Wie geht es nach Pleite weiter? Dem Ende für Karstadt in Rosenheim folgt der Richtungsstreit

Das Aus für Karstadt sorgt für Entsetzen und Empörung in Rosenheim. Wie soll es weitergehen? Darüber sind CSU und SPD uneins. Während die SPD aufs Tempo drückt, rät OB März zur Bedächtigkeit. Gibt es am Ende noch Hoffnung für den Standort?
Rosenheim - „Ein Schlag in die Magengrube“ ist das Aus für Karstadt für die Fraktionsspitze der SPD im Rosenheimer Stadtrat, ein „Schlag ins Gesicht“ für Oberbürgermeister Andreas März (CSU). Auch wenn der Ort des Einschlags umstritten ist - darin sind sich Oberbürgermeister und SPD noch einig: Das Ende des Warenhauses an der Münchener Straße tut weh. Und es ist eine schlimme Nachricht nicht nur für die Mitarbeiter, sondern vor allem für die Stadt Rosenheim.
Darüber, wie es nun weitergehen soll, ist die Einigkeit nicht so groß. Der SPD im Stadtrat pressiert es, sie hat einen Eilantrag gestellt. Vor „Aktionismus“ warnt dagegen Oberbürgermeister Andreas März (CSU). Er will sich zunächst mit den Eigentümern der Immobilie an einen Tisch setzen. Die Einladungen seien bereits rausgegangen, vielleicht schon nächste Woche könnten Gespräche beginnen, sagte März auf OVB-Anfrage.
SPD sieht Rosenheim unter Zugzwang
Von allem Grund zur Eile spricht dagegen SPD-Fraktionschef Abuzar Erdogan. „Der Verlust von Tausenden Quadratmetern Handelsfläche mitten in Rosenheim setzt uns als Entscheidungsgremium und Vertreter der Stadtbevölkerung unter Zugzwang“, so heißt es auch in dem Eilantrag, den er gemeinsam mit seinen Stellvertreterinnen Ricarda Krüger und Gabi Leicht eingereicht hat.
Die Idee der SPD: Eine Sondersitzung des Stadtrates. Um zu diskutieren, wie man die drohende Abwärtsspirale für die Wirtschaft und Rosenheims Innenstadt unterbricht. Und um zu klären, wie man baurechtlich Pflöcke einschlagen kann. „Wenn Karstadt und dann auch noch Peek & Cloppenburg schließen, hat die Stadt ein Riesenproblem“, sagt Erdogan.
Eile tue not, wenn die Stadt die Möglichkeiten des Baurechts nützen wolle. „Wir müssen uns klarmachen, dass wir uns gegen Nutzungen rechtlich absichern, die wir nicht haben wollen.“ Eine Wohnnutzung beispielsweise oder ein Spielcasino könne die Stadt dort nicht brauchen, dort brauche es einen Kundenmagneten.
Winzige Hoffnung auf den Erhalt der Filiale bleibt bestehen
Andreas März dagegen hofft darauf, die Schließung womöglich abwenden zu können. Hintergrund ist offenbar eine Information aus der Konzernzentrale, dass es in Rosenheim keine Einigung mit den Eigentümern gegeben habe. Das könnte Rosenheim eine Chance verschaffen, auch nach bereits verkündeter Schließung zum 31. Januar 2024 - vorausgesetzt, die Eigentümer kommen dem Konzern entgegen.
Gibt es also noch eine Möglichkeit, Karstadt am Standort zu halten? Das gelte es zunächst zu prüfen, betont März. Er sieht gewisse Chancen zu einer Kurskorrektur im Falle Rosenheims, ebenso die Möglichkeit einer Gesundung von Karstadt. Er glaube an die Neuaufstellung und das Konsolidierungskonzept der Warenhaus-Kette.
Wenn es bei der Schließung bleibt: Wie geht es mit Rosenheim weiter?
Kurz nach Eintreffen der Hiobsbotschaft am Montag, 13. März, hatte Andreas März noch so etwas wie einen Notfallplan verkündet. Vorausschauend habe die Stadt mit der CIMA-Handelsberatung vor fünf Jahren bereits Planungsalternativen entwickelt. Aus „logischen Gründen“ habe man die Pläne seinerzeit „in der Schublade vergraben“. Offenbar hatte man bereits damals eine Abwanderung von Karstadt für durchaus möglich gehalten und die Pferde nicht scheu machen wollen.
Das Problem: Durchs Lagern in der Schublade sind die Pläne nicht aktueller geworden, wenngleich zentrale Elemente davon noch immer gültig sind, wie Wirtschaftsdezernent Thomas Bugl dagegenhält. Doch es dürfte dabei bleiben: Im Karree mit dem Gillitzerblock - von dem ein bedeutender Teil von Karstadt eingenommen wird - hat sich seit dem CIMA-Gutachten einiges verändert.
Da erscheint es wie eine glückliche Fügung, dass die Stadt gerade ihr Einzelhandelsentwicklungskonzept fortschreiben lasse, wie Thomas Bugl berichtet. Wieder sei die CIMA beteiligt, sie sei 2022 damit beauftragt worden, nachdem Rosenheim dafür staatliche Förderung zugesagt bekommen habe.
Auch IHK und Handelsverband drücken aufs Tempo
An sich eine gute Sache, findet Andreas Bensegger von der Industrie- und Handelskammer. Die ersten beiden Studien der Münchner Beratungsfirma seien „grundsätzlich gut“ gewesen. „Nur ist davon nicht viel umgesetzt worden.“
Bensegger möchte ein Überleben von Karstadt in Rosenheim nicht ausschließen, drückt aber jenseits dieser Hoffnung ebenso wie die SPD aufs Tempo. „Wir dürfen nicht vergessen, dass Rosenheim eine Einkaufsstadt ist“, sagte Bensegger dem OVB. Der Umbau beginne mit Montag, mit dem Tag, an dem bekannt wurde, dass Karstadt dichtgemacht werden soll. „Wir können nicht weiter abwarten.“
Dringenden Bedarf sieht auch Maria Reiter vom bayerischen Handelsverband in Rosenheim. „Es wird auch in Rosenheim allerhöchste Zeit, in neuen Aspekten zu denken und sich des Themas ,Leerstandsmanagement‘ professionell anzunehmen.“
Kritik an Milliardär Benko nimmt zu
Währenddessen wächst der Unmut auf Galeria Karstadt Kaufhof und dessen Besitzer, den österreichischen Milliardär René Benko. Es dürften keine Steuergelder für den Konzern mehr „verschwendet“ werden, fordert der Rosenheimer AfD-Landtagsabgeordnete Franz Bergmüller.
Gewerkschafter Robert Metzger vom ver.di-Bezirk Rosenheim sprach von „Fehlleistungen“ des Konzerns und kritisierte das Management, seine Arbeit nicht getan zu haben. „Es ist nicht die Frau an der Kasse, die an diesem schlechten Zustand schuld ist“, sagte Metzger dem OVB . „Man weiß, dass es Benko nicht um das operative Geschäft ging, sondern in erster Linie um die Verwertung des Immobilienvermögens.“ Das, so Metzger, sei „verantwortungslos“.