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Wenn die Zeitzeugen gehen – Rosenheimerin Raphaela Höfner kämpft gegen das Vergessen

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Von: Jennifer Beuerlein

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Raphaela Höfner vor dem Jeep einer US-Einheit
Raphaela Höfner auf Recherche-Reise in den Niederlanden. Für ihre Romanreihe und Podcast spricht Höfner mit Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs aus der ganzen Welt. © privat

„Nie wieder!” Dieser Schwur ist in die Mauern der Gedenkstätte des früheren Konzentrationslagers Dachau eingemeißelt. Eine Leitlinie, der auch die Rosenheimerin Raphaela Höfner folgt. Wie die Lehrerin die Erinnerungen an die dunkelste Zeit unserer Geschichte lebendig halten möchte.

Rosenheim – Sie haben enormes Leid und Grausamkeit erfahren - und doch überlebt. Die Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs und Holocausts erfüllen in Deutschland eine bedeutende Rolle. Nun sterben die letzten von ihnen und die Verantwortung über ihr Vermächtnis wandert nach und nach in die Hände der jüngeren Generationen. Und so auch in die Hände der Rosenheimerin Raphaela Höfner.

„Ich sehe das wie das Olympische Feuer. Eine Fackel, die von einem zum nächsten weitergegeben wird, denn sonst würden ihre Geschichten mit ihnen erlöschen“, sagt Höfner. Nachdenklich wippt die 35-jährige Lehrerin mit ihrem Stuhl hin und her: „Es ist wichtig, dass wir uns an diese düstere Zeit erinnern. Erstens, dass sich diese Fehler nicht wiederholen und zweitens, dass man dieser Generation Achtung gegenüber bringt, die das miterlebt haben.”

Mit ihrer Roman-Trilogie möchte sie etwas gegen das Vergessen unternehmen. Vor Kurzem erschien ihr drittes Buch „Von Freiheit und Wundern“. Darin geht es um die Familien Sternlicht und Sedlmayr aus Rosenheim und ihr Schicksal im Dritten Reich. Zu Recherche-Zwecken führte Höfner über Monate Interviews mit zahlreichen Zeitzeugen. Viele wollen ihre Geschichte erzählen, weshalb Höfner ihren Podcast „Wunder.Wissen.Weltkrieg.“ ins Leben rief, um alle Erlebnisse teilen zu können.

„Den Menschen eine Stimme geben“

Ihr Interesse an dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust begann, als sie mit zwölf Jahren die Tagebücher Anne Franks las. „Anne Frank war zu diesem Zeitpunkt, ein, zwei Jahre älter als ich. Es hat mich wahnsinnig fasziniert und betroffen gemacht, wie sie da leben musste“, sagt Höfner. Wie sah der Alltag der Menschen zu dieser Zeit aus? Was erlebten und empfanden sie? Diese Fragen faszinierten Höfner und gaben ihr die Inspirationen, eine Trilogie zu schreiben: „Ich will den alltäglichen Menschen eine Stimme geben, denn von denen wissen, wenn überhaupt nur die Familienangehörigen.“

Von der Neugier gepackt, befragte sie zunächst ihre Großeltern. Nach dem Tod ihres Großvaters entdeckte die Familie seine geheimen Tagebücher. Er war als Frontarzt in Russland stationiert und berichtete von den dortigen Ereignissen. Seine Geschichte ist die Inspiration für die Figur Hermann aus dem dritten Buch. Alle Schauplätze, die Höfner in ihrer Handlung eingebaut hat, basieren auf den Erzählungen der Zeitzeugen: „Ich wollte, dass es glaubhaft ist, was ich schreibe und durch die Erzählungen konnte ich mich als Autorin dort besser hineinversetzen.“

Zeitzeugen geben ihr Kraft und Mut

Für die Handlungen, die im Konzentrationslager spielen, befragte sie Holocaust Überlebende, wie Leon Weintraub. Er überlebte mehrere Konzentrationslager, unter anderem Auschwitz. „Alle Überlebende haben eine Gemeinsamkeit - sie sind so unbeschwert, so hoffnungsvoll und trotzdem tragen sie keinen Hass in sich. Sie glauben immer noch an das Gute im Menschen“, so Höfner. Diese Interviews geben ihr Kraft und Mut, „denn natürlich erzählen sie schlimme Sachen, aber wie man da den Willen hatte durchzuhalten“, fasziniert die Rosenheimerin immer wieder.

Raphaela Höfner mit Leon Weintraub
Raphaela Höfner traf in München Leon Weintraub (geboren 1926 in Polen). Er berichtete ihr wie er mehrere Konzentrationslager überlebte. © privat

Für die Vorlage eines weiteren Buchcharakters, der für kurze Zeit in die USA geht, interviewte Höfner einen amerikanischen Zeitzeugen. Über Social Media kam sie an die Kontaktdaten des amerikanischen Veterinärs David Marshall. Aufgrund der Entfernung und der Pandemie, fanden die ersten Gespräche über Zoom statt. Dann im letzten Jahr, lud Marshall sie nach Holland zu den Friedensfeiern ein. „Sein bester Freund, der im Krieg gefallen ist, ist dort auf dem Soldatenfriedhof begraben. Dass er das mit mir teilte, war ein besonderer Moment für mich“, sagt Höfner.

Soldatenfriedhof in den Niederlande
Für das Interview mit US-Veteranen David Marshall (84th infantry division) fuhr Höfner zur Gedenkfeier in die Niederlande. © Privat

Im Fokus dieser Gespräche stehen die Schicksale der Menschen, die man so nicht in einem Geschichtsbuch findet. „Man muss mit den Menschen sprechen, die alles hautnah miterlebt haben. Jede einzelne Erzählung ist individuell und einzigartig“, erklärt Höfner. Jeden Gesprächspartner fragt sie, welches persönliche Wunder sie in dieser dunklen Zeit erlebt haben. Die Geschichte über den inzwischen 101 Jahre alten Ed Cottrell blieb Höfner dabei besonders in Erinnerung. Er war amerikanischer Bomberpilot und berichtete von seinem persönlichen Wunder, als er von einer deutschen Messerschmitt schwer getroffen wurde. „Zwei weitere deutsche Piloten, die ihn abschießen hätten können, nahmen sein Flugzeug in die Mitte und begleiteten ihn zu seiner Landebahn“, erzählt Höfner. Die Geschichte zeige, dass manchmal „nur ein Quäntchen Glück über das Sterben oder das Überleben“ entscheidet.

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