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Notaufnahmen in der Region Rosenheim in Not: Gerät unser Gesundheitssystem ins Wanken?

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Von: Michael Weiser

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Romed-Klinikum Rosenheim Notaufnahmen in Not
Notaufnahmen in Not: Gesundheitsminister Holetschek (rechts) besuchte vor einigen Wochen das Romed-Klinium Rosenheim, wo er sich mit deren Leiter Dr. Michael Bayeff-Filloff (links) unterhielt. © Montage: Berger/ Romed / Armin Weigel/ dpa

Die Lage ist brenzlig. Und das ausgerechnet in dem Bereich, in dem Patienten Engpässe sofort spüren: in den Notaufnahmen der Krankenhäuser. Notaufnahmen in Not. Was Corona damit zu tun hat. Und was man selber tun kann. 

Rosenheim - Die Lage in den kommunalen Krankenhäusern – vor allem im gemeinsamen Rettungsdienstbezirk der Landkreise Rosenheim und Miesbach – spitzt sich zu. Unter anderem Rosenheims Landrat Otto Lederer und Oberbürgermeister Andreas März sowie die Klinikgeschäftsführer von Romed und Agatharied haben aus diesem Grund kürzlich ein Krisengespräch geführt. „Die aktuelle Situation ist dramatisch.“ So fasst Dr. Jens Deerberg-Wittram, Geschäftsführer des Romed-Klinikumsverbunds die Lage zusammen.

Die Konsequenz aus der personalbedingten Verschärfung der Lage aus seiner Sicht: Die Krankenhäuser sollten gegebenenfalls wie in den Hoch-Zeiten von Corona wieder zusammenarbeiten. Konkret wären das die Kliniken des Romed-Verbunds sowie Agatharied,

Vorher die Intensivstationen, jetzt die Notaufnahmen

Schon in den vergangenen beiden Jahren halfen die Krankenhäuser wie auch Kliniken des Schön-Verbunds oder Medical Park einander aus. Doch diesmal geht es nicht um die Intensivstationen, wie zuvor in der Corona-Pandemie. Seinerzeit, in den ersten Wellen der Pandemie, zwangen diverse Varianten des Virus immer wieder eine Vielzahl von Menschen in die Knie, so dass sie intensivmedizinisch behandelt werden mussten. Das Personal in den entsprechenden Isolierstationen der Romed-Kliniken arbeitete an der Grenze.

Seit Monaten aber hat die Corona-Variante Omikron die Herrschaft angetreten. Sie wirkt zunächst längst nicht so hart wie ihre Vorgänger, ist aber um ein Vielfaches ansteckender.

Es weisen sich mehr Patienten als vor der Pandemie selbst ein, und die treffen auch noch auf geschwächte Teams. Daher sind es jetzt die Notaufnahmen, auch in der Region Rosenheim, die SOS senden. Weil ihr Personal wegen hoher Krankenstände überlastet sind, melden sie sich nun häufiger bei der Rettungsleitstelle ab. Die Notaufnahme, die sich abmeldet, sendet ein deutliches Signal: Sie ist dann so belegt, dass sie sich nur noch um die Versorgung der Patienten kümmern kann, deren Leben im Moment in Gefahr ist. 

In Rosenheim war das bislang die Ausnahme, die kaum ins Gewicht falle, wie Deerberg-Wittram erläutert. Mittlerweile liegen die Abmeldungen bei nicht dringlichen Fällen bei über 20 Prozent. „Für nicht lebensbedrohliche Notfälle sind wir zehnmal häufiger abgemeldet als im ersten Covid-Jahr“, konkretisiert er. Was Selbsteinweisungen betrifft: Die Wartezeit für „normale und nicht dringliche Fälle“ sei im Durchschnitt von 28 auf 49 Minuten gestiegen, könne in Einzelfällen aber auch Stunden betragen.

