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Hat es Rosenheim verschlafen rechtzeitig neue Kita-Plätze zu schaffen? Expertin klärt auf

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Von: Anna Heise

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Seit Januar gibt es in der Stadt das Amt für frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung. Leiterin ist Sabine Hilger.
Seit Januar gibt es in der Stadt das Amt für frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung. Leiterin ist Sabine Hilger. © Monika Skolimowska/Stadt Rosenheim/Collage: Anna Heise

Verkürzte Öffnungszeiten, fehlende Kitaplätze und unbesetzte Erzieherstellen: Die Kita-Situation in der Stadt sorgt immer wieder für Gesprächsstoff. Antworten zu den drängendsten Fragen liefert jetzt Sabine Hilger, Leiterin des Amtes für frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung.

Rosenheim - Auf dem Schreibtisch von Sabine Hilger stapeln sich die Ordner, an der Wand hängt eine Übersicht über die Kitas in der Stadt, vor ihr auf dem Tisch liegen zahlreiche Notizen. Zwei Stunden nimmt sich die Leiterin des Amtes für frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung Zeit, um über die aktuelle Kita-Situation in der Stadt zu sprechen. Sie erklärt, warum nicht aus jedem Leerstand eine Kita gemacht werden kann, wie man es schaffen will, neues Personal zu finden und wie die Integration der ukrainischen Kinder läuft.

Seit Anfang des Jahres gibt es in Rosenheim das Amt für frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung. Warum war dieser Schritt notwendig?

Sabine Hilger: Die Umorganisation des Amtes für Kinderbetreuung wurde aufgrund wachsender Kita-Bedarfe, einer steigenden Anzahl an Kita-Plätzen, sowie steigender komplexer Aufgabenbereiche im rechtlichen und organisatorischen Bereich für die Kita-Verwaltung nötig. Zudem haben wir im vergangenen Jahr die Trägerschaft für die Kinderkrippe Innzwerge und den Waldkindergarten übernommen. Dadurch liegt die Personalverantwortung mittlerweile bei 120 Kollegen. Trotz der Neustrukturierung werden wir weiterhin sehr eng mit dem Amt für Schulen und Sport zusammenarbeiten. Gemeinsam wollen wir die nachschulische Betreuung an den Grundschulstandorten bedarfsorientiert weiter vorantreiben.

Wie viele Kita-Plätze gibt es in der Stadt?

Hilger: Wir haben 1931 Kindergartenplätze, 565 Krippenplätze und 101 Plätze in der Kindertagespflege. 43 weitere Plätze werden im Jahr 2023 in der Tagespflege geschaffen. Abgesehen davon laufen eine Vielzahl von Bauprojekten, um zusätzliche Plätze zu schaffen. Beispielsweise im Kinderhaus Keferwald, im Kindergarten Traumwerk am Fischweg oder an der Prinzregentenschule. Die Schaffung von Plätzen ist nicht immer einfach, da die baulichen und rechtlichen Rahmenbedingungen erfüllt werden müssen.

Also kann man den Leerstand in der Stadt nicht einfach nutzen, um eine Kita zu eröffnen?

Hilger: So einfach ist es leider nicht. Erst kürzlich wollten wir ein Kita-Projekt im Aicherpark verwirklichen, allerdings mussten wir feststellen, dass sich im Industriegebiet trotz bestem Bemühen keine Kita realisieren lässt.

In der Vergangenheit wurde immer wieder kritisiert, dass die Stadt es verschlafen hat, rechtzeitig genügend Plätze zu schaffen.

Hilger: Bis 2017 wurden die Zahlen des bayerischen statistischen Landesamtes für die Prognose des Bevölkerungswachstumes herangezogen. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass die Erhebungen und Prognosen nicht der Lebenswirklichkeit der Kita-Bedarfe in Rosenheim entsprachen. Die tatsächlichen Kita-Bedarfe haben diese Prognosen Jahr um Jahr weit übertroffen und wir wurden in den letzten Jahren von den Eltern regelrecht überrannt.

