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„Dunkler Schatten“ Corona im Mangfalltal: „Bürger wünschen sich vorausschauende Entscheidungen“

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Von: Silvia Mischi, Kathrin Gerlach

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Nicht nur für Senioren: Jeder ab 18 Jahren kann sich die Booster-Impfung holen.
Nicht nur für Senioren: Jeder ab 18 Jahren kann sich die Booster-Impfung holen. © Christa Latta

Das Mangfalltal hat es laut dem jüngsten Corona-Lage-Bericht vom 19. November des Rosenheimer Gesundheitsamtes schwer erwischt. Die OVB-Heimatzeitungen haben bei den Bürgermeistern im Alt-Landkreis Bad Abiling nachgefragt, wie sie die Situation in ihren Gemeinden einschätzen.

Bad Aibling/Kolbermoor/Mangfalltal – Die Infektionszahlen sind im Vergleich zu den anderen Kommunen im Landkreis massiv angestiegen. Von Süd nach West gehend verteilen sich die neuen Coronafälle wie folgt: In Großkarolinenfeld sind insgesamt 618 Fälle registriert und damit ein Plus von 61 im Vergleich zur Vorwoche. In Kolbermoor ist es eine Zunahme von 167 Erkrankungen auf insgesamt 1758 Fälle vermeldet worden. Bad Aibling hat 145 Neuinfektionen und damit 1895 Coronafälle zu verzeichnen. Bad Feilnbach schlägt mit plus 95 und insgesamt 1059 Infektionen zu Buche. Der Markt Bruckmühl steigt mit einem Plus von 163 Neuinfektionen auf 1433 Fälle an. Die Gemeinde Tuntenhausen hat mit 66 Neuinfektionen die Marke von 760 erreicht. Feldkirchen-Westerham klettert um 72 Zähler auf 787 Coronafälle.

Sieben-Tage-Inzidenz Freitag bei 914,3

Die Infektionszahlen im Mangfalltal sind im Vergleich zu den anderen Kommunen im Landkreis massiv angestiegen.
Die Infektionszahlen im Mangfalltal sind im Vergleich zu den anderen Kommunen im Landkreis massiv angestiegen. © Klinger

Summa summarum sind 769 Neuinfektionen im Westen des Landkreises registriert. Die 7-Tages-Inzidenz sprang somit in einer Woche von 619,74 auf 914,33 an. Die neu gemeldeten Fälle der letzten Woche betrugen für Stadt und Landkreis zusammen 2896.

Der Mangfall-Bote fragte bei den Altlandkreis Bürgermeister nach, wie sie die Lage in ihren Kommunen einschätzen. Wobei Gegenmaßnahmen wie Lockdown oder 2G plus nicht auf lokaler Ebene, sondern von Bund und Staatsregierung entschieden werden. Allerdings: In den vergangenen Wochen gab es zahlreiche Märkte und Veranstaltungen in den Kommunen, die ein mögliches Infektionsrisiko dargestellt haben könnten. Wie also erklären sich die Bürgermeister die zahlreichen Neuinfektionen? Wie bewerten sie die Corona-Lage und die Stimmung in ihrer Kommune, und was halten sie von einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen?

Bernd Fessler (parteifrei), Bürgermeister von Großkarolinenfeld: Die Wissenschaft hat diese Entwicklung schon im September vorausgesagt. Unterm Strich sind immer noch zu wenige geimpft, es gab es immer noch zu viele Kontakte. Wir haben Menschenansammlungen vermieden – seien es Bürger- und Jahreshauptversammlungen oder der Christkindlmarkt. Auch in den Kirchen gibt es strenge Corona-Regeln. Ich hoffe, der Großteil der Menschen hat verstanden, dass wir mit einem „weiter so“ nicht weiterkommen. Wir können als Gemeinde die Situation nur im Rahmen unserer Zuständigkeit beeinflussen. Das reicht nicht aus, die Pandemie zu bewältigen. Die meisten Bürger sind zwar genervt von den Einschränkungen, haben aber auch Verständnis dafür. Ich glaube, derzeit kippt alles in Richtung einer allgemeinen Impfpflicht, weil jede andere Lösung zusätzliche Tote und nicht endende Einschränkungen mit sich bringen würde. Eine generelle Regelung für alle würde auch vielen gesellschaftlichen Problemen eher gerecht. Die Bürger wünschen sich vorausschauende Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt, dann werden sie auch überwiegend akzeptiert. Mein Appell: Impfen, Testen, Kontakte beschränken und trotzdem miteinander im Gespräch bleiben!

