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Bürger mit Sozialengagement

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Christine Vierthaler (rechts) betreut die "Zwerge" im "Zwergenhaus". Fotos: re
Christine Vierthaler (rechts) betreut die "Zwerge" im "Zwergenhaus". Fotos: re © OVB

Rosenheim - Wie sähe das Rosenheimer Stadtleben aus, wenn sich nicht so viele Bürger ehrenamtlich engagieren würden? "Viel ärmer und weniger bunt", sagt Karin Weiß.

Sie ist Leiterin der Freiwilligenagentur Nord. Eine solche Koordinierungsstelle, die das Ehrenamt vernetzt, neue Projekte anstößt und freiwillige Helfer unterstützt, gibt es auch in den Stadtquartieren Ost und West.

Rosenheim - Von A wie "Allroundhilfe" bis Z wie "Zwergenhaus" reicht die Palette an Projekten, welche die drei Freiwilligenagenturen in den Stadtquartieren Ost, West und Nord unterstützen. Hunderte Bürger engagieren sich hier für ihre Mitbürger: Sie veranstalten Stadtteilversammlungen, geben Stadtteilzeitungen heraus, laden zu Bürgertreffs ein, unterstützen Familien und Senioren, helfen bei der Integration, setzen sich gegen Vereinsamung und Diskriminierung ein, gestalten das Leben in den Quartieren mit Festen und Feiern, Ausflügen und Bildungsprogrammen, Patenschaftsprojekten und Selbsthilfegruppen.

All diese Angebote gäbe es nicht, wenn sich nicht Freiwillige finden würden, die sich gerne engagieren. Diese Bereitschaft bleibt nach Erfahrungen von Karin Weiß nur erhalten, wenn die Freude am Ehrenamt gefördert wird. Frustrationen über Projekte, die nur stockend in Gang kommen, oder Stress, weil sich Freiwillige allein gelassen fühlen, sind kontraproduktiv.

Deshalb benötigen auch die Helfer etwas Hilfe - etwa, wenn es darum geht, finanzielle Zuwendungen für ein neues Projekt zu beantragen, Räumlichkeiten oder Mitstreiter für ein Angebot zu finden. Motivatoren, Unterstützer und Ansprechpartner dafür sind die drei Freiwilligenagenturen, charakterisiert Karin Weiß die Arbeit der Koordinierungsstellen.

Entstanden sind sie 2004 - im Rahmen der Initiativen zur Sozialen Stadt. Trägerin der Freiwilligenagentur Ost ist die Diakonie, im Westen die Jugendhilfeorganisation "Startklar Schätzel" und für den Norden der Kinderschutzbund. Leiterinnen sind Andrea Dörries (Ost), Judith Klinger (West) und Karin Weiß (Nord). Neben den Trägern unterstützen Kooperationspartner wie die Soziale Stadt und das städtische Amt für Kinder, Jugendliche und Familien die Agenturen.

Trotz unterschiedlicher Projekte und Arbeitsinhalte haben diese eins gemeinsam: Sie sind zuständig für die Einberufung der Stadtteilversammlungen, für die Verwaltung des Bürgerfonds und die Herausgabe der Stadtteilzeitungen. Sie arbeiten eng mit Schulen und Kindergärten sowie weiteren Partnern zusammen. Sie bündeln ihre Netzwerkarbeit in den Bürgerhäusern - in der Lessingstraße im Bürgerhaus "Miteinander", in der Endorfer Au im "E-Werk-Stüberl" und in Happing im Stadtteilbüro und in Zukunft im Bürgerhaus, das aber noch gebaut werden muss.

Saskia macht Kinder und Senioren glücklich

Saskia Afuah ist "glücklich, wenn meine Kinder glücklich sind" - eine ungewöhnliche Aussage, denn die Ehrenamtliche der Freiwilligenagentur West ist erst 15 Jahre alt und keineswegs Mutter. "Ihre Kinder" - das sind die Mädchen und Buben, die freitags in die Kunstwerkstatt im Bürgerhaus kommen, um mit der Realschülerin zu malen, zu basteln und zu werken.

Bis zu 20 Kinder nutzen das Kreativangebot, ein offenes Projekt des Vereins "Kind und Werk". In der Adventszeit herrschte im Bürgerhaus besonders reger Andrang: Schließlich galt es, Geschenke zu basteln. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt, berichtet Saskia. Zum Einsatz kommen die unterschiedlichsten Materialien und Basteltechniken. Sie lässt den Kindern Freiheit beim Gestalten, unterstützt lediglich die Mädchen und Buben und gibt auf Wunsch Anregungen.

