1. rosenheim24-de
  2. Rosenheim
  3. Wasserburg
  4. Wasserburg am Inn

Energie aus dem Stadtwald: Diese drei Publikums-Magneten in Wasserburg bauen auf Hackschnitzel

Erstellt:

Von: Heike Duczek

Kommentare

Hackschnitzel sind angesichts hoher Gaspreise und Klimawandell auch im Priener Gemeinderat wieder im Gespräch.
Hackschnitzel sind eine Alternative für Öl und Gas als Energieträger. Auch die Stadt Wasserburg setzt jetzt darauf. © Anita Berger, Foto Berger-Prien

Unabhängig werden von Gas und Öl: Wasserburg kommt auf dem Weg zu diesem Ziel bei drei wichtigen kommunalen Immobilien einen großen Schritt voran. Welch sensationelle Rolle dabei der Stadtwald spielt.

Wasserburg - Sie sind drei vielbesuchte Gebäude in der Stadt: Bürgerhaus, Bibliothek, Belacqua - Publikumsmagneten, nebeneinander gelegen an der Salzburger Straße. Da bietet es sich geradezu an, die Gas- und Ölheizungen durch ein Nahwärmenetz zu ersetzen. Der Stadtrat packt es jetzt an, doch es ist leichter gesagt als getan, denn die geplante Hackschnitzelheizanlage stellt bei der Realisierung eine komplexe Aufgabe dar.

Herausforderung Nummer Eins laut Robert Mayerhofer, Chef der Liegenschaftsabteilung im Rathaus: Die drei Objekte haben zwei Eigentümer, die Heiliggeist-Spitalstiftung und die Stadt. Herausforderung Nummer Zwei: Das Bürgerhaus ist ein Einzeldenkmal, jeder Eingriff ins Gebäude muss also mit der Denkmalschutzbehörde abgeklärt werden. Grünes Licht gibt es diesbezüglich bereits, teilte Stadtbaumeisterin Mechtild Herrmann auf Anfrage aus dem Stadtrat mit. Herausforderung Nummer Drei: Viele Projektbeteiligte sitzen in einem Boot: von der Verwaltung bis zum Fachplaner, vom Energieberater bis zum Klimaschutzmanager, von den Handwerkern bis zum Hackschnitzellieferanten. Das ist quasi der Stadtwald, konkreter gesagt: der kommunale Forst und jener, der der Heiliggeist-Spitalstiftung gehört. Verwaltet wird diese von der Kommune.

400 Schüttraummeter pro Jahr benötigt

Die Waldungen können laut des von der Stadt beauftragten Försters und der Waldbesitzervereinigung Wasserburg etwa 400 Schüttraummeter Hackgut pro Jahr liefern. Das heiße jedoch nicht, dass Bäume gefällt würden oder dass das für den Natur- und Artenschutz so wichtige Totholz nicht mehr liegenbleiben werde, betonte Bürgermeister Michael Kölbl (SPD) im Stadtrat. Der Wald werde nicht bis aufs letzter Steckerl „aufgeräumt“. Die 400 Schüttraummeter seien die Menge, die wirklich übrig sei für die Verwertung als Hackschnitzel. Insgesamt könnten so Öl- und Gasverbräuche von rund 250 MWh im Jahr durch einen regenerativen Energieträger ersetzt werden, berichteten Mayerhofer, Roy Tinter vom Hochbau in der Verwaltung und das Planungsbüro Kas.

„Das ist ein Projekt, von dem wir überzeugt sind“, betonte Mayerhofer. Die kleine Nahwärmetrasse wird vom Bürgerhaus aus, wo die Heizzentrale integriert wird, über zwei Förderschnecken und zwei Kessel für Wärme und Warmwasser betrieben, berichteten Mayerhofer, Tinter und Kas. Die Kosten berechneten sie auf etwa 554.000 Euro. Die Stadt wird Fördermittel beantragen. Erwartet werden laut ersten Berechnungen gut 260.000 Euro.

Diese Grafik zeigt die Nahwärmetrasse, die 3 Immobilien an der Salzburger Straße verbindet und versorgt.
Diese Grafik zeigt die Nahwärmetrasse, die drei Immobilien an der Salzburger Straße verbindet und versorgt. © Stadt Wasserburg/Büro Kas

Die Restinvestition ist gut angelegt, wie die Berechnungen aufzeigten. Denn Gas als Energieträger sei 8-mal teurer als Hackschnitzel, für Öl müsste die Stadt 5-mal mehr zahlen, auch Pellets sind mittlerweile teuer geworden. Bei Hackschnitzeln werden mit jährlichen Kosten von etwa 10.000 Euro gerechnet, bei der Annahme das ein Schüttmeter etwa 15 Euro kosten würden. Josef Baumann (Freie Wähler Reitmehring-Wasserburg) wies jedoch darauf hin, dass der Marktpreis für Hackschnitzel derzeit bei 25 bis 30 Euro liege. „Dann sieht die Rechnung schon anders aus.“ Trotzdem handele es sich um eine sinnvolle Maßnahme. Dies sah auch Georg Machl (CSU) so, der darauf hinwies, dass sich die Investition für die Umstellung auf Hackschnitzel auch ohne öffentliche Förderung schnell rechnen würde. In elf Jahren wäre die neue Anlage dann bereits finanziert.

Christian Stadler, Fraktionsvorsitzender der Grünen, sah dies genauso, angesichts des kleinen Netzes („trotzdem eine gute Geschichte“), regte er an, nachzuforschen, ob auch Privathaushalte aus der Umgebung anschließen könnten. Norbert Buortesch, Fraktionsvorsitzender von Bürgerforum/Freie Wähler/ÖDP, forderte außerdem, bereits jetzt solle geprüft werden, ob Photovoltaikanlagen auf den Dächern nachgerüstet werden könnten.

Das Hackschnitzellager wird laut Planungsbüro etwa 10 Mal im Jahr befüllt, im Winter kann es sein, dass die Lkw auch zwei Mal im Monat notwendig sein muss. Im Februar soll jetzt ausgeschrieben werden, zur Heizperiode im Herbst 2023/2024 die Umstellung auf Hackschnitzel erfolgt sein. Der Stadtrat befürwortete die Maßnahme einstimmig. Friederike Kayser-Büker, Fraktionsvorsitzende von SPD/Linke Liste, wurde emotional: „Angenehme Sitzung heute. Was für ein tolles Projekt.“ Das fand auch Christian Flemisch (ÖDP), der eine Sorge äußerte: Ob der Stadtwald nun ausgereizt sei beim Hackschnitzelpotenzial? So ist es, erklärte Mayerhofer. Eine weitere Anlage könne aus dem kommunalen Forst nicht mehr bestückt werden.

Auch interessant

Kommentare