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Kerzenfachhandel Ruedorffer in Rosenheim schließt nach 400 Jahren

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Von: Anna Heise

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Seit 1548 gibt es das Wohn- und Geschäftshaus in der Kaiserstraße 1 bereits.
Seit 1548 gibt es das Wohn- und Geschäftshaus in der Kaiserstraße 1 bereits (genaues Aufnahmedatum des Bildes unbekannt). © Stadtarchiv

Seit 400 Jahren gibt es den Kerzenfachhandel Ruedorffer in der Kaiserstraße 1 in Rosenheim. Jetzt verabschiedet sich Christine von Wartburg mit 97 Jahren in den Ruhestand. Damit schließt Ende Oktober eines der letzten Traditionsgeschäfte der Stadt. Aber es gibt auch gute Nachrichten.

Rosenheim  – Den Umgang mit ihren Kunden wird Christine von Wartburg am meisten vermissen. Sie sitzt auf einem Stuhl, lässt ihren Blick durch den Laden schweifen, in dem sie als Kind bereits ihren Eltern beim Verkauf über die Schulter schaute. Hier in dem kleinen Geschäft mit der uralten Waage, den Bonbons in den offenen Gläsern und der Türglocke an der Decke hat die 97-Jährige die vergangenen 81 Jahre gearbeitet.

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Sie hat den Kunden beim Kerzenkauf beraten und Tipps gegeben, welche Dekoration, zu welchem Anlass passt. Jetzt zieht sie einen Schlussstrich. Aus Altersgründen, wie sie sagt.

Wusste, dass der Tag kommen wird

„Die Entscheidung ist mir nicht schwergefallen. Ich wusste, dass der Tag irgendwann kommen wird“, sagt Christine von Wartburg. Während sie erzählt, beobachtet sie ihre beiden Urenkel Marlene und Theresa, die durch den Laden rennen. Daneben steht ihre Enkelin Petra Brückner und nickt ihrer Oma immer wieder aufmunternd zu.

Seit 1548 im Eigentum der Familie

Sie alle wohnen in dem grünen Haus in der Kaiserstraße, das es – so geht es aus der Familiengeschichte hervor – seit 1548 gibt. Seither dient das Erdgeschoss als Ladenfläche. „Mitte des 16. Jahrhunderts hat unsere Familie hier bereits Lebkuchen und Kerzen verkauft“, sagt Petra Brückner.

Mittlerweile gibt es zwar keine Lebkuchen mehr, dafür aber Holzschnitzereien, Kreuze, Süßwaren und eben ein großes Sortiment an Kerzen. „Es gibt wohl kaum eine Kerze, die wir nicht auf Lager haben“, sagt Christine von Wartburg und zeigt auf die Taufkerzen, die direkt neben dem Fenster stehen, und die Stumpenkerzen, die es in jeder erdenklicher Farbe gibt.

Über Taufen und Hochzeiten

Wie viele die 97-Jährige in den vergangenen 81 Jahren verkauft hat, weiß sie heute zwar nicht mehr, dafür erinnert sie sich an etliche Kunden, welche die Kerzen gekauft habe. Sie erzählt von Taufen und Hochzeiten, von den „schönen Anlässen und den gut gelaunten Menschen“, aber auch von den Kirchen und Klöstern, die seit vielen Jahren bei ihr einkaufen.

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Es sind Erinnerungen, die den Abschied nicht leichter machen. Und doch ist es eine Entscheidung, an der kein Weg mehr vorbeiführt. Eben auch, weil es innerhalb der Familie keinen Nachfolger gibt. „Wir haben alle etwas anderes gelernt“, sagt Petra Brückner fast entschuldigend. Doch auch sie wird den Laden vermissen. Denn mit dem Kerzenfachhandel endet auch eine lange Familientradition, die Brückner auf mehreren Seiten fein säuberlich zusammengefasst hat.

Bekannteste Rosenheimer Lebzelter- und Wachszieherdynastie

Dort steht unter anderem, dass Christine von Wartburg der Familie Ruedorffer angehört, der wohl bekanntesten Rosenheimer Lebzelter- und Wachszieherdynastie. Nach dem Tod des langjährigen Landtagsabgeordneten Sebastian Ruedorffer im Jahr 1926 übernahm sein Schwiegersohn Caspar Hart, der Vater von Christine von Wartburg, den Laden.

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Die spätere Erbin war damals gerade einmal zwei Jahre alt. 14 Jahre später stieg sie selbst ins Geschäft ein und hat seitdem von Dienstag bis Samstag Kerzen, Süßwaren und Holzschnitzereien verkauft. Doch im Oktober ist damit Schluss. Nach 81 Jahren.

Nachfolger steht bereits fest

Einen Plan für die Zeit danach hat Christine von Wartburg noch nicht. „Ich werde wahrscheinlich ein bisschen entspannen“, sagt die 97-Jährige. Und vielleicht wird sie hin und wieder auch dem neuen Mieter einen Besuch abstatten.

Denn ein Nachfolger steht bereits fest. Im Januar 2022 ziehen Sascha und Doris Weber in die Räume in der Kaiserstraße ein und wollen dort das Lokal „Die Lebzelterei by Ruedorffer – Genuss- und Aufenthaltsraum“ eröffnen.

„So etwas fehlt noch in Rosenheim“

„Wir planen einen Gastronomiebereich samt hauptsächlich regionalem Einzelhandel in traditionellem Gewand“, sagt Sascha Weber, der unter anderem den Squash- und Fitness Tower im Rosenheimer Aicherpark sowie ein Reisebüro betreibt. „So etwas fehlt noch in Rosenheim“, ist er sich sicher. Seine Frau Doris und Petra Brückner würden sich bereits seit Geburt kennen.

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„Ein anderer Mieter wäre für uns nicht infrage gekommen“, sagt Brückner. Wann genau das Geschäft nach den umfangreichen Renovierungsarbeiten eröffnet, steht noch nicht fest. Groß ist die Freude trotzdem. Nicht nur bei Sascha und Doris Weber, sondern auch bei Christine von Wartburg und ihrer Familie. „Dann kehrt wieder neues Leben ein“, sagt die 97-Jährige.

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In den kommenden zwei Monaten wird die Seniorin aber auch weiterhin in ihrem Geschäft in der Kaiserstraße 1 zu finden zu sein, Kerzen verkaufen und sich gemeinsam mit ihren Kunden an die vergangenen 81 Jahre erinnern.

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