Patienten werden im Rettungswagen versorgt

Die Engpässe in den Notaufnahmen können zur Konsequenz haben, dass Notfall-Patienten zwar noch in den Rettungswagen hineinkommen, aber nicht mehr so schnell hinaus. Im Fall der Fälle, dass kein benachbartes Krankenhaus in die Bresche springen kann, bleibt der Patient erst einmal im Rettungswagen, wo er versorgt werden kann. Dort warte man dann so lange, bis im Krankenhaus ein Bett frei werde.

Dem Patienten dürfe kein Nachteil entstehen, sagt Deerberg-Wittram. Allerdings stehe der Rettungswagen in dieser Zeit eben auch nicht für Einsätze zur Verfügung. „Da merkt man wie das System der Rettungsorganisation in eine Schieflage gerät.“

Unnötige Belastung der Notaufnahme

Zwei- bis dreimal so hohe Krankenstände beim Personal melden die Kliniken Südostoberbayerns.  Ebenso wie die niedergelassenen Praxen, Rettungsdienste, Pflegeheime und Rehakliniken beklagen sie fast durch die Bank eine prekäre Personalsituation.

Hinzu kommt ein Problem, das Notaufnahmen schon vor der Corona-Pandemie zu schaffen machte. Einfach gesagt: Nicht jeder, der in der Notaufnahme sitzt, gehört dort auch hin. Rund ein Viertel derjenigen, die dort im Wartezimmer Platz nehmen, könnten genauso gut oder besser vom Hausarzt behandelt werden, sagen Fachleute wie Dr. Michael Bayeff-Fillof, Leiter der Zentralen Notaufnahme im Romed-Klinikum in Rosenheim: „Jeder sieht sich als Notfall. Wichtig wäre, dass die Menschen wissen, an wen sie sich wenden müssen, damit das System nicht kollabiert.“ 

Er weiß, von was er spricht. Kürzlich legte er eine Studie vor, die Wege gegen den Patientenstau aufzeigt. Das Ergebnis: Mit der Kombination von Triage-Systemen und Ersteinschätzungsroutinen wie in der Bereitschaftspraxis können Patienten zuverlässiger und präziser dorthin geleitet werden, wo sie aufgrund der Art und der Schwere ihrer Beschweren hingehören.

Tatsächlich aber gingen derzeit noch manchmal viel zu viele Menschen den vermeintlich einfachen Weg über die Notaufnahme, sagt Deerberg-Wittram. Der zielführende Weg hingegen führte über den Hausarzt. Oder über den ärztlichen Dienst der kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. An diesen KV-Dienst kann man sich auch telefonisch wenden, ohne sich zunächst überhaupt aus seiner Wohnung bewegen zu müssen. „Wahrscheinlich wissen viele aber gar nicht, dass man die 116 117 wählen kann“, vermutet Deerberg-Wittram.

Müssen die Kliniken wieder zusammenarbeiten?

Die Nachfrage senken: Das wäre das eine. In den dramatischten Phasen der Corona-Pandemie konnten die Krankenhäuser in der Region Rosenheim und darüber hinaus auch noch zusammenarbeiten. Eine Zusammenarbeit, die damals das Gesundheitssystem in der Region vermutlich vor dem Kollaps bewahrt hat. Dafür ist nun erneut der Krankenhaus-Koordinator Dr. Michael Staedtler zuständig.

Doch hat das Umverteilen von Patienten auch seine Grenzen: Notaufnahmen sind hoch spezialisierte Bereiche, deren Personal nicht einfach durch Verstärkungen aus anderen Abteilungen aufgestockt werden kann. Die Notaufnahmen der Region werden also erstmal selbst zurande kommen müssen.

Die Kollegen anderer Häuser haben dennoch Unterstützung versprochen. „Da wir keine Notaufnahme haben, unterstützen wir unsere Kolleginnen und Kollegen in der Region, in dem wir im Setting unserer intensivmedizinischen Expertise Patientinnen und Patienten aus externen Notaufnahmen übernehmen und somit für ein wenig Entlastung sorgen können.“, sagt Sven Schönfeld, Klinikgeschäftsführer der Schön-Klinik Vogtareuth.

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