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Absage von Weihnachtsmärkten trifft regionale Glühweinproduzenten: 40 Mitarbeiter verlieren Job

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Von: Paula L. Trautmann

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Trifft die Absage der Christkindlmärkte hart: Franz Stettner, Edelobstbrennerei & Weinkellerei Stettner, schüttet den Glühwein in Kanistern zurück in Tanks.
Trifft die Absage der Christkindlmärkte hart: Franz Stettner, Edelobstbrennerei & Weinkellerei Stettner, schüttet den Glühwein in Kanistern zurück in Tanks. © Schlecker

Der heiße, süße Glühwein, der einen erst so richtig auf Weihnachten einstimmt – für viele ein Muss auf dem Christkindlmarkt. Doch die sind das zweite Jahr in Folge abgesagt. Das bringt die Produzenten in der Region in eine schwierige Lage.

Kolbermoor/Rohrdorf – Vier Millionen Liter Glühwein produziert die Edelobstbrennerei & Weinkellerei Stettner in einem Jahr. „Zwei Drittel davon gehen an die Christkindlmärkte nur ein Drittel an Supermärkte“, sagt Geschäftsführer Franz Stettner junior. Der gesamte Glühweinverkauf mache zwei Drittel des Jahresumsatzes aus.

Dutzende Mitarbeiter müssen entlassen werden

Aufgrund der schwierigen Situation seit Beginn der Corona-Pandemie fühlt sich der Geschäftsführer „machtlos“. Besonders, da er bis zum Ende des Jahres 40 Mitarbeiter entlassen müsse. Im Moment kann Stettner die Saison- und Zeitarbeiter nicht kündigen, weil seit Beginn der vierten Welle immer wieder Stammpersonal in Quarantäne muss. „Wir brauchen jede Hand.“

Unmengen an Fässern lagern auf dem Hof des Händlers, er weiß nicht wohin damit.
Unmengen an Fässern lagern auf dem Hof des Händlers, er weiß nicht wohin damit. © Schlecker

Denn aktuell schütten seine Mitarbeiter die Kanister und Fässer per Hand in Tanks. Dann filtern sie den Glühwein, kochen ihn auf und füllen ihn in Flaschen. Darin ist er bis zu fünf Jahren haltbar, im Kanister nicht – wegen der Kunststoffbenetzung. Die Flaschen muss Stettner wiederum lagern. „Den Platz dafür haben wir gar nicht“, sagt der 30-Jährige. Es herrsche ein Engpass auf dem Hof.

Supermärkte bereits mit Glühwein eingedeckt

„Viele sagen: Warum jammert ihr so, ihr könnt den Glühwein doch in Flaschen abfüllen und im Handel verkaufen“, erzählt Stettner. So einfach sei das nicht. Die Supermärkte vereinbaren mit dem Getränkehändler beispielsweise drei Millionen Flaschen im Jahr abzunehmen. Die Mengen seien kalkuliert und die Geschäfte eingedeckt. „Wir bleiben auf dem Glühwein sitzen.“

Ab Mitte Oktober produziert die Firma bereits. Weil die Absage der Märkte erst Mitte November kam, habe Stettner schon einen Monat vorproduziert. Die Tanks mit den Basisweinen und Rohstoffen wie Gewürznelken, Anis oder Orangenschalen waren seit August befüllt. Weil der Lockdown im vergangenen Jahr schon früher bekannt war, konnte er rechtzeitig handeln, hat weniger eingekauft und produziert. Heuer sei die Absage viel zu spät gekommen. Stettner hatte bereits alle großen Märkte beliefert.

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Den Zeitpunkt kritisiert auch Joachim Wiesböck, Geschäftsführer der ORO Obstverwaltung in Rohrdorf: „Eine Woche vorher ist zu spät.“ Er wisse, was in der Welt los ist und verstehe, dass der Staat Regeln erlassen muss. „Aber mit so wenig Vorlauf abzusagen, macht uns sauer.“ Die Situation sei schließlich nicht neu, die hohen Zahlen keine Überraschung. Schon im September seien die Zahlen gestiegen. „Der Schaden ist jetzt weitaus größer, als wenn sie sechs Wochen vorher abgesagt hätten.“ Auch er hat schon alle Zutaten bestellt. Nun habe er keinen Umsatz, aber den Aufwand für die Rohware.

Weil einige Märkte in der Region schon vor der offiziellen Erklärung der Bayerischen Regierung abgesagt wurden, habe er nicht so viel produziert – „Gott sei Dank“, sagt Wiesböck. Mit Kunden, die auf dem Rosenheimer, Kolbermoorer oder Aiblinger Christkindlmarkt vertreten sind, habe er vereinbart, „auf den letzten Drücker“ zu produzieren, weil alles so unsicher war.

Händler müssen Kunden entgegen kommen

In einem normalen Jahr füllen die Mitarbeiter rund 200.000 Liter Glühwein in Flaschen, Kanister und Fässer. „Heuer waren es 30 bis 40 Prozent weniger“, so Wiesböck. Dennoch sitze er nun auf der Ware. Was er mit dem Überschuss an Glühwein macht, weiß er noch nicht. Einiges werde er umfüllen, dass er alles verkaufen kann, bezweifelt der Geschäftsführer aber.

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Den bereits ausgelieferten Glühwein nicht zurückzunehmen, sei keine Lösung gewesen. „Man muss den Kunden entgegenkommen, wenn man sie nicht verlieren will“, sagt Wiesböck. Stettner bestätigt, das es sonst „Diskrepanzen“ gibt. Seine Abnehmer in Bayern und Baden-Württemberg hätten vergangenes Jahr eine schlechte Saison und heuer viele Ausgaben wegen des Hüttenaufbaus, der Tests und Bauzäune gehabt. Wenn er ihnen den Glühwein berechnen würde, hätte er 2022 keine Partner mehr.

„Manche weinen sogar am Telefon“

Dabei erwarten die Glühweinhersteller, dass ihre Kunden von Staat entschädigt werden. Wiesböck bekomme hingegen keine Hilfe, weil der Umsatzverlust zu gering sei. „Wenn 25 Prozent vom Monatsumsatz abgehen, habe ich natürlich trotzdem Probleme“, so der Geschäftsführer. Auch Stettner erwartet, dass er keine Unterstützung bekommt. So versucht er zu argumentieren, dass er zehn Prozent Bearbeitungsgebühr von seinen Kunden einbehält. Einige akzeptieren das nicht. Viele Marktbetreiber stünden vor dem Ende ihrer Existenz, wissen nicht mehr, wie es weitergehen soll. „Manche weinen sogar am Telefon“, berichtet Stettner.

Normalerweise entleert der Entsorgungspartner nur einmal die Woche vier Container des Unternehmens. Nun müsse er jeden zweiten Tag kommen. Die Müllberge seien umsonst entstanden, weil er die Kanister umschütten muss.

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