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„Auschwitz ist kein Thema für ein Kinderbuch“: Warum Rose Lagercrantz trotzdem vor Schülern liest

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Von: Johannes Thoma

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Die mehrfach ausgezeichnete Kinderbuchautorin Rose Lagercrantz hat in der städtischen Galerie in Rosenheim ihr Buch „Zwei von Jedem“ Schülern vorgelesen. Die zeigten sich tief bewegt von der Liebesgeschichte, die in den dunkelsten Stunden der Menschheit spielt.
Die mehrfach ausgezeichnete Kinderbuchautorin Rose Lagercrantz hat in der städtischen Galerie in Rosenheim ihr Buch „Zwei von Jedem“ Schülern vorgelesen. Die zeigten sich tief bewegt von der Liebesgeschichte, die in den dunkelsten Stunden der Menschheit spielt. © Thomae

Die mehrfach ausgezeichnete Kinderbuchautorin Rose Lagercrantz hat in der städtischen Galerie in Rosenheim ihr Buch „Zwei von Jedem“ Schülern vorgelesen. Die zeigten sich tief bewegt von der Liebesgeschichte, die in den dunkelsten Stunden der Menschheit spielt.

Rosenheim - „Ich glaube, ein bisschen hilft es. Doch, ein bisschen hilft es“ sagt Rose Lagercrantz. Die renommierte und vielfach preisgekrönte schwedische Kinderbuchautorin las in der Städtischen Galerie im Rahmen der Ausstellung „Wegschauen verboten. Das politische Kinderbuch“. Und gefragt wurde sie, ob sie hoffe, dass es Wirkung hat, wenn man als Kinderbuchautorin gegen Antisemitismus und Rassismus anschreibt.

An das Gute glauben und über die dunkelste Zeit der Menschheitsgeschichte schreiben

Dabei wollte sie das Buch „Zwei von Jedem“ aus dem sie Fünftklässlern des Karolinen Gymnasiums vorlas, eigentlich gar nicht schreiben. „Auschwitz ist kein Thema für ein Kinderbuch“ war ihre erste Reaktion gewesen, als der Schwedische Rundfunk bei ihr angefragt hatte. War es doch schon in ihrer eigenen Familie kein Thema gewesen. Ihre Mutter hatte das KZ überlebt, wollte darüber aber nie wirklich sprechen: „Ich bin so glücklich, dass ich noch lebe, solange ich nur nicht über diese Zeit reden muss“ habe sie immer wieder gesagt.

Und man kann auch den Widerstand von Rose Lagercrantz selbst nachempfinden: Die fünfundsiebzigjährige begegnet einem als eine in sich ruhende und dabei fröhliche Frau, die von einem grundlegenden Optimismus geprägt scheint. Wie soll man über diese schwärzeste Zeit der bisherigen Menschheitsgeschichte schreiben, wenn man doch selbst eigentlich eher an das Leben und an das Gute darin glauben will?

Rose Lagercrantz fand eine Lösung. Sie bettete Auschwitz ein in eine Liebesgeschichte, die sich zwischen zwei Kindern, Elias und Luli anbahnt, ohne dass diese selbst so recht davon wissen. Sie wissen nur, dass sie sich gut verstehen und dass ihr Leben im Siebenbürgen der Vorkriegszeit trotz aller Armut ein glückliches ist. „Das Leben als Kind kann so schön sein!“ mit diesem Satz unterbricht Rose Lagercrantz einmal spontan ihre Lesung und man merkt: sie ist davon überzeugt und will diese Überzeugung auch in Büchern mit schwierigen Themen nicht verloren geben.

Rose Lagercrantz ist eine fröhliche Frau, die nicht nur in ihren Kinderbüchern Sprache und Herz der jungen Menschen trifft.
Rose Lagercrantz ist eine fröhliche Frau, die nicht nur in ihren Kinderbüchern Sprache und Herz der jungen Menschen trifft. © Thomae

Keine abstrakten Zahlen, sondern Menschen

Das weitere Leben der beiden ist dann jedoch vom Krieg belastet, Luli kann nach Amerika auswandern, Eli bleibt da und kommt ins KZ. Er hat, wie Rose Lagercrantz den zuhörenden Kindern erklärt, einen Fehler gemacht, den viele damals machten: Er hat sich um die Entwicklung, die sich immer deutlicher abzeichnete, „nichts geschissen“, wie sie sagt, hat weiter sein normales Leben gelebt. Er hat sich, wie viele andere, einfach nicht vorstellen können, dass Menschen anderen Menschen so etwas wie Auschwitz antun werden.

Das Besondere an dieser Geschichte ist, dass sie Auschwitz eben genau nicht zum einzigen Thema macht, sondern zeigt, wie es einbricht in das Leben von ganz normalen Kindern und wie es später das ganze weitere Dasein mitprägt. Diese Erkenntnis „das waren ja Menschen wie Du und ich, mit denselben Gefühlen, Hoffnungen, Ängsten“ macht aus Millionen von Opfern, die in dieser Zahl abstrakt bleiben müssen, wieder Individuen. Und als solche Menschen, die einem im Gedächtnis bleiben.

Politik und Pippi Langstrumpf

Rebecka Lagercrantz war die Illustratorin für das Kinderbuch ihrer Mutter Rose. Hier zeichnet sie einen Eintrag für das Gästebuch der Ausstellung.
Rebecka Lagercrantz war die Illustratorin für das Kinderbuch ihrer Mutter Rose. Hier zeichnet sie einen Eintrag für das Gästebuch der Ausstellung. © Thomae

Bei den zuhörenden Kindern kam die Geschichte an, das war zu spüren und auch zu sehen an jenen, die sich nach der Lesung um Rose Lagercrantz scharten. Wie es im Buch weitergehe, wollten sie wissen, ob sich Eli und Luli wiedergefunden hätten. Das haben sie, sie haben auch geheiratet, wenn sie auch das Erlebte nie mehr ganz losgelassen hat.

Für Monika Hauser-Mayr die Leiterin der städtischen Galerie zeigte dieser Vormittag eines: Es war richtig, bei der schon zur Tradition gewordenen Ausstellung von Kinderbuchillustrationen wieder einmal auf ein politisches Thema zu setzen. Seit zwanzig Jahren zeigt man immer wieder, dass Kinderbücher sehr wohl Themen aus unserer Gesellschaft aufgreifen können, ohne dabei zu „Zeigefinger-Pamphleten“ zu werden.

2007 etwa beschäftigte man sich mit Pippi Langstrumpf, dabei aber auch mit der Rolle der Frau im Kinderbuch, 2011 ausgehend von Max und Moritz mit den Männern. Und die Rosenheimer Ausstellungen zu den Kinderbuchillustrationen sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht nur in der Region zu einer festen Größe geworden, sondern haben sich weit darüber hinaus ein hervorragendes Renommee erarbeitet.

Und immer wieder versucht man, Autoren und Illustratoren gemeinsam ins Haus zu bekommen, ein Wunsch, der im Falle von Rose Lagercrantz einfach zu erfüllen war: Die Bilder zu ihrem Buch tammen von ihrer Tochter Rebecka.

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