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„Wohnraum für alle“: Wie die Diakonie in Rosenheim Flüchtlingen bei der Wohnungssuche hilft

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Von: Martin Lünhörster

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Catherine Wehrle (links), Thies Schlüter (Mitte) und Susanne Weber (rechts) betreuen und koordinieren die Wohnungssuche von Flüchtlingen und Migranten in Rosenheim und Umgebung.
Catherine Wehrle (links), Thies Schlüter (Mitte) und Susanne Weber (rechts) betreuen und koordinieren die Wohnungssuche von Flüchtlingen und Migranten in Rosenheim und Umgebung. © Martin Lünhörster

Mit dem Projekt „Wohnraum für Menschen mit Migrationshintergrund“ wollen die evangelisch-lutherische Kirche und die Diakonie angesichts der wachsenden Wohnungsnot ein Zeichen setzen. Ein Beispiel einer Familie aus der Ukraine zeigt, wie erfolgreich das Projekt sein kann.

Rosenheim - Wer eine Wohnung in der Region sucht, hat es nicht leicht. Wenn überhaupt etwas verfügbar ist, dann sind die Mieten hoch. Was für Einheimische auf Wohnungssuche schon nicht einfach ist, ist für Flüchtlinge und Migranten, die hier ankommen, noch um ein Vielfaches schwerer. Da scheitert es oft schon an der Sprachbarriere und keinem oder nur einem kleinen Einkommen. 

Hier soll das Projekt „Wohnraum für alle” der Diakonie helfen. Gemeinsam mit der evangelisch-lutherischen Kirche und dem bayerischen Innen- und Integrationsministerium helfen dort Ehrenamtliche, geflüchteten Menschen einen Zugang zum Wohnungsmarkt zu eröffnen. „Eine Wohnungssuche ist meist mit Stress verbunden, da versuchen wir zu helfen”, sagt Thies Schlüter, Standortkoordinator des Projekts. „Wir wollen eine Chancengleichheit für alle auf dem Wohnungsmarkt erreichen”

Gegründet wurde das Projekt 2019 in Rosenheim. Seitdem hat sich das Projekt über ganz Bayern ausgebreitet und ist mittlerweile an acht Standorten ansässig. Neben Rosenheim und Traunstein unter anderem auch in Augsburg, Nürnberg und Schweinfurt.

Mehr als zweitausend Menschen konnte die WoFA, wie „Wohnraum für alle” kurz heißt,  mittlerweile zu einer eigenen Wohnung verhelfen. Zu Beginn einer jeden Vermittlung steht immer erst ein einfaches Gespräch. Wie groß soll die Wohnung sein? Für wie viele Personen in der Familie ist die Wohnung gedacht? Ganz allgemeine Sachen eben. Und damit verbunden ist auch eine Einführung in die deutschen Gepflogenheiten, genauer in das deutsche Mietrecht. Die Formalitäten, die zu einem Mietvertrag gehören, werden genauso besprochen wie die Rechte und Pflichten der Mieter. Aber auch für potentielle Vermieter bietet die WoFA Beratung an. 

„Wir brauchen mehr Wohnraum”

Das Projekt läuft mittlerweile. „Es wurden viele vertrauensvolle Beziehungen geknüpft und es gibt gute Zusammenarbeit mit Behörden und Vermietern”, sagt Thies Schlüter. Dennoch bleibe der Wohnungsmarkt wahnsinnig schwierig für seine Klienten. 

Die Bekanntheit hilft, das geknüpfte Netzwerk funktioniert. Auf der anderen Seite sind aber in den vergangenen Monaten sehr viele Menschen in die Stadt und den Landkreis Rosenheim gekommen. Und damit in einen sehr angespannten Wohnungsmarkt. 

Die Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, erhalten laut einer EU-Richtlinie in den meisten Fällen sofort eine Aufenthaltserlaubnis und Geld übers Jobcenter. Dadurch sind sie auch sofort berechtigt in eine private Wohnung zu ziehen. Dies ist auch einigen gelungen. „Dennoch suchen sowohl ukrainische als auch andere Geflüchtete weiterhin nach einer eigenen Wohnung. Und der Druck auf den Wohnungsmarkt wächst seit Februar letzten Jahres spürbar an”, führt Schlüter weiter aus. Die Wohnungssuche wird nicht nur für seine Klienten, sondern auch für alle anderen immer schwieriger.

Jeder, der will, kann das Projekt unterstützen. Es werden Menschen gesucht, die Interesse am Thema haben und Wohnungssuchende auf ihrer Suche begleiten und unterstützen. Auch Eigentümer sind aufgerufen, freie Wohnungen an die WoFA zu melden. Im Vorfeld ist auch immer ein Gespräch möglich, in dem die Möglichkeit einer Vermietung durchgespielt wird. WoFa ist Teil von Integration und Flucht der Diakonie und ist nicht nur für Flüchtlinge da. Alle Migranten, die nach Deutschland kommen, können hier Unterstützung bekommen.