Peter Kloo (SPD), Bürgermeister von Kolbermoor: Die Infektionszahlen in Kolbermoor entsprechen im Verhältnis zur Einwohnerzahl ziemlich genau denen der Nachbargemeinden. Wir erleben alle eine sehr schwere Zeit. Wir versuchen weiterhin, konstant und zuverlässig der Dienstleister unserer Bürger zu sein. Natürlich sind Veranstalter und vor allem auch unsere Vereine in einer sehr schwierigen Situation. Momentan muss jeder auf sich und seine Umgebung besonders Rücksicht nehmen. Darum bitte ich alle: Kümmern Sie sich um Mitmenschen in Ihrem Umfeld, die Gefahr laufen, zu vereinsamen oder durch die Corona-Maßnahmen aus dem gesellschaftlichen Gefüge herauszufallen.

Stephan Schlier (CSU), Bürgermeister von Bad Aibling: Je höher die Impfquote ist, umso eher werden Neuinfektionen vermieden. Der Christkindlmarkt und die „Lange Nacht der Musik“ wurden abgesagt, die wenigen verbleibenden Veranstaltungen im Kurhaus laufen unter sicheren 2G-Bedingungen und zusätzlichem Abstand. Auch die Vereine reagieren umsichtig und sagen ihre Zusammenkünfte in aller Regel ab. Die Lage ist auch in Bad Aibling äußerst angespannt. Eine derartig extreme Auslastung in den Arztpraxen, unseren Kliniken, erst recht aber auf den Intensivstationen der RoMed Klinik und der Schön Klinik Bad Aibling kannten wir bisher nicht. Das medizinische Personal ist am Anschlag. Schwere Verläufe und Todesfälle sind auch in Bad Aibling Realität. Planbare, aber gesundheitlich notwendige Operationen müssen verschoben werden. Daneben besorgt mich die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in das Lager der Geimpften und der Ungeimpften. Die Unversöhnlichkeit beider Positionen scheint trotz Aufklärung größer zu werden. Gerade die Gruppen, die in der Pandemie einer besonderen Belastung ausgesetzt sind und einen großartigen Beitrag leisten, jetzt allein zur Impfung zu verpflichten, hielte ich für unangebracht. Als milderes Mittel sollte der Arbeitgeber auf verstärkte Testungen setzen.

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Die Sorge der Bürger ist enorm, dass sie oder Angehörige sich infizieren könnten. Aber auch wirtschaftliche Nöte werden trotz staatlicher Hilfsmaßnahmen wieder größer – gerade im Bereich der Gastronomie und Beherbergung oder des Veranstaltungswesens, aber auch bei den Handwerksbetrieben und den Selbstständigen, die sich um wegbrechende Aufträge Gedanken machen. Einen Wunsch gibt es bei allen: die große Sehnsucht nach Normalität, nach einem Leben, wie wir es bis Anfang 2020 kannten.

Die vierte Welle ist anders als die vorhergehenden: Einerseits sie ist heftiger und bringt unser Gesundheitssystem an die äußersten Grenzen der Belastbarkeit. Andererseits haben wir anders als zuvor die Möglichkeit, uns und andere mit einer Impfung zu schützen. Ich rufe aus Überzeugung dazu auf, sich impfen zu lassen – egal ob Erstimpfung oder Booster. Die Impfung ist der Weg zur ersehnten Normalität. Der wichtigste Appell ist aber: Halten wir zusammen und lassen wir uns nicht auseinandertreiben!

Anton Wallner (CSU), Bürgermeister von Bad Feilnbach: Es ist schwierig, für die hohen Fallzahlen in der Gemeinde eine Begründung zu finden. Das Signal der Lockerungen hat viele zu einem sorgloseren Umgang veranlasst. Damit werden natürlich Ansteckungen erleichtert. Zudem schätze ich, dass die Impfquote in unserer Gemeinde eher unterdurchschnittlich ist. Die Lage ist sehr ernst. Die Praxen unserer Allgemeinärzte sind am Anschlag ihrer Leistungskraft. Ich kenne viele Bürger, die ernsthaft erkrankt sind. Einige von ihnen werden in Kliniken behandelt. Darüber bin ich sehr besorgt!

Ich glaube, wenn alle Mitarbeiter im Bereich von Kindereinrichtungen und Schulen sowie der Pflege geimpft wären, wäre das für den dauerhaften Betrieb der Einrichtungen hilfreich.

Viele Bürger wünschen sich mehr solidarisches Verhalten. Ältere Menschen und Vorerkrankte ziehen sich zurück, weil sie Angst haben, sich anzustecken. Aufgrund der Überlastung unseres Gesundheitssystems haben viele große Sorgen, was passiert, wenn sie jetzt ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen müssten – sei es durch Erkrankungen oder durch Unfälle.

Deshalb mein dringender Appell: Unterstützen Sie uns als Gemeinschaft und tragen Sie die Einschränkungen mit. Halten wir zusammen. Bitte meiden Sie Kontakte und tun Sie alles, dass Sie gesund bleiben. Lassen Sie sich jetzt impfen. Wenden Sie sich an das Impfzentrum in Rosenheim oder nutzen Sie unseren Impftag am 4. Dezember in der Schule Au.

