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Stadtradeln: So wollen zwei Fahrrad-Fans auch bei Bike-Muffeln das Feuer entfachen

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Von: Johannes Thomae

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Sind zum Interviewtermin natürlich mit dem Fahrrad gekommen: Veronika Winkler, Mobilitätsmanagerin der Stadt Kolbermoor, und Frank Wiens, Fahrradbeauftragter der Gemeinde Stephanskirchen.
Sind zum Interviewtermin natürlich mit dem Fahrrad gekommen: Veronika Winkler, Mobilitätsmanagerin der Stadt Kolbermoor, und Frank Wiens, Fahrradbeauftragter der Gemeinde Stephanskirchen. © THOMAE

14 Kommunen aus der Region beteiligen sich heuer am Stadtradeln. Doch wie können Teilnehmer auch nachhaltig gefallen am Rad finden? Und was braucht es , um das Rad als ernstzunehmendes Verkehrsmittel zu etablieren? Antworten darauf geben zwei Experten aus Kolbermoor und Stephanskirchen im Interview.

Rosenheim„Stadtradeln“ ist eine bundesweite Aktion, die es seit 2002 gibt und an der in diesem Jahr von Mai bis Oktober insgesamt 2413 Gemeinden und Städte teilnehmen. Ziel ist es, über einen Zeitraum von jeweils drei Wochen hinweg für möglichst viele Alltags- und Freizeitfahrten das Fahrrad anstelle des Autos zu benutzen. Im Landkreis nehmen 14 Kommunen teil, Kolbermoor und Stephanskirchen sind zwei davon, die bereits seit einigen Jahren Stadtradeln-Erfahrungen haben. Veronika Winkler, Mobilitätsmanagerin der Stadt Kolbermoor, und Frank Wiens, ehrenamtlicher Fahrradbeauftragter der Gemeinde Stephanskirchen, sprechen im Interview über den nachhaltigen Nutzen der Aktion, das Rad als ernstzunehmendes Verkehrsmittel und den zwickenden Rücken.

Frau Winkler, Herr Wiens, worum geht es eigentlich genau beim Stadtradeln?

Veronika Winkler:Ziel ist es, dass möglichst viele Menschen über drei Wochen hinweg einmal ihr Fahrrad als Nahverkehrsmittel ausprobieren. Über kürzere Entfernungen, etwa die Fahrt zum Arbeitsplatz ist man mit dem Fahrrad nämlich oft nicht langsamer als mit dem Auto, innerhalb verstädterter Räume bisweilen sogar eindeutig schneller.

Frank Wiens:…und spart dabei noch jede Menge CO2, es sind nämlich gerade die Kurzstrecken bis fünf Kilometer, bei denen der größten CO2-Ausstoß verursacht wird. Gut siebzig Prozent aller Autofahrten aber liegen in diesem Bereich, sind Strecken unter zehn Kilometern. Das CO2-Einsparpotential hier ist also enorm.

Es geht beim Stadtradeln aber doch nicht nur um solche Pendlerfahrten?

Wiens:Beileibe nicht. Jeder Fahrradkilometer zählt, egal ob zur Arbeit, oder auf dem Sonntagsausflug.

Winkler:Deshalb kann sich jeder Einwohner einer Stadtradeln-Gemeinde auch dann anmelden, wenn er in dem jeweiligen Zeitraum gerade im Urlaub ist. Auch die zum Beispiel an der Ostsee gefahrenen Kilometer zählen dann.

Wiens:Ziel ist es eben, das Fahrrad als ernstzunehmendes Verkehrsmittel einmal in den Blickpunkt zu rücken. Rein theoretisch sind die Vorteile des Fahrrads ja fast allen klar, wenn es aber um die praktische Benutzung geht, steht der innere Schweinehund mit jeder Menge an Gegenargumenten parat: Das Wetter passt nicht, der Rücken zwickt, die Reifen müssten vorher aufgepumpt werden. Innerhalb einer Aktion wie dem Stadtradeln, bei der viele fahren, fällt es leichter, diese Anfangswiderstände zu überwinden.