Was hat man also gemacht?

Hilger: Die Stadt hat daraufhin reagiert und ein externes Institut (SAGS) mit der Datenprognose beauftragt – mit einem anderen Ergebnis. Diese Prognose wird vom Jugendhilfeplaner in enger Zusammenarbeit mit unserem Amt und der Statistikstelle im Stadtplanungsamt jedes Jahr fortgeschrieben. Auch unter Einbeziehung von Plätzen für Kinder mit Förderbedarfen. Zur Schaffung der notwendigen Kita- Plätze wurde eine innerstädtische Arbeitsgruppe gebildet, die gemeinsam die Kita-Bauprojekte zur Deckung des Bedarfes zunächst bis 2030 und dann fortlaufend entwickelt. Wir planen weiterhin Kita-Neubauprojekte, da wir langfristig berücksichtigen müssen, dass Bestandsgebäude in die Jahre kommen. Der politisch geplante Rechtsanspruch auf eine Betreuung in der Grundschule im Anschluss an den Schulschluss ab 2026 macht weitere Planungen erforderlich.

Und auch bei der Nachverdichtung wird immer darauf geachtet, zusätzliche Plätze zu schaffen.

Hilger: Ja. Das sieht man an den Planungen für Nachverdichtungsprojekte wie zum Beispiel die Posthöfe, das Bahnareal Süd, in Oberwöhr und an der Wittelsbacher Straße. Hier sollen neben Kitas auch Großtagespflegen entstehen. Für letztere braucht es lediglich eine Wohnung. Die Stadt ist in der Ersatzbetreuung gefragt, zum Beispiel wenn die Tagesmutter krank ist. Wir sind gerade in Planung einer Anmietung eines adäquaten Stützpunktes für die Ersatzbetreuung. Neben der familienähnlichen Betreuungsform der Tagespflege braucht es darüber hinaus auf jeden Fall zusätzliche Krippenplätze.

Für die zusätzlichen Plätze braucht es auch Personal. Erst vor einigen Wochen musste eine Gruppe in der Krippe „Arche Noah“ schließen, weil genau das gefehlt hat.

Hilger: Alle elf Kinder konnten untergebracht werden. Fest steht aber auch, dass die Behebung des Fachkräftemangels im Kita-Bereich neben der Schaffung von Kita-Plätzen eine Zukunftsaufgabe für die Politik und die Kommunen ist. Ein Mangel an Fachkräften herrscht jedoch nicht nur in Rosenheim, sondern auch in vielen anderen Städten in Bayern. In der Stadt fehlen uns im Kita-Bereich momentan Fachkräfte für 9,5 freie Stellen. Das hat zur Folge, dass wir zwar freie Plätze haben, diese aber aufgrund des fehlenden Personals nicht belegen können.

Wie schafft man es also, neues Personal zu gewinnen?

Hilger: Es gibt gerade Überlegungen, Ausbildungsplätze in einer neuen Kinderpflegeschule zu schaffen, die an die Berufsschule angegliedert wird. Zudem wird es einen Imagefilm mit allen Freien Trägern und dem Landkreis geben, um Auszubildende zu gewinnen. Der soll beispielsweise in Kinos gespielt werden, aber auch im Unterricht von achten und neunten Klassen. Wir arbeiten eng mit Freien Trägern wie zum Beispiel Junge Arbeit, Pro Arbeit und der TH Rosenheim am Campus Mühldorf zusammen, um weitere Möglichkeiten der beruflichen Fort- und Weiterbildung zu schaffen. Über unsere politischen Mandatsträger muss es uns zudem gelingen, Themen anzugehen, bei denen die Kommune keinen Einfluss nehmen kann. Beispielsweise die Ausgestaltung des neuen Kita-Qualitätsgesetzes, Ausbildungsvergütungen, die Reduzierung des Verwaltungsaufwands oder aber die bessere Bezahlung.