Richard Richter (CSU/PW), Bürgermeister von Bruckmühl: Das Mangfalltal hat mit circa 80 000 Einwohnern eine hohe Bevölkerungsdichte. Hinzu kommen vielfache wirtschaftliche Beziehungen unter den Mangfallgemeinden und in andere Regionen sowie eine hohe Zahl an Berufsein- und -auspendler. Auch an den Schulstandorten kommen viele Kinder und Jugendliche aus den Nachbargemeinden in die Gemeinden des Mangfalltals. Dies erhöht natürlich die Anzahl der Kontakte und die Infektionsrisiken.

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Bruckmühl ist leider immer unter den fünf am meisten betroffenen Gemeinden. Dies ist ein Grund zu großer Besorgnis. Mir persönlich sind Fälle in der Bevölkerung bekannt – von leichten Symptomen bis hin zum Tod. Die Angst vor Ansteckungen und schweren Krankheitsverläufen, wirtschaftliche Unsicherheiten und Existenzsorgen sind groß. Alle eint die große Sehnsucht nach Normalität, Unbeschwertheit und Freiheit. Der Meinungsaustausch zwischen Geimpften und Ungeimpften wird im Ton immer schärfer. Die Ansichten verhärten sich. Ich befürchte eine länger anhaltende Unversöhnlichkeit.

Die Verfassungskonformität einer allgemeinen Impfpflicht für alle hätte in den vergangenen Monaten diskutiert, und das Ergebnis jetzt nachvollziehbar dargestellt werden können. Diese wird in der aktuellen Situation vor allem für Mitarbeitende in der Pflege und Kinderbetreuung gefordert. Aber: Gerade diese Personengruppen leisteten in den vergangenen 20 Monaten Immenses und dabei zeigte die überwiegende Zahl von ihnen ein hohes Verantwortungsbewusstsein.

Die Lage ist sehr ernst! Ich bitte daher jeden, alles Machbare zu unternehmen, um sich und andere vor einer Erkrankung zu schützen und mitzuhelfen, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Ein wesentlicher Baustein dafür ist die Impfung. Meine Bitte an ungeimpfte Mitbürger: Seien sie offen. Informieren Sie sich über das Impfen.

Georg Weigl (CSU/FWG), Bürgermeister aus Tuntenhausen : Die Neuinfektionen sind aus meiner Einschätzung größtenteils im privaten Umfeld entstanden, da im Gemeindebereich keine Veranstaltungen mit größeren Besucherzahlen durchgeführt wurden. Die Coronalage in der Gemeinde Tuntenhausen ist besorgniserregend, da wir am Freitag einen Inzidenzwert von über 800 verzeichnen mussten, der auch in den letzten Wochen sprunghaft angestiegen ist.

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Eine Impfpflicht ist rechtlich schwer umsetzbar, allerdings wäre diese vor allem für das Personal zur Betreuung von Pflegebedürftigen und Kinder wünschenswert und sinnvoll. Auch die Bürger unserer Gemeinde möchten wie alle Menschen, nur wieder zur Normalität zurückkehren und vor allem die sozialen Kontakte wieder aufleben lassen. Für die nächsten Wochen kann ich nur appellieren, dass sich jeder impfen lassen sollte, da wir nur mit einer hohen Impfquote noch Schlimmeres verhindern können und unser Gesundheitssystem aufrecht erhalten können.

Hans Schaberl (parteilos), Bürgermeister von Feldkirchen-Westerham: Die Corona-Lage ist wie ein dunkler Schatten, der uns seit zwei Jahren begleitet. Die Gemeinde hat in letzter Zeit sämtliche Veranstaltungen abgesagt, deshalb ist das Infektionsgeschehen nicht nachvollziehbar. Die Situation bereitet mir aber insofern Sorge, als sie auch die Gesellschaft spaltet. Die Diskrepanz zwischen Geimpften und Ungeimpften ist unüberhörbar, und der Ton wird immer schärfer. Ich hoffe, dass sich wieder mehr „Miteinander“ einstellt. Was die Impfung betrifft, appelliere ich an die Solidarität.

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Die Lage ist angespannt: Viele Eltern sind mittlerweile am Ende ihrer Kräfte aufgrund des zurückliegenden langen Home-Schoolings und Home-Offices. Es ist ein organisatorischer Kraftakt, dies alles zu stemmen. Die Nerven liegen bei vielen blank, und die Eltern hoffen, dass zumindest Schulen und Kindergärten in Präsenz bleiben. Ich hoffe auch, dass keine Geschäftsschließungen mehr notwendig werden – die Existenzängste der Gewerbetreibenden und Gastronomen sind groß. Um so bald wie möglich aus diesem besorgniserregenden Zustand herauszukommen, ist es dringend notwendig, dass sich mehr Menschen impfen lassen. Nur dann kann einem weiteren Infektionsgeschehen entgegengewirkt werden.

Mein Appell: Bitte vermeiden Sie größere Veranstaltungen, um so eventuelle Ansteckungen zu verhindern. Nur gemeinsam sind wir stark und können diese Krise meistern!

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