Bleiben dann aber auch tatsächlich Menschen dem Fahrrad treu?

Winkler:Das ist tatsächlich so. Der Zeitraum von drei Wochen ist ja auch deshalb so gewählt, weil das eine Spanne ist, in der sich Routinen ausbilden können. Der Mensch ist schließlich ein Gewohnheitstier, man muss Neues über einen gewissen Zeitraum regelmäßig machen, damit es sich verfestigt. Und man darf hier auch die Bedeutung der Kinder nicht vergessen: Wenn die über einen Zeitraum von drei Wochen mit dem Fahrrad in Kita oder Schule fahren durften, anstatt mit dem Elterntaxi, dann wollen sie diesen Zugewinn an Selbstständigkeit nicht mehr vermissen: Selber fahren, sei es auch in Begleitung der Eltern, ist ein Stück Selbstbestimmung. Und über die Kinder kommen dann oft auch die Eltern zum Rad als Verkehrsmittel.

Wiens:Zahlen für die hinzugewonnen „Dauerradler“ zu nennen ist natürlich schwierig, aber ich hätte eine ganze Menge Leute mitbringen können, von denen ich weiß, dass sie durchs Stadtradeln auf den Geschmack gekommen sind: „Das tut mir gut“, „Das macht ja richtig Spaß“,“ Mit dem Fahrrad bin ich doch tatsächlich schneller“ – das sind die Erfahrungen, von denen man dann immer wieder hört.

Winkler:Auch die Tatsache, dass es von Jahr zu Jahr mehr Gemeinden und in den Gemeinden immer mehr Teilnehmer werden, spricht ja für sich. Im Landkreis sind in diesem Jahr zum Beispiel Neubeuern, Prutting, Rohrdorf und Schechen hinzugekommen. Von daher ist es vielleicht keine Utopie, dass sich irgendwann der gesamte Landkreis zum Stadtradeln anmelden kann.

Haben denn die Gemeinden, die sich fürs Stadtradeln anmelden, auch als Kommune etwas davon?

Wiens:Auf jeden Fall. Vor der Corona-Pandemie haben wir während des Stadtradelns einmal an der Ampel am Fuß des Schloßbergs bei Stephanskirchen die Radler gezählt. Im Zeitraum von 6 bis 8.30 Uhr morgens waren es 350. Wären die alle im Auto gesessen, hätten wir einen Stau durch die ganze Gemeinde gehabt bis hoch zur Kraglinger Kreuzung.

Winkler:Wichtig sind für uns auch die Rückmeldungen, die wir gerade in diesem Zeitraum von den Radlern kriegen. Da geht es nicht nur um die bekannten Problemstellen, die man sowieso auf dem Schirm hat, sondern auch um kleinere Schwachpunkte, von denen man in der Verwaltung nur schwer etwas mitbekommt: Kleine Schäden auf den Radwegen etwa, Hecken, die die Sicht an Kreuzungen verdecken. Wir bekommen seit letztem Jahr sogar Auswertungen darüber, welche Strecken viel benutzt werden, welche wenig. Das passiert über anonymisierte Daten all derjenigen, die ihre Strecken über eine App auf dem Handy protokollieren.

Wiens:Und dabei gibt es durchaus Überraschungen, es sind da Strecken dabei, deren Benutzungshäufigkeit man so nicht vermutet hätte.

Das Stadtradeln also ein Gewinn für alle?

Wiens:Ohne Frage und eben durchaus auch für die Gemeinden. Deshalb bietet ja fast jede Kommune in ihrem Zeitraum noch besondere Radl-Leckerbissen an. Riedering etwa einen Tag, an dem man E-Bikes testen kann, Prien ein Radrennen, und fast jede Gemeinde gemeinsame Radl-Ausflüge. In Bruckmühl und Schechen führen die Bürgermeister selbst Radtouren, auch eine Fahrradsegnung in Bad Aibling ist mit im Programm.

Winkler:Kurz und knapp gesagt, wer beim Stadtradeln nicht mitmacht, versäumt was.

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