Das hört sich alles nach sehr langfristigen Zielen an. Fachkräfte werden aber jetzt gebraucht. Gibt es auch kurzfristige Ziele?

Hilger: Im Moment versuchen wir Assistenzkräfte und Personal für die Tagespflege zu gewinnen. Die Kosten für die notwendigen Unterrichtsstunden würden wir übernehmen. Auch ist es unser Ziel, geeignete pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund anzuwerben. Beispielsweise Mütter aus der Ukraine. Voraussetzung sind jedoch Deutschkenntnisse. Das ist uns sehr wichtig. Ein zweites Standbein könnten auch ehemalige Kita-Mitarbeiter im Rentenalter sein. Wir müssen versuchen Menschen, die aus dem Bereich kommen, so lange wie möglich zu halten. Es braucht außerdem Bürokräfte, die unsere Kita-Leitungen entlasten können und sich um die rechtlichen Vorgaben kümmern. Für die Mitarbeiter selbst suchen wir über die GRWS nach Wohnungen. Es gibt ein Jobticket und ein betriebliches Gesundheitsmanagement.

Wie hoch sind die Kosten für einen Kitaplatz?

Hilger: Der Freistaat Bayern fördert jeden Kita-Platz im Krippen- und Kindergartenbereich mit monatlich 100 Euro. Für eine Krippe liegen die monatlichen Gebühren für eine fünf- bis sechsstündige Betreuung bei der Stadt Rosenheim bei 381 Euro, in der Kita für den gleichen Betreuungszeitrum bei 154 Euro und im Waldkindergarten bei 167 Euro. Das Mittagessen beläuft sich monatlich auf 86 Euro. Im Kindergarten Löwenzahn wird zusätzlich ein gesundes Frühstück als Buffet geboten für monatlich 33 Euro. Hier gibt es einen großen Zuspruch von den Eltern.

Werden durch diese Beiträge die Kosten, die für den Träger anfallen, gedeckt?

Hilger: Die Kosten für den Träger einer Kita werden nur zu 10 bis 15 Prozent von den Elternbeiträgen gedeckt. Der Freistaat Bayern und die Stadt Rosenheim sind gemeinsam für die Finanzierung der Kitas in der Stadt zuständig. Die Stadt Rosenheim finanziert darüber hinaus noch über die Freiwilligen Zuschüsse zusätzliche Betriebskosten und Investitionskosten.

Wie läuft die Integration von Kindern aus der Ukraine?

Hilger: Unser Anspruch ist allen Kindern aus der Stadt Rosenheim einen Platz zur Verfügung stellen zu können. Den 60 ukrainischen Kinder genau wie allen anderen Kindern. In diesem Zusammenhang beginnen wir aktuell zur diesjährigen Anmeldewoche vom 6. März bis zum 10. März mit der Anmeldung auf einen Kita-Platz mit unserem neuen Kita-Onlineanmeldeverfahren (AKDB). Die Eltern müssen sich vorab über ihre Wunsch-Kitas informieren. Das geht beispielsweise im Internet, anhand von Filmen oder beim Tag der offenen Tür. Ab dem 6. März wird das Kita- Onlineanmeldeverfahren über einen Link oder einen QR- Code „scharf geschaltet“. Eltern können sich dann 24/7 an 365 Tagen für einen Kita- Platz anmelden. Anschließend erfolgt die Zuteilung des Kita-Platzes über die Kita-Träger gemeinsam mit den Kita-Leitungen. Das Verfahren ist datensicher, fair und bietet die größtmögliche Transparenz für uns als Kommune.

Ab wann sollte man sich um eine Anmeldung kümmern? Gleich nach der Geburt?

Hilger: Nein, auf keinen Fall. Eine Anmeldung reicht für die Kinder, die im März in die Kita wollen. Auch spielt es keine Rolle, wann Eltern ihre Anmeldung ausfüllen. Es gilt nicht, wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Alle Eltern wollen für ihr Kind das Beste - das ist auch unser Anspruch. Unser Ziel ist es deshalb, dass jedes Kind einen Platz bekommt.

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