Es sind rund 20 Frauen, die sich mit Grablichtern in der Hand unter die Teilnehmer der Kundgebung gemischt haben. Vielleicht ein Kontrast zur Aktion ihres Arbeitgebers, wo ihre Kollegen inzwischen die Lichter auf den Intensivstationen zum Schichtwechsel auf Rot schalten. Für die Frauen aber auf jeden Fall ein Signal dafür, wie ein Beruf, für welchen die Nation im vergangenen Jahr noch öffentlichkeitswirksam geklatscht hat, mit der Impfung mehr oder minder zu Grabe getragen wird. Zumindest für jene, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen.
Etwas abseits von der Demonstration sind sie bereit, mit der Presse über ihre Motive zu reden: Warum sie sich nicht impfen lassen wollen, warum sie sich dem Protest gegen die Corona-Politik der Regierungen in Bayern und im Bund anschließen.
Ihren Namen will keine der Frauen in der Zeitung lesen. Zu groß ist die Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Dabei versichert das RoMed-Klinikum auf Anfrage: „Für den Fall, dass Mitarbeiter teilnehmen würden, ist das eine Teilnahme außerhalb der Arbeitszeit und damit Privatangelegenheit. In die Freizeit der Mitarbeiter kann und wird RoMed nicht eingreifen. Deshalb gibt es auch keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen.“
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Um es vorwegzunehmen: Keine von ihnen leugnet, dass es Corona gibt. Aber es sind viele Ungereimtheiten, die sich bei den Pflegerinnen angestaut haben, auf die sie für sich bislang keine befriedigende Antwort erhalten haben wollen. Darauf, was in den Ampullen der Impfstoffhersteller eigentlich drin steckt.
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Angeblich handele es sich um Betriebsgeheimnisse, nicht einmal die impfenden Ärzte wüssten, was sie ihren Patienten eigentlich genau verabreichen. Das kann der Ärztliche Direktor und Pandemiebeauftragte der RoMed-Kliniken, Dr. Hanns Lohner, auf OVB-Anfrage nicht nachvollziehen: „Die Inhaltsstoffe der einzelnen Vakzine sind natürlich bekannt und der medizinischen Fachinformation zu entnehmen.“
Impfstoff als Covid-Verstärker?
Andere Fragen drehen sich darum, warum so viele Patienten auf den Covid-Stationen liegen, obgleich es inzwischen einen Impfstoff gibt. Nach der Logik der Frauen müsste es doch eigentlich andersherum sein. Es sind viele Fragen, die sich auftun und: „Ich möchte meine Fragen auch beantwortet haben“, sagt eine der Pflegerinnen. Dabei kommt ein leiser Verdacht auf: Verstärken die Impfstoffe das Covid-Problem vielleicht mehr, als dass sie die Krankheit bekämpfen?
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„Eine Impfung schützt nachweislich vor einem schweren Verlauf der Covid-Infektion. Dies können wir auch in den RoMed Kliniken bestätigen“, entgegnet der Mediziner Lohner dieser Behauptung auf OVB-Anfrage. Die schweren Fälle auf den Intensivstationen während der vierten Welle seien zu drei Vierteln ungeimpfte Patienten. Aber: „Da bekanntermaßen der Impfschutz nach fünf bis sechs Monaten abnimmt und noch nicht alle Menschen eine Auffrischungsimpfung erhalten haben, nimmt die Anzahl geimpfter Patienten auf unseren Normalstationen derzeit zu.“
Bei anderen Pflegerinnen herrscht Unverständnis darüber, dass Genesene nicht länger Geimpften gleichgestellt sind. Eines haben alle gemeinsam: Sie wollen selbst bestimmen, was in ihren Körper kommt und was nicht. Entsprechend echauffieren sich die Frauen über zweierlei: die geplante Impfpflicht – zunächst für Pflegekräfte und später wohl auch für alle – und die Ausgrenzung an ihrem Arbeitsplatz, von der sie berichten.
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Nichts Direktes, aber schiefe Blicke und kleine Randbemerkungen soll es von Kollegen und Vorgesetzten im RoMed-Klinikum gegeben haben. Seine gegenteilige Meinung zum Thema Impfen zu äußern, sei ohnehin nicht mehr möglich. Auch deswegen ließen sich viele Kollegen impfen. Eine Stellungnahme hierzu war vom Betriebsrat des RoMed-Klinikums nicht zu erhalten mit Verweis auf die Vertraulichkeit der Gespräche zwischen dem Gremium und einzelnen Mitarbeitern. Nur so viel: Die Mitarbeitervertreter befürworten die Impfung.
Nach Angaben des RoMed-Geschäftsführers Dr. Jens Deerberg-Wittram gegenüber unserer Zeitung sind rund 70 Prozent der Mitarbeiter des Klinikverbunds geimpft. Genaue Zahlen kann die Klinik aber derzeit nicht seriös benennen, wie sie auf Anfrage schildert. Denn nicht jeder Mitarbeiter habe seine Dosis im Haus erhalten, hier sei die Klinik noch am Nacherfassen der Daten.
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Auf der anderen Seite schildern die Pflegekräfte ein Problem, das sie schon weit länger beschäftigt, als die Frage, ob sie sich gegen Corona impfen lassen sollen oder nicht: die Personalsituation in der Pflege. Es geht um den Pflegeschlüssel, also darum, wie viele Patienten eine Pflegekraft zu betreuen hat.
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„Ganz oben sitzen schon lange keine Leute mehr, die sich mit dem Gesundheitswesen auskennen, sondern nur noch BWLer“, klagt eine Pflegekraft darüber, dass seit geraumer Zeit die Zahlen im Vordergrund stünden, nicht aber die Patienten. Entsprechend werde am Personal gespart. Das habe auch Auswirkungen auf den Nachwuchs: „Wir können die jungen Leute gar nicht mehr gescheit anleiten.“ Selbst Pflegeschüler würden als Kräfte voll mit eingeplant, als hätten sie ihr Examen schon in der Tasche.
Am Ende wollten sie nur in Ruhe ihre Arbeit machen, sagen die Frauen. Auch ungeimpft und ohne Repressionen oder gar ein faktisches Berufsverbot fürchten zu müssen. Leben und leben lassen, wie sie sagen. Denn: „Wir haben anderthalb Jahre niemanden angesteckt, wir wurden eher angesteckt“, sagt eine Frau aus der Gruppe.
Inzwischen hat sich die Kundgebung schon allmählich aufgelöst. Auch die Pflegerinnen gehen inzwischen wieder ihrer Wege. Und müssen sich darauf einstellen, dass sie ihren Beruf künftig bis auf Weiteres nicht mehr ausüben können. Zumindest so lange nicht, bis entweder die Pandemie vorüber ist oder sie vollständig geimpft sind. So oder so: Die Politik in den Ländern und im Bund scheint die Weichen ohnehin schon gestellt zu haben: in Richtung Impfpflicht für alle.
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