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„Bin mit jeder Kartoffel per du“: Wie ein Kolbermoorer Biolandwirt 18 Hektar Welt rettet

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Von: Kathrin Gerlach

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In dritter Generation bewirtschaften Maximilian und Bernadette Schlarb ihr Land und vermarkten die Ernte im eigenen Hofladen. Die Großeltern hatten es vor 75 Jahren dem Moor abgerungen. Jetzt bewirtschaften es die Biobauern im natürlichen Kreislauf der Natur, um es für die nächste Generation – ihre Söhne Lorenz (links, 4) und Xaver (1) – zu erhalten.
In dritter Generation bewirtschaften Maximilian und Bernadette Schlarb ihr Land und vermarkten die Ernte im eigenen Hofladen. Die Großeltern hatten es vor 75 Jahren dem Moor abgerungen. Jetzt bewirtschaften es die Biobauern im natürlichen Kreislauf der Natur, um es für die nächste Generation – ihre Söhne Lorenz (links, 4) und Xaver (1) – zu erhalten. © Gerlach

Max Schlarb weiß, dass Biolandwirtschaft allein die Welt nicht retten kann. Doch einen Teil davon schon. Die Wiesen und Felder in Schlarbhofen haben seine Vorfahren vor 75 Jahren dem Moor abgerungen. Heute arrangiert er sich mit der Natur und rettet seine 18 Hektar Welt.

Kolbermoor – „Was würde der Opa jetzt sagen“, fragt sich Max Schlarb oft, wenn er den Boden für sein Gemüse bereitet. „Man muss immer weiterdenken, damit man von dem, was man hat, nichts zerstört“, sagt der Biolandwirt. 18 Hektar Land sind die Lebensgrundlage für ihn und seine Familie. „Die rette ich und erhalte sie für meine Nachfahren.“

Verantwortung liegt in den Genen

Die Verantwortung für das eigene Stück Land trägt der 35-Jährige in den Genen. Seine Vorfahren waren es, die im 18. Jahrhundert auf Betreiben der Kaiserin Maria-Theresia von Österreich im Rahmen der „Schwabenzüge“ aus dem Hunsrück in Rheinland-Pfalz nach Slawonien (eine historische Region im Osten des heutigen Kroatiens) umsiedelten. Diese Gebiete waren nach den „Türkenkriegen“ fast menschenleer. Die Siedler – darunter ab 1792 auch die Familie Schlarb – machten dort ab 1792 den Boden urbar.

152 Jahre später – nach dem Zweiten Weltkrieg – wurden Zehntausende Donauschwaben aus ihrer Heimat vertrieben. So kamen die Schlarbs über viele Umwege und Zwischenstationen 1948 nach Kolbermoor. Die Bayerische Staatsforstverwaltung stellte den völlig mittellosen Siedlerfamilien damals rund 148 Hektar der Panger Filze zur Verfügung. Oswald und Maria Schlarb machten im Nebenerwerb das Land urbar und schufen sich in entbehrungsreicher Arbeit eine neue Existenz: „Entwässerungsgräben wurden gezogen, das Land bestellt, einfache Häuser errichtet“, erzählt ihr Sohn Gerhard Schlarb.

Begründer des Ortsteiles „Schlarbhofen“

So entstand der Kolbermoorer Ortsteil „Schlarbhofen“. Von den einst zwölf Bauernstellen existieren heute noch vier, darunter der Hof der Schlarbs, den Sohn Gerhard 1986 im Nebenerwerb auf Biolandwirtschaft umstellte. „Damals wurde ich als Spinner verlacht und gefragt, wo ich meine Sandalen hätte“, erzählt er lachend. Erst 1991 wurde mit der EU-Öko-Verordnung quasi das „Grundgesetz“ der ökologischen Lebensmittelwirtschaft eingeführt. „Wirklich ernst genommen werden Biobauern aber erst seit dem Rinderwahnsinn“, weiß Gerhard Schlarb. Nach der BSE-Krise im Jahr 2000 wurden „Agrarfabriken“ in Frage gestellt und erstmals der Ruf nach einer verbraucherfreundlichen Landwirtschaft lauter.

„Weltretter“ zu werden, war ein Kindheitstraum

Max Schlarb war damals noch ein Bub, der davon träumte, einmal „Weltretter“ zu werden. Er liebte es, mit seiner Großmutter Maria Zeit im Bauerngarten zu verbringen. „Kaum war der Schnee weg, wollte ich garteln“, erinnert er sich. Sie erklärte ihm den Kreislauf der Natur und den natürlichen Jahreslauf der Vegetation. Mit zwölf Jahren wusste Max, dass er eines Tages sein eigenes Mehl aus seinem eigenem Weizen haben will.

Seinen Meister der Biolandwirtschaft hat Schlarb junior nun schon seit 2010 in der Tasche. Im Alter von 25 Jahren wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete den Biohof. Mit 500 Quadratmetern Gemüse und dem Ab-Feld-Verkauf startete er in die ersten Versuchsjahre und testete, welche Früchte auf dem torfigen und oft sogar Ende Mai noch frostigen Moorland in Schlarbhofen gut gedeiht.

Als Landwirt der Natur ausgeliefert

Mit dem Kundenstamm wuchs die Anbaufläche auf 4000 Quadratmeter. Dann spürte er das erste Mal, wie es sich anfühlt, der Natur ausgeliefert zu sein: „Der Hagel 2016 hat alles zerstört“, berichtet er. Er entschied sich, trotzdem weiterzumachen. Andere Biogärtner halfen ihm mit Pflanzen durch die Krise.

