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Besuch in „Strunzenöd“: Wie das Wasserburger Land den Kabarettisten Michael Altinger inspiriert

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Von: Heike Duczek

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Entspannt in „Strunzenöd“: Kabarettist Michael Altinger.
Entspannt in „Strunzenöd“: Kabarettist Michael Altinger. © Duczek

Zum 100. Mal moderiert Michael Altinger mit Christian Springer am Donnerstag, 26. Januar, den „Schlachthof“ im BR. Warum der Eiselfinger sein Lampenfieber und das Landleben liebt, hat er uns bei einem Besuch in „Strunzenöd“ erzählt, seinem „persönlichen Entenhausen“.

Wasserburg/Eiselfing - „Treffen wir uns doch in Strunzenöd“, hat die Wasserburger Redaktion witzelnd als Ort für unser Gespräch mit Michael Altinger vorgeschlagen. „Super Idee“, sagt er lachend - und nennt eine Adresse in Eiselfing, wo er uns an der Haustür empfängt: „Willkommen in Strunzenöd!“. Das soll der fiktive Ort sein, an dem seine Kabarett-Trilogie spielt? Es schaut nicht aus wie tiefste Provinz, in der die Protagonisten mit einfachen „Wahrheiten“ die komplexe Welt erklären - und irgendwie doch: ein typisches Einfamilienhaus in einer ganz normalen Siedlung: Brennholz vor der Tür, kleiner Garten, gemütliche Küche mit Kochinsel, wo der Hausherr sich an der neuen Kaffeemaschine mit der Produktion eines Cappuccinos abmüht.

Altinger, einer der Stars der bayerischen Kabarettszene und seit zehn Jahren mit Christian Springer Gastgeber im von Ottfried Fischer übernommenen „Schlachthof“, entwickelt hier im Büro im ersten Stock seine Programme fürs Fernsehen und für die Bühne. Nur wenige Meter entfernt ist er aufgewachsen, er kennt und liebt das Landleben, Dreh-und Angelpunkt auch in „Strunzenöd“ - „mein Entenhausen“, wie er schmunzelnd sagt.

„Lachfigur, die auch ein Sympathieträger ist“

Der richtige fiktive Ort, um reale Konflikte überspitzt darzustellen, die sich wie ein roter Faden durch das Programm des Kabarettisten ziehen: die Gegensätze von Stadt und Land, der Lebensmodelle von Zugereisten und Einheimischen, von Menschen aus dem Neubaugebiet und dem gewachsenen Ortskern. „Bei uns“, sagt er und meint damit das Wasserburger Land, „entsteht nicht sofort Panik bei Eltern, wenn das Kind nicht aufs Gymnasium geht.“

In „Strunzenöd“ erst recht nicht. Hier spielt Altinger auch die Rolle des Bürgermeisters, erkennbar an Trachtenjanker und Redepult, das er an den unmöglichsten Orten aufstellt, um selbstbewusst einfache Lösungen für komplexe Problemstellungen zu präsentieren - eine Lachfigur, die jedoch auch ein Sympathieträger ist. Und immer wieder die Scheinheiligkeit entlarvt - etwa, „wenn die Leute mit dem Lastenrad zum Einkaufen fahren, aber ihre Kinder mit dem SUV von der Schule abholen“.

Das Weltgeschehen, runtergebrochen auf die Provinz: Diese Thematik liebt Altinger, der seine Ideen aus dem eigenen Erleben speist. Etwa wenn der Zugreiste den Bauern aus der Nachbarschaft ausfragt, wie alt dessen Hühner werden - ein Kabarettstück, das seit 20 Jahren ein Renner ist. Ein Freund von Altinger hat es so erlebt und ihm erzählt. Eine wahre Geschichte also, satirisch überspitzt.

80 Prozent seines Programm schreibt Altinger selbst. „Ich gehe halt mit offenen Augen und Ohren durch die Welt, greife Themen auf, die die Leute bewegen.“ Trotzdem muss es ihn auch packen, „denn ich will nicht gefällig werden“, sagt er. „Ich habe eine innere Sperre, Themen zu machen, nur weil sie gerade trenden. Ich mag nicht, wenn ich muss.“

Kabarett nach Businessplan kommt nicht in Frage

Kabarett nach Businessplan, Themen, vorgegeben von Agenturen: Das kommt für ihn nicht in Frage. Stattdessen arbeitet der Teamplayer mit Autoren, Redakteuren und Textern zusammen, die er schon lange kennt - egal, ob für den „Schlachthof“ („wir sind wie eine große Familie“) oder für seine Auftritte in Kabarettformaten im TV und auf der Bühne.

