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„Das ist eure Lebensversicherung“ - Polizisten machen kleine Radler fit und warnen vor Gefahren

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Von: Paula L. Trautmann

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Polizistin Maria Thome regelt den Verkehr. Die Kinder sollen jede Situation im Straßenverkehr kennen.
Polizistin Maria Thome regelt den Verkehr. Die Kinder sollen jede Situation im Straßenverkehr kennen. © Paula L. Trautmann

Jedes Jahr bereiten Polizisten 800 Kinder auf den Straßenverkehr vor. Sie trainieren auf dem Übungsplatz der Ottfried-Preußler-Schule in Stephanskirchen. Warum das Training so wichtig ist, wie sich die kleinen Radler schützen können und vor welchen Gefahren die Beamten warnen.

Stephanskirchen - Es ist die dritte Übungsstunde der Klasse 4c. Polizistin Maria Thome steht in der Kreuzung. Sie hat drei Kinder als Linksabbieger aufgereiht. „In die Kreuzungsmitte quetschen, umschauen und abbiegen, wenn kein Auto mehr kommt“, wiederholt die Beamtin die Theorie. „Sonst steht ihr Weihnachten noch da.“ Sie rät den Kindern sich groß zu machen und in die Mitte der Spur zu stellen - lieber solle ein Lastwagenfahrer hinter anstatt neben ihnen warten. „Das ist eure Lebensversicherung“, betont Jugendverkehrserzieher Wolfgang Werner. Die größte Gefahr beim Linksabbiegen sei, dass jemand an den Viertklässlern vorbeifährt.

Kinder lernen Regeln durch Reime

Auch Ausnahmesituationen besprechen die Polizisten mit den Jungen und Mädchen - etwa wenn ein Kollege die Kreuzung regelt. Dafür zieht Thome eine Warnweste an, setzt ihre Mütze auf und streckt die Hand als Stoppsignal in die Höhe. Jetzt heißt es Kreuzung räumen. „Solange mein Arm oben ist, bleiben alle stehen“, sagt die Polizistin. Wie sich die Kinder verhalten sollen, wenn sich Thome anders positioniert, lernen sie mit einem Reim. „Siehst du Brust oder Rücken, musst du auf die Bremse drücken“, spricht die Beamtin vor und die Schüler wiederholen es im Chor. Und dann: „Siehst du seine Hosennaht, hast du freie Fahrt.“

Die Polizistin erklärt auch, was bei einer abknickenden Vorfahrtsstraße nach rechts zu tun ist: rechtes Handzeichen, rechts Umschauen. Ihr Kollege ergänzt den Sonderfall bei einer abknickenden Vorfahrtsstraße nach links: „Nicht einordnen, sondern am Rand der Vorfahrtsstraße bleiben.“ Dann fährt Maria Thome die Prüfung auf dem Übungsplatz vor. Das würden sich die Kinder wohl vor jedem Test wünschen: eine einwandfreie Vorlage.

Milkas und Haribos als Gruppennamen

Doch ganz einfach wollen Thome und Werner es den Schülern nicht machen. Sie raten ihnen aufmerksam zu sein, denn die Polizisten werden die Ampel ein- und ausschalten oder den Verkehr selbst regeln. „Wer war als letztes dran, Haribos oder Milkas?“, fragt Werner und die „Milkas“ stürmen zu den Rädern. „Das klappt seit 14 Jahren, Gruppe eins und zwei können sie sich nicht merken.“

Einen Kreisverkehr zum Üben

Jedes Milka-Kind schnappt sich ein Rad. Die Fahrräder der Verkehrswacht sind 20 Jahre alt, nächstes Jahr gibt es neue. „Ich bin heilfroh“, sagt Thome. Die Gangschaltungen der Räder gingen immer wieder kaputt. Den Platz hat die Gemeinde vor einigen Jahren erneuert. Davor mussten die Kinder auf der Tartanbahn üben und seien dabei oft ausgerutscht. Nun gibt es Straßen und sogar einen Kreisverkehr - eine Besonderheit laut den Jugendverkehrserziehern.

„Vollgaser“ und „Radlgötter“

Ein Junge flitzt über den Kreisverkehr. „Bist du ein Vollgaser?“, ruft Werner ihm nach. Einen anderen Schüler schimpft er: „Ned so gschlampert.“ Die Kunst sei, so laut zu schreien, dass keiner Angst hat. Die Kinder sollen wissen, dass er und seine Kollegen es nicht böse meinen. Viele Schüler fahren ohnehin langsam und bedacht, ohne einen einzigen Fehler. Über einen Jungen sagt Werner stolz: „Der fährt wie ein Radlgott.“

Die Schüler warten an der Ampel bis sie an der Reihe sind.
Die Schüler warten an der Ampel bis sie an der Reihe sind. © Paula L. Trautmann

Doch es gibt nicht nur Profiradler. „Immer weniger Kinder können Radfahren“, bestätigt der Jugendverkehrserzieher. Das Problem habe sich während der Corona-Pandemie noch verstärkt. Die Schüler müssten dann wie mit einem Laufrad üben: Sie setzen sich auf das Rad und stoßen mit den Füßen an. Mit Stützen arbeite heute niemand mehr, ohne sie lernen die Kinder besser das Gleichgewicht zu halten. Von 1. März bis Ende Juli lernen die Stadt-Kinder in Happing Radfahren. Nach den Sommerferien sind die Landschulen dran, bis es im Dezember zu kalt wird.

Kinder finden Training wichtig

Laut Werner geht es um den Lerneffekt - möglichst ohne Druck. „Wir sind sehr kulant. Wir wollen nicht, dass die Kinder durchfallen“, beteuert er. Wenn ein Schüler die Fahrradführerschein-Prüfung vermasselt, gibt es die Möglichkeit zur Nachprüfung - selbst nach dem dritten Mal. „Ich bin schon aufgeregt wegen der Prüfung“, sagt die neunjährige Jessica. Auch Omar ist etwas nervös, aber dennoch selbstbewusst: „Ich weiß, dass ich alles kann.“ Kim-Jana erschrickt sich nach eigenen Angaben noch etwas, wenn jemand an der Kreuzung bremst. Durch die Übung fühle sie sich sicherer im Straßenverkehr. „Es ist gut gegangen, bis auf das eine Mal als ich fast hingefallen bin“, sagt Paing Oo. Er findet das Training „wichtig und sinnvoll“.

Auch Lehrerin Karin Althaus betont, wie wichtig der Fahrradführerschein für die Sicherheit der Kinder ist. „Außerdem macht es ihnen große Freude, sie genießen das richtig“, sagt Althaus . Es sei eine gute Abwechslung zum Unterricht im Klassenzimmer. Den Kindern ist der Übungsplatz der Lehrerin zufolge ohnehin vertraut, sie nutzen ihn jeden Tag als Pausenhof.

„Die Kinder wachsen uns ans Herz“

Das trägt wohl auch dazu bei, dass bisher kein schlimmer Unfall passiert ist. Nur ein Mal ist den Beamten zufolge eine Schülerin gegen das Polizeiauto gefahren und ein Arzt musste sie versorgen. Solche Fälle wollen die Polizisten vermeiden. „Die Kinder wachsen uns ans Herz“, sagt Werner. Das Schicksal der Schüler beschäftige ihn und die Kollegen. Vor Jahren sei ein Junge aus seiner Gruppe im Straßenverkehr verunglückt, obwohl er nichts falsch gemacht hat. Als die Mutter eines anderen Kindes gestorben ist, wollten die Schüler Werner zufolge nicht mehr aufs Rad. So etwas wolle er nicht erneut erleben.

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