt pro Stunde im Privat- beziehungsweise Gewerbekundensegment entspreche.

Diskussion über kommerzielle Beteiligung

Bevor es im Kurhaus zur sechsteiligen Abstimmung kam, herrschte noch etwas Gesprächsbedarf. Etwa Feldkirchen-Westerhams Gemeinderat Thomas Henties (Grüne) begrüßte zwar alle Ziele, die mit dem Projekt verfolgt werden sollen. Wie zuletzt im eigenen Gremium vorgetragen, zeigte er jedoch auch an diesem Abend kein Verständnis für ein wesentliches Detail. „Mir leuchtet es nicht ein, warum wir uns durch die GmbH in Abhängigkeit eines kommerziellen Partners begeben.“ Er forderte zugleich alle anwesenden Entscheidungsträger dazu auf, das Vorhaben unter diesen Gesichtspunkten neu zu überdenken.

„Mir hört sich kommerziell immer zu negativ an“, erwiderte Bad Feilnbachs Bürgermeister Anton Wallner. Zum einen sei eine GmbH deutlich schneller zu gründen als beispielsweise Regionalwerke (siehe Infobox). „Zum anderen holen wir uns einen erfahrenen Partner ins Spiel, der Strom einfach kann.“ Dem Projekt stimmte indes Freie Wähler-Gemeinderat Josef Lausch aus Großkarolinenfeld zu, forderte aber eine kritische Begleitung der Vorhaben. Es sei zudem wichtig, auf die Betreiber der Biogasanlagen zuzugehen. Weitere kritischen Fragen und Anregungen seitens der Räte folgten.

Die anschließende Abstimmung brachte dann eine breite Zustimmung hervor. Während sich die Räte aus Bad Aibling, Bruckmühl, Tuntenhausen und Großkarolinenfeld allesamt einstimmig für die Gründung der „Mangfalltal Energie GmbH“ aussprachen, wiesen lediglich Feldkirchen-Westerham (19:3) und Bad Feilnbach (15:3) ein paar wenige Gegenstimmen auf.

Bürgermeister zeigen sich erleichtert

Überwältigt und vor allem erleichtert äußerte sich Bad Feilnbachs Bürgermeister Wallner zu dem „überragenden Ergebnis“. Er bedankte sich für die konstruktive Zusammenarbeit und machte deutlich: „Das war der Startschuss, jetzt geht es erst richtig los.“ Auch Großkarolinenfelds Bürgermeister Bernd Fessler zeigte sich zufrieden und sprach vom richtigen Projekt zur richtigen Zeit. „Das letzte Jahr hat gezeigt, dass die Globalisierung nicht alles ist.“ Der Weg sei nun geebnet, wenngleich das Vorhaben große Herausforderungen mit sich bringe.

Bruckmühls Bürgermeister Richard Richter (CSU/PW) sprach von einem „Novum“ und einem großen Schritt. „Wenn wir das nächste mal in der Konstellation zusammen kommen, können wir den eigenen Landkreis beschließen“, sagte er und sorgte für lautes Gelächter im Saal. Und zu seiner humorvollen Ausführung fügte er an: „Ich habe auch keine Angst, dass es mal dunkel wird. Denn dann schließen wir einfach Anton Wallner ans Netz an und haben so genug Energie.“ Damit richtete er einen besonderen Dank an seinen engagierten Amtskollegen aus Bad Feilnbach.

„Aus der Region, für die Region“, nannte Tuntenhausens Rathauschef Georg Weigl (CSU/FW) die wichtigsten Schlagworte des gemeinsamen Projektes. Dass sich die Gemeinden an dem Vorhaben beteiligen sehe er gleichbedeutend mit einer Bürgerbeteiligung. Denn die Menschen in der Region sollten in erster Linie profitieren. Auch Hans Schaberl (parteifrei), Bürgermeister Feldkirchen-Westerhams, war am Abend „wirklich froh, dass das so über die Bühne gegangen ist“. In der heutigen Zeit seien schnelle Entscheidungen gefragt und durch die Kooperation mit den Stadtwerken und der ESB hätte man sofort geeignete Rahmenbedingen geschaffen. In den nächsten Schritten wird es nun auch um die Besetzung der GmbH-Gremien gehen.

Bad Feilnbachs Gemeinderat diskutierte im Vorfeld über Alternativen

Vor der „historischen“ Versammlung in Bad Aibling hatten sich die Gremien der einzelnen Kommunen bereits beraten. So diskutierte etwa der Bad Feilnbacher Gemeinderat über die alternativen Möglichkeiten einer GmbH-Gründung. Dort wurde auch das Konzept der Regionalwerke vorgestellt, bei welchen kein kommerzieller Partner beteiligt wäre. „Die grundlegende Idee dahinter bezweifelt keiner, die Idee ist gut“, hatte Konrad Schwaiger (SPD/Parteifrei) kürzlich gesagt. Es gebe nun „viel Druck eine Entscheidung herbeizuführen.“ Argumente würden vom Bürgermeister weggeschoben. Max Singer (ÜW) hätte sich ebenfalls eine besser Aufklärung im Vorfeld gewünscht.

Bürgermeister Anton Wallner erklärte jedoch, dass die Gründung eines Regionalwerkes einer Herkulesaufgabe beim Personal (insbesondere bei der Suche und Einstellung der Geschäftsführung) gleichkomme. Außerdem dauere die Gründung eines Regionalwerks erheblich länger und es fehlten Erfahrungswerte anderer Landkreise. Martin Kolb (CSU) sprach sich im Vorfeld für die nun beschlossene GmbH aus: „Risiken lassen sich nicht ganz ausschließen“, man müsse auch das Positive darin sehen. Der Bürgermeister sei hierbei Initiator und in ein paar Jahren sei man wahrscheinlich stolz auf die getroffene Entscheidung, die man sich nicht leicht gemacht habe.

Konrad Kriechbaumer

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