Wichtigste Kritikerin: seine Frau, die als erste seine neuen Texte liest und ihm offen sagt, ob sie funktionieren. „Manchmal lache ich mich über mich selbst kaputt, bin aber der einzige“, sagt er offen. Früher habe er selbstverliebt auch schon mal einen TV-Auftritt „total versemmelt“, berichtet er lachend. Das passiert dem 52-Jährigen, der auf eine über 30-jährige Bühnenkarriere zurückblickt, heute nicht mehr. Er sei auch gelassener geworden, entspannter - etwa wenn bei Auftritten Fans ein kurzes Video aufnehmen würden. Mittlerweile hat er erkannt, dass die sozialen Netzwerke, mit denen er ein wenig fremdelt, ein wichtiges PR-Instrument sind. Trotzdem lehnt Altinger es ab, „Follower“ zu kaufen oder auf Facebook und Co. viel von sich preiszugeben.

„Die vierte Wand abreißen“

Selbst der eine Besucher unter 600 im Saal, der noch immer gelangweilt schaut, wenn sich alle schon vor Lachen biegen, stört ihn nicht mehr. „Früher habe ich den Fehler gemacht, mich auf diesen einen - es ist übrigens in der Regel ein Mann, keine Frau - zu konzentrieren, für ihn zu spielen, ihn doch noch zu packen. Heute ist es mir wurscht.“ Fühlen kann er die Missachtung trotzdem - selbst in großen Sälen, sagt Altinger. Denn er nimmt stets Kontakt mit dem Publikum auf, „da entsteht an einem Abend eine ganz besondere Intimität“, stellt er immer wieder fest. „Wenn es mir gelingt, auch die vierte Wand zwischen mir und den Gästen einzubrechen, bin ich happy.“

Derzeit ist er wieder auf Tour: mit dem Showdown seiner Trilogie „Strunzenöd“. Ihn begleitet auch hier ein Freund: der in der Wasserburger Burgau lebende Gitarrist Andreas Rother. Rother übernimmt eine solch wichtige Rolle, auch als „Side-Kick“, dass Altinger nicht mehr von einem Solo- sondern von einem Duo-Programm spricht. Die Musik wird ihm immer wichtiger, Altinger bringt dieser Tage mit Freunden eine CD heraus, hat sogar drei Musikvideos produziert.

Rituale vor jedem Auftritt

Ein neues Kabarett-Programm probiert er bei einer Vorpremiere vor kleinem Publikum aus, das nachher urteilen darf und soll. Dann ist das Lampenfieber besonders groß. Eine „gewisse Grundnervosität“ gehört für ihn bis heute zu jedem Auftritt dazu. Das Lampenfieber sorge dafür, dass er sich fokussieren könne. Dabei helfen auch Rituale, berichtet Altinger. Etwa 45 Minuten vor dem Auftritt beginnen sie mit dem Zähneputzen, es geht weiter mit Dehn-, Sprech- und Atemübungen und zum Schluss dem Auf- und Ablaufen, um locker zu werden. „Ich muss den Körper geschmeidig halten“, sagt er.

Agil zu bleiben, sei wichtig, damit der Energiefluss auf hohem Niveau erhalten bleiben. Denn drei Auftritte pro Woche mit Kabarett und dem Komödienspektakel „Ratatata“, eine energiegeladene Bonnie-und-Clyde-Geschichte“, plus zehn Schlachthof-Folgen im Jahr und mit Christian Springer, ebenfalls ein Freund („Wir sind zwei Kindsköpfe, die sich ewig kennen“), sind ein anstrengendes Pensum. Sich Auszeiten zu nehmen, musste er erst lernen, bekennt der 52-Jährige. Er kann sich am besten entspannen, wenn er „was anderes sieht“. Er fährt in die Berge oder an die Seen, „frisst“ Bücher, hat heuer ganz bewusst mehrere Urlaube fest eingeplant.

Doch in diesen Tagen steht vor allem die 100. Ausgabe „Schlachthof“ im Fokus - für Altinger eine „tolle Spielwiese“ mit drei Säulen: moderieren, auf der Bühne stehen, schauspielern in kleinen Filmen. Seine Lieblingsrolle: der Schickimicki-Schnösel. „Das ist doch das Schöne an unserem Beruf, dass wir sogar manchmal Menschen spielen dürfen, die wir privat für ein richtiges Arschloch halten.“

Altingers Montagsbrettl wieder im März

Zwei Mal im Jahr ist Michael Altinger mit seinem Montagsbrettl in Wasserburg zu Gast - nächster Termin ist der 20. März. Neuer Ort: die Landwirtschaft Gut Staudham in Wasserburg, Münchner Straße 30. Beim Montagsbrettl treten neben Altinger als Gastgeber weitere Kolleginnen und Kollegen aus der Kabarettszene auf. 20 Jahre lang war das Format Gast im Festsaal des kbo-Inn-Salzach-Klinikums in Gabersee. Am neuen Ort, unterstützt von Sponsoren und unter dem Dach des Kulturkreises Wasserburg, war die Premiere im vergangenen Herbst ebenfalls ausverkauft.

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