„Völliges Politikversagen. Punkt.“
Wege aus dem Transit-Wahnsinn durchs Inntal: Expertenrunde mit klarer Meinung
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Tausende Lkw täglich, Staus nicht nur bei der Blockabfertigung: Eine hochkarätige Expertenrunde hat sich über Monate hinweg mit Lösungen zum Transit-Wahnsinn im Inntal befasst. Und äußert nun eine klare Meinung.
Rosenheim - Im Prinzip ist es ganz einfach: Man verlagert Güter von der Straße auf die Schiene, jedes Jahr ein bisschen mehr. Und irgendwann ist die Luft sauberer, und die Menschen im Inntal sind weniger gestresst. Und desgleichen die Autofahrer und Lastwagenfahrer - weil sie nicht mehr dauernd im Stau stehen.
Ganz einfach, wie gesagt. Aber auch nur in der Theorie. In der Praxis fehlt es dazu an den Voraussetzungen. Zum Beispiel an der Bahn. An ihr sogar himmelweit, wenn man Praktikern zuhört. „Qualität und Verbindungen sind im Moment unterirdisch schlecht“, sagt etwa Georg Dettendorfer von der Spedition Johann Dettendorfer aus Nußdorf. „Wenn ich jemandem erkläre, wie schlecht die Verbindungen funktionieren, dann versteht er, warum kein Spediteur auf die Bahn setzt.“
Hausaufgaben für Politik und Bahn
Ein Urteil, mit dem er nicht alleine steht. Und auch beim Projekt „Klimafreundlicher Brennertransit“ äußern sich Experten kritisch. Seit dem Frühjahr kamen immer wieder Vertreter der Wirtschaft und Politik zusammen, und zwar auf Einladung der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) und Gäste des Logistikkompetenzzentrums Prien. Jetzt zogen sie Bilanz. Und gaben auch Politik und Bahn Hausaufgaben auf.
Versorgungslücken, Fachkräftemangel und steigende Transportkosten seien große Herausforderungen für die Industrie- und Handelsunternehmen, sagte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Aber offenbar bereitet den Unternehmern auch noch die schwache Infrastruktur Probleme. Brossardt zitierte aus einer Umfrage, wonach Unternehmen häufig die Schiene mieden - „wegen fehlender Kapazitäten sowie fehlender Flexibilität und teils unpünktlichen Güterzügen“.
Bauminister Bernreiter spricht von Verbesserung der Infrastruktur
Auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) spricht von der Notwendigkeit von Verbesserungen. An der Leistungsfähigkeit des Schienengüterverkehrs arbeite die Staatsregierung. Denn „nur mit einem attraktiven Angebot im kombinierten Verkehr ist eine durchgängige intermodale Vernetzung zu erreichen“.
Seit seinem Amtsantritt war Bernreiter schon wiederholt in der Region Rosenheim unterwegs, sei es in Sachen Blockabfertigung, sei es wegen des Brenner-Nordzulaufs oder eines Terminals für die Rollende Landstraße. Er ist sich sicher: „Der Zugang zur Schiene muss einfacher werden.“ Denn es seien nicht nur Bahn und Netzbetreiber gefordert, sondern auch die Unternehmen. „Der Markt entscheidet, mit welchem Verkehrsträger die Waren transportiert werden.“ Dr. Petra Seebauer vom LKZ Prien drängt auf „ Modernisierung von Schieneninfrastruktur und Terminalstandorten“.
Mancher verzweifelt bereits an der Politik
„Wir brauchen also einen schnelleren Streckenausbau und mehr Terminalkapazitäten“, fordert Bertram Brossardt. Und dabei dürfe man nicht warten, bis der Brenner-Basistunnel fertiggebaut sei.
Ob das klappt? Die Hoffnungen in die Politik sollten nicht zu groß sein. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat sich noch nicht im Inntal blicken lassen. Und das, obwohl die Region schon wegen ihrer Bedeutung für das Jahrhundertprojekt Brennerbasistunnel ein Brennpunkt sein sollte. Einen Vorschlag des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger, den Güterverkehr stärker zu fördern, schmetterte er ab.
Georg Dettendorfer dauert‘s jedenfalls zu lang. „Langfristig muss die Verlagerung auf die Schiene die Lösung sein. Kurzfristig muss sich was tun, dass die Qualität besser wird.“ Das darf man als Hausaufgabe für die Politik sehen. Die Zensuren bislang fallen nach Dettendorfer schlecht aus: „Völliges Politikversagen. Punkt.“
Blockabfertigung: Die restlichen Termine für 2022
Wie kritisch die Lage beim Brenner-Transit ist, kann man an den Tagen mit Blockabfertigung erleben. Die restlichen Termine für 2022 sind laut ADAC: Donnerstag, 17. November; Mittwoch, 23. November; Donnerstag, 24. November; Mittwoch, 30. November; Donnerstag, 1. Dezember; Freitag, 9. Dezember (Tag nach dem österreichischen Feiertag Mariä Empfängnis); Dienstag, 13. Dezember; Mittwoch, 14. Dezember.