Der Umgang mit Kindern wurde Saskia in die Wiege gelegt: Sie stammt aus einer Großfamilie. Auch beruflich strebt sie eine Tätigkeit an, bei der sie ihre pädagogischen Talente einbringen kann. Doch die 15-Jährige engagiert sich nicht nur für Kinder, sie ist auch Seniorenpatin: In dieser Funktion kümmert sie sich um eine alte Dame in ihrem Viertel, die alleine lebt und nicht mehr gut zu Fuß ist. Die Schülerin begleitet die Seniorin auf Spaziergängen, trifft sich mit ihr zum Ratschen - "Ich mag Geschichten aus alten Zeiten" - und leistet ihr Gesellschaft. Warum engagiert sich ein Teenager auf diese Weise ehrenamtlich? Saskia: "Weil es mein Hobby ist und wirklich viel Spaß macht."

Berufstätige Mutter hilft anderen Müttern

Christine Vierthaler arbeitet als selbstständige Handelsvertreterin, hat zwei Kinder im jugendlichen Alter, ist vielseitig interessiert, kurzum: Eigentlich ist ihre freie Zeit rar. Trotzdem verbringt sie diese nicht allein mit Hobbys, sondern widmet sie dem "Zwergenhaus", einem Treff für junge Eltern mit Kindern im Alter von ein bis drei Jahren. Einmal in der Woche versammeln sie sich im Happinger Bürgertreff und verbringen gemeinsam drei Vormittagsstunden.

Für viele Mütter dort, vor allem für alleinerziehende oder für Frauen mit Migrationshintergrund, ist das "Zwergenhaus" eine der wenigen Chancen, Kontakte zu knüpfen, Erfahrungen auszutauschen oder sich einen Rat zu holen. Die Mütter können bleiben, aber auch ihre Kleinkinder der Obhut der Helfer überlassen, um Besorgungen zu erledigen, Behörden- und Arztbesuche zu tätigen oder einen Deutschkurs zu besuchen.

Das Spektrum der Gäste reicht laut Vierthaler von einer Zwillingsmama aus Afghanistan bis zur kaum Deutsch sprechenden Türkin und zur jungen Zugezogenen, die Anschluss sucht. Frauen und Kinder aus den 26 Nationen, die in Happing vertreten sind, lernen sich hier ungezwungen kennen.

Die 46-Jährige unterstützt die Mütter auch mit Rat und Tat - bei Erziehungsfragen oder der Integration. "Wir stärken den Familien den Rücken, haben in sechs Jahren schon so manches Problem miteinander lösen können", freut sie sich. "Unserer Familie geht es gut, deshalb ist es mir ein Anliegen, all jenen zu helfen, denen es vielleicht nicht so gut geht", bringt Vierthaler ihre Motivation auf den Punkt.

Peter Rohr wird jeden Mittwochnachmittag am Bürgerhaus "Miteinander" in der Lessingstraße von der Jugend sehnsüchtig erwartet: Genau um 15 Uhr schließt der 57-Jährige die Radlwerkstatt in einem umgebauten Bauwagen auf. Dort reparieren er und seine Helfer nicht nur Fahrräder, sondern bieten den Kindern und Jugendlichen auch einen Treffpunkt. Rohr ist nicht nur handwerklich begabt: Der ehemalige Ski- und Windsurflehrer, selber zweifacher Vater, stellt für viele junge Leute auch eine wichtige Kontaktperson dar.

Radlwerkstatt mit Sozialfunktion

Früher hat Rohr sein pädagogisches Geschick dem Kinder- und Jugendtelefon des Kinderschutzbundes zur Verfügung gestellt. Doch dieses Ehrenamt vollzog sich für ihn zu anonym. In der Radlwerkstatt kann er mit den Jugendlichen persönlich reden. Beim Flicken eines Schlauches oder beim Richten einer Bremse lässt es sich gut ratschen, stellt er immer wieder fest. Außerdem bringt er den Kindern und Jugendlichen im Stadtquartier Nord bei, wie sie ihr Fahrrad selber reparieren können. "Sie lernen mit Werkzeug umzugehen, und dass nicht alles, was kaputt gegangen ist, weggeworfen werden muss", berichtet der Inhaber einer Kunststofftechnikfirma.

Seine Werkstatt findet auch Zugang zu Jugendlichen, die aus problematischen Familienverhältnissen stammen. Kinder, die oft sich selbst überlassen sind, finden hier einmal in der Woche eine Anlaufstelle. Rohr wünscht sich jedoch noch Unterstützung durch weitere Freiwillige: "Wir suchen nicht nur Radspezialisten, sondern würden uns auch über die Mitarbeit von Helfern freuen, die sich mit ihrem Organisationstalent einbringen. Auch Frauen fehlen in unserem Team", betont er. Gerne würde die Radlwerkstatt noch intensiver in Kontakt mit der Jugend im Stadtteil treten.

Oberbayerisches Volksblatt

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