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Der Piratenkapitän: Wie aus einem Software-Unternehmer einer der Wirte im Le Pirate wurde

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Von: Kilian Schroeder

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Ehemaliger Softwareunternehmer ist nun einer der Wirte von Rosenheims bekanntester Jazzbar
Matthias Thurner als Pirat. Der ehemalige Softwareunternehmer ist nun einer der Wirte von Rosenheims bekanntester Jazzbar. © Le Pirate

Das Le Pirate ist Rosenheims bekannteste Jazzbar. Matthias Thurner ist einer der Wirte und arbeitet eigentlich als Softwareunternehmer. Warum er trotzdem als Barkeeper eingestiegen ist, als die Bar eigentlich finanziell am Boden war.

Rosenheim – Der Mann hinter der Bar probiert herum: Whiskey, Zitronensaft, Zucker. Das Ganze in einen Shaker, schütteln und ausgießen. Er nippt am fertigen Whiskey Sour, um anschließend mit seiner Kollegin über den Geschmack zu diskutieren: Stimmt die Mischung oder braucht es etwas mehr Zitrone? Noch steht der Cocktail nicht auf der Karte, aber wenn er schmeckt, dürfte es nicht mehr lange dauern. Es ist ein Freitagabend, das Licht im Le Pirate ist gedimmt, draußen schneit es. Die Atmosphäre ist gemütlich – so wie es sich der Mann hinter der Bar vorstellt.

Sein Name ist Matthias Thurner und das Le Pirate ist sein Projekt. Wobei er es als seine Leidenschaft bezeichnet. Der 52-Jährige arbeitet als Softwareentwickler, ist aber vor rund zwei Jahren, als die Bar finanziell am Boden war, als Barkeeper eingestiegen und hat sie gemeinsam mit Thomas Jonas, dem zweiten Wirt und einem kleinen Team rundum erneuert. Tagsüber nutzt er die Räume als Büro für sein privates Unternehmen, „quango Ventures“, bei dem er in Start-Ups investiert und diese berät.

Coach für junge Start-Ups

So zum Beispiel zwei Wochen vor Thurners Cocktail-Experimenten. Es ist Montagvormittag und eine Videokonferenz mit dem Unternehmen „Robyyn Good“ steht an. „Ein richtig gutes Konzept“, sagt Thurner, der das Start-Up sogar vorübergehend leitet. Er sitzt an einem größeren Tisch, vor ihm ein Laptop aufgeklappt, und bindet sich die leicht grauen Haare zum Dutt zusammen.

Zu viert sitzen sie im Meeting, es geht darum, wie sie Firmen dazu bringen können, sich Accounts bei ihnen zu kaufen. Alle sind optimistisch: „Super“, „Läuft perfekt“, kommentieren sie immer wieder die Tagesordnungspunkte. „Wenn wir in den nächsten Monaten 20 bis 30 Abos an Firmen verkaufen, dann haben wir gezeigt, dass das Geschäftsmodell funktioniert“, sagt Thurner.

 „Robyyn Good“ will eine Art LinkedIn sein, bei dem Arbeitnehmer anonyme Profile anlegen können. Die Idee dahinter ist, dass viele Arbeitnehmer zwar mit ihrem Job unzufrieden sind, aber nicht aktiv nach neuen Unternehmen suchen – sie würden wechseln, wenn sie ein gutes Angebot bekämen. Auf Robyyn Good könnten sich Firmen auf die Suche nach diesen Arbeitnehmern machen.

„Bars mochte ich immer“

Im Bereich Unternehmensführung hat der geborene Ottakringer deutlich mehr Erfahrung als als Barkeeper. Nach dem Abitur in Miesbach ging es nach Innsbruck, wo er Betriebswirtschaftslehre studierte. In den Ferien arbeitete Thurner bei einer Unternehmensberatung, spielte Gitarre in einer Band und engagierte sich bei einer linken Studierendenzeitung. „Barerfahrung hatte ich eher als Gast“, sagt Thurner, „aber Bars mochte ich immer.“

Mit einem Freund gründete Thurner dann das Start-Up „Prevero“. Statt – wie es in der Unternehmensberatung der Fall war – immer neue Softwares zu entwickeln, wollten die beiden Jungunternehmer eine Standardsoftware bauen, die sich dann übertragen lässt.

Und das funktionierte: Das Unternehmen stieg von der Bamberger Studentenbude zur Firma mit über 100 Beschäftigten auf, Thurner und sein Freund blieben Geschäftsführer. Um „Prevero“ irgendwann auf ein internationales Level zu heben, verkauften Thurner und sein Partner schließlich an „Unit4“, ein international tätiges Softwareunternehmen, blieben aber in der Geschäftsführung mit an Bord.

