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„Rituale von früher“ nicht mehr im Trend? Wie sich Bestattungen in Rosenheim verändert haben

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Von: Julian Baumeister

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Weil die Bestattungswünsche immer ausgefallener werden, hat Michael Hartl (kleines Bild) in Rosenheim ein Friedhofs-Kompetenz-Zentrum gegründet.
Weil die Bestattungswünsche immer ausgefallener werden, hat Michael Hartl (kleines Bild) in Rosenheim ein Friedhofs-Kompetenz-Zentrum gegründet. © Montage: dpa/picture alliance/Arne Dedert/Baumeister

Immer mehr Menschen wollen auf außergewöhnliche Weise bestattet werden. Für diese Wünsche gibt es in Rosenheim nun ein Friedhofs-Kompetenz-Zentrum. Auch wenn das Angebot an Bestattungsmöglichkeiten dadurch größer wird, gibt es Grenzen - vor allem in Rosenheim.

Rosenheim - Aus einem fahrenden Heißluftballon geworfen zu werden, die Verarbeitung zu einem Diamanten oder auf über 4000 Metern verstreut werden - die Bestattungswünsche der Verstorbenen werden immer ausgefallener und komplizierter. Um diesem Wandel gerecht zu werden, verändern die Bestatter nach und nach ihr Angebot.

Gründung eines Friedhofs-Kompetenz-Zentrum

In Rosenheim gibt es nun ein deutschlandweit einzigartiges Friedhofs-Kompetenz-Zentrum - ein Verbund aus verschiedenen Friedhofsgewerken wie zum Beispiel Bestattern, Steinmetzen oder Gärtnern. Das Zentrum übernimmt für Kommunen und Kirchen sowohl die Planung als auch die Pflege der Friedhöfe und entwickelt alternative Bestattungsformen. Und trotzdem bleiben Probleme.

„Fast niemand möchte mehr erdbestattet werden“, sagt Michael Hartl, Bestatter und Leiter des Friedhofs-Kompetenz-Zentrum. Mittlerweile liege der Anteil von Feuerbestattungen in Rosenheim bei über 75 Prozent. Im vergangenen Jahr habe es auf den städtischen Friedhöfen 436 Beisetzungen gegeben, wie ein Sprecher der Stadt auf Anfrage mitteilt. Davon seien 326 Urnen- und 110 Erdbestattungen gewesen.

Erleichterung der Grabpflege

Für Hartl sind die Gründe für diesen Trend klar: „Der Wunsch der Angehörigen oder der Verstorbenen selbst, geht immer mehr zu pflegefreien Grabstellen.“ Die Wenigsten wollten noch, dass sich nach ihrem Tod jemand um die Gräber kümmern muss. Und bei einer Erdbestattung sei die Pflege des Grabes aufwendiger als beispielsweise bei einem Urnenwandgrab.

Hinzu komme bei vielen der religiöse Faktor. „Bei den Beisetzungen fallen zunehmend die Rituale von früher weg.“ Das liege Hartl zufolge daran, dass mehr Menschen inzwischen aus der Kirche austreten und eine Bestattung nach ihren Vorstellungen anstatt mit christlichen Abläufen wollen. Auch der hygienische Aspekt spiele inzwischen eine größere Rolle. „Der Gedanke, dass der eigene Körper über Jahre in der Erde liegt und langsam zersetzt wird, schreckt ab“, sagt Hartl.

Rosengarten oder Gedenkwaldgarten

So sei es ihm zufolge nicht verwunderlich, dass die beliebteste Bestattungsform im Moment das Urnengrab in der Natur sei. „Unser Dauerrenner ist ein Platz im Rosengarten oder unter einem Baum“, berichtet Hartl. Ebenfalls beliebt sei die Bestattung rund um einem großen Stein, der für eine Bergwelt steht, an einem Teich oder auf einer Blumenwiese. „Allerdings gehen solche Beisetzungen nur, wenn die Flächen dafür auf einem Friedhof sind“, erklärt der Bestatter.

Friedhofszwang in Bayern

Denn: In Bayern gibt es einen Friedhofszwang. Nach Artikel 1 des Bestattungsgesetzes müssen alle Überreste bis auf wenige Ausnahmen auf Friedhöfen beigesetzt werden. Deshalb sei das oft gewünschte Verstreuen der Asche in den Bergen, auf Seen oder aus dem Heißluftballon - wie in Frankreich - hierzulande nicht möglich.

Bestes Beispiel sei die Diamantbestattung, sagt Hartl. Dabei wird aus der Asche des Verstorbenen in einem künstlichen Prozess ein Diamant gepresst. Die Herstellung sei derzeit nur im Ausland möglich. „Sobald der Diamant nach Deutschland kommt, muss er sofort auf einen Friedhof und kann nicht daheim aufbewahrt werden. Das macht dann auch keinen Sinn“, sagt Hartl.

Bestattungsmöglichkeiten in der Region wachsen

Ein weiteres Problem sei, dass es nach wie vor wenig Angebote an alternativen Bestattungsmöglichkeiten in der Region Rosenheim gebe. „Das war auch der Hauptgrund, warum wir das Kompetenz-Zentrum gegründet haben“, so der Leiter. Inzwischen habe Hartl und sein Team mit dem Gedenkwaldgarten bei Bad Feilnbach oder dem Naturfriedhof in Kolbermoor neue Flächen schaffen können. Auch die Gemeinde Neubeuern habe ihn mit der Umgestaltung des Friedhofs beauftragt. Von der Stadt Rosenheim habe er hingegen noch nichts gehört.

„Das ist schon enttäuschend“, sagt Hartl. Er habe bundesweit Aufträge, aber in Rosenheim habe sich niemand nach seinem Team erkundigt. „Die Stadt hat wohl das Gefühl, dass sie das alleine kann.“ Allerdings habe die Stadt auf dem städtischen Friedhof eine sehr traurige Lösung gefunden. Dort gebe es nur eine Wiese mit Schächten und Rohrsystemen für die Urnenbeisetzung. Das bestätigt die Stadt auf Anfrage: „Auf dem Grabfeld 82 können in einzelnen Stahlhülsen bis zu vier Urnen auf einer Rasenfläche bestattet werden.“

Das widerspreche allerdings jeder Pietät und treffe nicht den Zahn der Zeit, findet Hartl. Deswegen hoffe er, dass sich auf dem Rosenheimer Friedhof noch viel verändere. Und das soll der Stadt zufolge auch passieren. „Weitere alternative Bestattungsformen beziehungsweise Naturbestattungsformen sind sowohl in Rosenheim als auch in Aising geplant“, teilt der städtische Sprecher mit. Diese wolle man in nächster Zeit Zug um Zug umsetzen.

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