Aus Bangladesch über Dubai und die Ukraine nach Deutschland

Ein Beispiel für eine gelungene Wohnungsvermittlung ist die Geschichte der Familie von Arian und Maria (Namen von der Redaktion geändert).

Die Geschichte und der Weg nach Rosenheim der Familie sind außergewöhnlich. Ursprünglich stammt Arian aus Bangladesch. Nach seinem Studium arbeitete er einige Jahre im IT-Sektor. Später fand er sich für einen Job in Dubai wieder, dort traf er auf seine heutige Frau Maria, die dort ein Traineeprogramm absolvierte. Wie es eben ist, lernten sich die beiden kennen, verliebten sich und zogen später in ihre ukrainische Heimat, um dort eine Familie zu gründen. Sie haben zwei Töchter.

Dann kam der russische Einmarsch in die Ukraine im Februar diesen Jahres. „Am 9.März haben wir die Chance zur Flucht gehabt”, erzählt Arian in flüssigem Englisch. „Überall waren russische Panzer, keiner hat sich auf die Straße getraut. Wir haben Geschichten von Nachbarn gehört, dass Menschen von den Russen bei der Flucht aufgegriffen und an Ort und Stelle erschossen wurden.” Hilfe kam über die indische, chinesische und andere Botschaften. Eine sichere Route, ein sogenannter „Grüner Korridor”, wurde für Arians Familie und andere Ausländer ausgehandelt. „Wir haben alles zurückgelassen und sind sofort aufgebrochen“, sagt Arian. Nach langen und beschwerlichen Tagen in Bussen und Zügen kam die Familie in der polnischen Hauptstadt Warschau an. Dort wurden sie und alle anderen Flüchtlinge von mehreren Hilfsorganisationen empfangen. 

„Ich will irgendwo hin, wo ich Ruhe finden kann!”

Die Familie von Arian und Maria hat sich für Deutschland entschieden, weil sie Gutes über die Aufnahme von Flüchtlingen gehört haben. Wohin spielte eigentlich keine Rolle. „Ich will in keine große Stadt, ich will dahin, wo ich Ruhe finden kann.” Und dann traf die Familie auf Georg und Steffi (Namen von der Redaktion geändert) im Bahnhof in Warschau. Ein Treffen, das sich als schicksalhaft erweisen sollte. Georg und Steffi wohnen im Landkreis Rosenheim und boten ihnen eine Wohnung bei Ihnen an. „Mittlerweile sind wir endlich angekommen und kommen zur Ruhe”, sagt Arian. Die Kinder gehen hier zur Schule, die Eltern machen einen Integrationskurs, Georg hat eine Arbeit für Maria organisieren können.

Anfang des Jahres mussten sie ihre Wohnung aber bereits wieder verlassen, da das Haus renoviert werden musste. Über Georg kam dann der Kontakt zur Diakonie zustande, nachdem sie zum ersten Mal mit der schwierigen Situation am Wohnungsmarkt konfrontiert wurden.

Ohne Hilfe findet man schwer eine Wohnung

„Wir hatten vier Wohnungsbesichtigungen, aber die waren alle zu klein und zu teuer für uns“, sagt Maria. Aber wieder hatte die Familie Glück. Über die Diakonie konnte erstaunlich schnell eine neue Wohnung gefunden werden. „Eine Dame rief uns an und sagte, sie hätte eine Wohnung, die sie der Diakonie anbieten könnte“, berichtet Catherine Wehrle, Mitarbeiterin des WoFA Projekts. Da kam ihr gleich die Familie in den Sinn, der Kontakt wurde hergestellt und der neue Mietvertrag unterschrieben.

Das sei ein gutes Beispiel dafür, dass das Netzwerk funktioniert, sagt Thies Schlüter, auch wenn der Fall von Arians und Marias Familie ein absoluter Ausnahmefall und ein Paradebeispiel für schnelle Hilfe ist. So einfach klappt es nicht immer.

„Wir brauchen mehr Wohnraum”

 „Wir haben auch Familien, die seit zwei Jahren und mehr in Flüchtlingsunterkünften leben. Auch wenn wir gute Vermittlungszahlen haben, stehen noch viele Menschen hintenan, die Hilfe brauchen“, sagt Schlüter. „Wie andere Projektteilnehmende auch, sind Geflüchtete aus der Ukraine oft gut vorbereitet,  das macht es uns und den Vermietenden leichter.” Man konzentriere sich bei WoFA auf die kleinen Schritte, denn auch die haben eine positive Wirkung auf die Menschen. „Wir dürfen nicht aufgeben“, schließt Schlüter. Und Beispiele wie das von Arian und Maria zeigen, dass es funktionieren kann.

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