1. rosenheim24-de
  2. Rosenheim
  3. Rosenheim Stadt

„Ich will nicht mehr dick sein“: Wie eine Stiftung aus der Region übergewichtige Kinder unterstützt

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

Nico Hanny hilft mit der ambulanten Stiftung Adipositasstiftung „Big Friends“ übergewichtigen Kindern beim Abnehmen.
Nico Hanny hilft mit der ambulanten Stiftung Adipositasstiftung „Big Friends“ übergewichtigen Kindern beim Abnehmen. © re

„Iss doch einfach weniger!“ – Ein Satz, den übergewichtige Kinder regelmäßig zu hören bekommen. Leni ist 14 Jahre alt und besucht seit einem Jahr die ambulante Adipositasstiftung „Big Friends“. Hier lernt sie nicht nur Neues über Ernährung, sondern auch über sich selbst.

von Sophia Mayer

Rosenheim/Bad Aibling – 2021 wurden in Deutschland zwei Millionen Kinder und Jugendliche als übergewichtig diagnostiziert, darunter 800 als adipös. Leni ist eine von ihnen. Sie ist 14 Jahre alt, als sie von ihrem Arzt den Rat bekommt, sich aufgrund ihres Übergewichts eine langfristige Unterstützung zu suchen. Er empfiehlt ein Infogespräch bei der ambulanten Adipositasstiftung „Big Friends". Heute ist Leni bereits seit einem Jahr Teil der Gruppe und hat viel über eine ausgewogene Ernährung und Bewegung gelernt.

Sportübungen und Schulungen

Ein Jahr lang trifft sich Leni mit ihrer Gruppe wöchentlich bei den „Big Friends“. Dort machen sie zuerst gemeinsam etwas Sport in der Turnhalle, gehen an einem warmen Sommertag ins Freibad oder machen verschiedenste Ausflüge im Freien. Anschließend gibt es eine Schulung in den Bereichen Psychosoziales, Medizin und Ernährung.

Leni hat ihr Praxisjahr bereits Anfang Mai beendet. Nun hat sie einen abschließenden Fitnesstest vor sich, der ihr zeigen soll, was sie in dem letzten Jahr bereits alles erreicht hat. „Da müssen wir zum Beispiel eine bestimmte Zeit laufen, oder eine gewisse Anzahl an Liegestützen machen“, erzählt Leni.

Die Ergebnisse werden mit einem Sporttest verglichen, den die Teilnehmer zu Beginn der Schulung absolvieren mussten. Schon damals hatte Leni kein Problem mit ihrer Fitness. „Sportlich konnte ich immer mit meinen Klassenkameraden mithalten“, erzählt sie.

Medizinstudent Nico Hanny begleitet Lenis Gruppe bereits seit dem vorherigen Jahr. In seinen Medizinschulungen hilft er den Kindern Bewegung in ihren Alltag zu integrieren. Dabei reiche es schon aus, wenn die Kinder mit dem Fahrrad zur Schule fahren. Bisher klappe das auch sehr gut, sagt er.

Ernährung ist ein wichtiger Bestandteil

Auch die Ernährung stellt neben dem Sport einen wichtigen Bestandteil der „Big Friends“ dar. In den Ernährungsstunden lernt Leni viel über ein gesundes Essverhalten. Ernährungswissenschaftlerin Bettina Kuba hilft den Kindern, ihre Ernährung umzustellen und auch in Zukunft beizubehalten.

Dafür kochen die Kursteilnehmer sowohl gemeinsam in der Gruppe, als auch online von zuhause aus. Einmal haben sie beispielsweise zusammen Burger gemacht, erinnert sich Leni. Aus den herkömmlichen Fleisch Pattys wurden jedoch vegetarische Bratlinge aus Linsen. Seitdem ernährt sich Leni zuhause überwiegend fleischlos.

Leni hat durch das Training viel an ihrer Selbstdisziplin gearbeitet. Süßigkeiten und zuckerhaltige Getränke gibt es nur an besonderen Tagen, beispielsweise an Geburtstagen oder an Ostern. „Mein Osternest ist noch so gut wie unberührt“, sagt Leni. Sie könne sehr gut kontrollieren, wann ungesund gegessen wird und wann nicht.

Ihr Hungergefühl habe sich ihrer gesunden Ernährung angepasst, daher bekomme sie selten Lust auf was Süßes. „Schon das Weglassen der täglichen Cola reicht bei Kindern und Jugendlichen meistens aus“, sagt Bettina Kuba. Eine gesunde Ernährung enthalte an Getränken überwiegend Wasser und zuckerfreie Tees. Softdrinks sollten nur an besonderen Anlässen getrunken werden.