Seit 2015 stehen Max Schlarb neben seiner Frau Bernadette, studierte Lebensmitteltechnikerin, zwei festangestellte Gärtner und Teilzeitkräfte für den Verkauf zur Seite. Die 18 Hektar bewirtschaften sie im „Drittel-Takt“: Zwei Drittel stehen als Grünland der Mutterkuhherde zur Verfügung. Auf einem Drittel des Landes werden Dinkel, Weizen und Roggen sowie Kartoffeln, Gemüse und Kräuter angebaut.

Natürlicher Kreislauf im „Drittel-Takt“

„Die Nährstoffe für die Felder bekommen wir aus gereiftem Mist unserer Kühe, Holzhackschnitzeln, Kompost, einem rotierenden Anbauplan und Zwischenfrüchten, die den Boden ruhen lassen und seine Fruchtbarkeit verbessern“, erklärt er. Frucht- und Wintergemüse wachsen geschützt im Treibhaus. Die erforderliche Wärme entsteht im Gewächshaus von selbst. Strom kommt von der eigenen Photovoltaikanlage. „So können wir möglichst autark und selbstbestimmt wirtschaften.“

Jede Kultur hat ihre Zeit. Der frische Feldsalat aus den Gewächshäusern ist schon im Februar über den Ladentisch gegangen. Derzeit recken die grünen Salate ihre Köpfe zur Ernte. Mitte April beginnt die Pflanzzeit im Freiland. „Jetzt pressiert‘s“, beschreibt der Biolandwirt.

Hochachtung vor Erbe der Vorfahren

Max Schlarb hegt das Erbe seiner Vorfahren voller Hochachtung. Dass ein Biolandwirt mit dem saisonalen, natürlichen Anbau nicht „reich“ wird, stört ihn nicht, denn viel wichtiger ist: „Ich lebe meine Leidenschaft, sehe darin meinen Lebenssinn, kann mich frei entfalten und bewirtschafte mein Land so, dass auch die nächste Generation weitermachen kann“, erklärt er. Dabei sind ihm der Kreislauf der Natur und auch der eigene Lebensrhythmus wichtig. Sohn Lorenz ist vier, der kleine Xaver gerade ein Jahr alt. Um mehr Zeit für sie zu haben, fuhr Schlarb im vergangenen Jahr Anbau und Lagergemüse ein wenig zurück. „In diesem Jahr werden wir nun wieder normal wirtschaften und das Lagergemüse wieder hochfahren.“

Amelie Schmidt ist Gärtnerin mit Leib und Seele. Im Biohof Schlarb wurde dieser Tage der letzte Feldsalat geerntet und für den Verkauf vorbereitet (links). Inzwischen ist der Kopfsalat in den Gewächshäusern herangewachsen und kommt bald frisch zum Verbraucher.
Amelie Schmidt ist Gärtnerin mit Leib und Seele. Im Biohof Schlarb wurde dieser Tage der letzte Feldsalat geerntet und für den Verkauf vorbereitet (links). Inzwischen ist der Kopfsalat (rechts) in den Gewächshäusern herangewachsen und kommt bald frisch zum Verbraucher. © Riediger

Max Schlarb ist auf seinem Hof Betriebsleiter, Gemüsegärtner, Bauer, Kuhflüsterer und Handwerker zugleich. Jetzt sind noch zwei weitere Leidenschaften hinzugekommen. „Zu unserer Philosophie gehört auch der Gedanke, dass alles, was uns Menschen umgibt und wir essen, ein Teil von uns wird. Deshalb sollte das, was man zu sich nimmt, wertvoll sein.“ Deshalb hat der „Bäcker“ Schlarb nach 23 Jahren seinen Kindheitstraum erfüllt und aus dem eigenen Getreide sein erstes eigenes Brot gebacken. Zudem steht er neuerdings auch dienstags und freitags als Koch in der neuen Küche der Hofwirtschaft und zeigt, welche Aromen natürlich gewachsenes Gemüse und heimische Kräuter entwickeln und zu welchen Gerichten sie verarbeitet werden können.

Biolandwirt gibt Erfahrungen weiter

Nach dem Willen von Bundesagrarminister Cem Özdemir sollen bis 2030 mindestens 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland nach ökologischen Gesichtspunkten bewirtschaftet werden. Derzeit sind es etwa 10,9 Prozent. Wie der Einstieg in den Bio-Gemüsebau gelingen kann, erfuhren am Freitag, 24. März, auch interessierte Landwirte und Gärtner auf dem Biohof Schlarb. Die Öko-Modellregion Hochries-Kampenwand-Wendelstein hatte zu dieser Veranstaltung eingeladen.

Nach elf Jahren Selbstständigkeit konnte Max Schlarb wichtige Erfahrungen weitergeben. Dazu gehört nicht nur der Denkanstoß, beim wirklich fairen und regionalen Handel dort anzusetzen, wo die Großeltern einst aufgehört habe. Dazu gehört auch das gute Gefühl, keine anonymen Produkte zu verkaufen, sondern „mit jeder Kartoffel per Du zu sein und dem Kunden etwas von mir zu geben, das ich selbst angebaut, gepflegt und geerntet habe und ihm guten Gewissens als wertvolles Lebensmittel anbieten kann.“

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