Kunst und Kultur haben Thurner auch in der Chefetage internationaler Unternehmen nie losgelassen. Im Jahr 2016 organisierte er eine Kunstperformance zum Thema „Rituale“ und spielt in der Indie-Folk-Band „quango“, die vor sechs Jahren sogar einmal ein Album aufgenommen hat. Er mag als Unternehmer und Manager erfolgreich gewesen sein, aber die Leidenschaft sei immer im Vordergrund gestanden, sagt Thurner über sich selbst.

Matthias Thurner, Philip Wolfarth und Thomas Jonas
Matthias Thurner, Philip Wolfarth und Thomas Jonas. © Matthias Thurner

Mit der Arbeit in einem großen Unternehmen kommen längere Entscheidungswege und größere Entfernungen einher. Der Münchner Flughafen wurde für den dreifachen Vater zum „verlängerten Wohnzimmer“ – ein Begriff, den er jetzt oft für das „Le Pirate“ verwendet. „Ich wollte wieder derjenige sein, der die Dinge selbst entscheiden kann, wollte schneller und agiler sein.“ Also gründete Thurner „quango Ventures“. 

Büro und Jazzbar in einem

Nur die Büroräume fehlten noch. Genau in dieser Zeit erzählte ein Bekannter ihm, dass die ehemalige Betreiberin des „Le Pirate“, die altehrwürdige Rosenheimer Jazzbar, den Laden aufgibt. „Ich war schon ein paar Mal im Pirate und dachte, das ist eine coole Location.“ Wolfgang Lentner hatte die Bar zwar schon übernommen, aber die beiden Männer fanden sich sympathisch – also gründete Lentner mit Thurner und einigen weiteren Mitstreitern den „Kulturförderverein Le Pirate Rosenheim e.V.“.

Doch Corona vermieste die Aufbruchstimmung. Barbetrieb fand keiner statt, Wirt Thomas Jonas musste zwischenzeitlich als Maurer arbeiten, um über die Runden zu kommen. Also bot Thurner an, mit einzusteigen – tagsüber wolle er die Räume als Büro nutzen, abends ein bisschen an der Bar mitmischen. „Wenn ich kein Büro gesucht hätte, wäre ich vielleicht gar nicht auf die Idee gekommen“, sagt Thurner.

Er zahlt nun einen erheblichen Teil der Miete und Betriebskosten und steht öfters an den Wochenenden hinter dem Tresen. Gemeinsam haben die drei – Thurner, Lentner und Jonas – auch die Bar umgestaltet: Sie ist deutlich aufgeräumter als früher, etwas dunkler und ein bisschen hipper. Und auch die Bardienste können er und Jonas sich inzwischen mit einer kleinen Schar Minijobber teilen.

Verschiedene Bands treten im Le Pirate auf

Dass er nicht nur viel Geld, sondern auch viel Leidenschaft in das Le Pirate gesteckt hat, das hört man Thurner an. Immer wieder spricht er von der Philosophie dahinter und klingt dabei fast ein wenig wie der Start-Up-Manager: Menschen sollten zusammenkommen, gute Gespräche und eine angenehme Zeit haben.

Und auch das Wichtigste im Le Pirate dürfe nicht fehlen: Die Musik. Regelmäßig treten wieder Jazz-, Indie- oder Funkbands auf, aber auch DJs bespielen inzwischen die altehrwürdigen Räume über dem Ludwigsplatz. Thurner bezeichnet es als gute Symbiose: Der Verein bucht die Musiker, Thomas Jonas hat die Gastroerfahrung und er bringt frischen Wind. Manchmal legt Thurner sogar selbst auf.

Ein sozialer Ort

Und so steht er an diesem Freitag hinter der Bar. Wenn neue Gäste kommen, um bei ihm zu bestellen, lehnt er sich zu ihnen rüber, legt ihnen die Hand auf die Schulter. Und natürlich duzen sich alle. „Es ist toll, es ist ein sozialer Ort“, sagt Thurner. „Und das Spannende: Du kannst neue Leute kennenlernen.“ Eine kleine Stammkundschaft hat sich schon gebildet. Und auch Freunde von Thurners Vergangenheit bei Unit4 kommen vorbei, um sich als Barkeeper auszuprobieren.

Matthias Thurner ist ein Mann, der es mag, sich in Projekte reinzuknien. So hat er es in seinem Start-Up gemacht, so hat er es mit dem Le Pirate gemacht. Und so hat er es auch mit dem Whiskey Sour gemacht, den er an diesem Abend ausprobiert hat. Der war übrigens sehr gut.

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