Große Unterstützung durch die Eltern

Darauf achten auch Lenis Eltern. Sie unterstützen sie auf ihrem Weg. So wird zuhause fast ausschließlich vegetarisch und gesund gekocht. Das sei essenziell, denn Eltern spielen eine große Rolle, wenn es um das Essverhalten ihrer Kinder geht. Oft werde Ernährung in der Familie erlernt, erklärt Kuba. „Meistens haben die Eltern es selbst nicht anders gelernt“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin. Daher falle es den Erziehungsberechtigten oft schwer, bei einem ungesunden Ernährungsstil ihrer Kinder entgegenzusteuern. Haben sie selbst adipöse Eltern, sind sie von zuhause oftmals nur übermäßig groß rationierte Essensportionen gewohnt. Dadurch falle es den Kindern schwer, Portionsgrößen genau einzuschätzen und ein eigenes Sättigungsgefühl zu entwickeln.

Nico Hanny versucht, in seinen Stunden mit den Kindern herauszufinden, woher ihr Übergewicht kommt.

Oftmals läge es an der Lebensmittelwahl. Als zuckerfrei plakatierte Ware sei nicht zwingend gesünder als normales Essen, sondern habe zudem meist noch erhöhte Fettwerte.

Und dennoch fallen viele Eltern auf die Masche der Werbeindustrie herein und können im Nachhinein nicht nachvollziehen, woher das Übergewicht des eigenen Kindes komme. Um auch die Eltern der betroffenen Kinder über eine gesunde Ernährung aufzuklären, versucht das „Big Friends“ Team stets die Erziehungsberechtigten einzubinden.

Auch Mobbing kann eine Ursache für eine Adipositas im Kindesalter sein. In diesem Fall fungiere das Essen als Lösungsverhalten, für Probleme in der Schule zum Beispiel. „Kein Kind hat sich ausgesucht adipös zu sein“, sagt Hanny. In den Psychosozialen - Stunden wird das Thema aufgegriffen. Die Kinder lernen dort, wie sie auf Beleidigungen und Mobbing reagieren sollen. So steht vor allem die Stärkung des eigenen Selbstbewusstseins im Vordergrund.

Die Stiftung Adipositasstiftung „Big Friends“ aus Bad Aibling will helfen, dass es in Deutschland weniger übergewichtige Kinder gibt.
Die Stiftung Adipositasstiftung „Big Friends“ aus Bad Aibling will helfen, dass es in Deutschland weniger übergewichtige Kinder gibt. © dpa/picture alliance/Fredrik von Erichsen

Doch mit Mobbing hatte Leni bisher keine Probleme. Der Unterschied zu ihrem früheren Gewicht falle ihren Mitmenschen im Alltag nicht so schnell auf. „Menschen, die mich selten sehen, sagen mir dann aber schon, dass ich mich verändert habe“, sagt sie. Doch Leni ist stolz auf sich selbst und auf ihren bisherigen Erfolg und das ist ja wohl die Hauptsache.

Mobbing eine der möglichen Ursachen

Außerdem gehe es bei „Big Friends“ nicht darum, so viele Kilo wie möglich zu verlieren. „Ganz im Gegenteil“, sagt Bettina Kuba. Das Ziel sei es, dass die Kinder lernen, ihr Gewicht zu halten. „Wenn ein Zehnjähriger 60 Kilo wiegt, ist das natürlich zu viel. Bei einem Erwachsenen ist das schon wieder das Normalgewicht“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin.

Nico Hanny hilft den Kindern dabei, eigene Ziele zu entwickeln. Viele Kinder hätten bei „Big Friends“ sofort das Abnehmen als Ziel im Kopf, doch es sollten viel mehr persönliche Ziele sein, die sie motivieren. „Wenn ein Kind zum Beispiel sagt, dass es nicht mehr als letztes im Sportunterricht gewählt werden will“, erklärt Hanny.

Leni ist zufrieden, mit dem, was sie bisher geschafft hat. Nach der Sportprüfung geht es noch vier Mal im Jahr zu einem Treffen mit der Gruppe. Dort wird überprüft, wie sich die Kinder ohne wöchentliche Treffen an ihre neue Ernährung halten. Leni möchte diese „weiter durchziehen“, um auch in Zukunft gesund zu leben.

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion