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Wie die Wasserburger Tafel einen Aufnahmestopp verhindern konnte - trotz Ukraine-Krieg und Inflation

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Von: Petra Maier

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Barbara Pömsl (links) und Andreas Geiger sind „die Neuen“ im 
Organisationsteam der Wasserburger Tafel. Renate Steinbichler (rechts) hatte die Leitung in den vergangenen drei Jahren und arbeitet heute noch aktiv mit.  Auf dem Foto fehlt Sabine Hubschmid, die maßgeblich für die Koordination der Spenden zuständig ist.
Barbara Pömsl (links) und Andreas Geiger sind „die Neuen“ im Organisationsteam der Wasserburger Tafel. Renate Steinbichler (rechts) hatte die Leitung in den vergangenen drei Jahren und arbeitet heute noch aktiv mit. Auf dem Foto fehlt Sabine Hubschmid, die maßgeblich für die Koordination der Spenden zuständig ist. © Petra Maier

Ansturm auf die Wasserburger Tafel: Kamen vor dem Ukraine-Krieg 65 Kunden, sind es jetzt bis zu 150. Eine Herausforderung für die ehrenamtlichen Helfer.

Wasserburg - Die hohe Inflation, aber auch der Krieg in der Ukraine sorgen dafür, dass die Zahl der Bedürftigen bei den Tafeln immer größer wird. Vielerorts gibt es schon einen Aufnahmestopp, wie beispielsweise in Mühldorf, wo inzwischen eine Warteliste eingeführt wurde. Auch in Wasserburg steigen die Kundenzahlen bei der ehrenamtlich geführten Einrichtung der Diakonie immer weiter, doch das neue Organisationsteam konnte durch eine Umstrukturierung bei der Warenausgabe den drohenden Aufnahmestopp verhindern.

Die „Neuen“ im Organisationsteam der Tafel

Andreas Geiger (49) ist seit August der neue Leiter der Tafel, auch wenn er diesen Titel selbst nicht gern hört. „Wir sind ein Team“, stellt er im Gespräch immer wieder heraus. Der Versicherungskaufmann kam im April zur Tafel. Er hatte sich dort zunächst als Fahrer beworben. „Mein Antrieb ist, anderen zu helfen und Solidarität zu leben“, macht er im Gespräch mit unserer Zeitung deutlich. 12 bis 15 Stunden pro Woche bringe er sich für die Tafel ein, sagt er, doch seine Kollegin Barbara Pömsl aus dem Organisationsteam lächelt da nur, wohlwissend, dass diese Zahl deutlich untertrieben ist.

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Die 66-Jährige ist seit Jahren ehrenamtlich engagiert. 19 Jahre leitete sie beispielsweise den Verein Silberstreifen in Vogtareuth. „Aus familiären Gründen habe ich dort 2018 den Vorsitz abgegeben, es folgte eine kleine Pause und seit Mai bin ich nun hier“, freut sie sich. 45 Helfer stehen dem Organisationsteam zur Seite - alle arbeiten ehrenamtlich.

Die Aufgaben sind vielfältig. Zunächst stand die Neustrukturierung der Warenausgabe im Vordergrund. „Bis vor wenigen Wochen haben wir jeden Dienstag unsere Waren ausgegeben. Doch dann wurde die Schlange der Kunden so groß, dass wir vor der Entscheidung standen: Aufnahmestopp oder neues Konzept“, erklärt Geiger. Schließlich habe man sich dafür entschieden, die bis zu 150 Kunden zu teilen. Eine rote und eine blaue Gruppe wurden eingerichtet und nun kommen die Kunden weiterhin am Dienstag, aber immer nur alle 14 Tage. Da erhalten sie dann mehr Waren ausgehändigt, mit denen sie nun zwei Wochen haushalten müssen. Seit vier Wochen gilt die Regelung, jede Gruppe kam bisher zweimal dran, „das hat sehr gut funktioniert“, freut sich Geiger.

Die Kundschaft ist bunt gemischt bei der Tafel. „Wir bedienen alleinerziehende Männer und Frauen mit ihren Kindern, ältere Leute und auch ganze Familien“, berichtet Pömsl, die auch im Verkauf mitarbeitet. Für die Wasserburger Aktion Wunschbaum habe sie zudem gerade die Zahl der Kinder ermittelt, die zu Weihnachten beschenkt werden sollten. Eine erschreckend hohe Zahl: „Im vergangenen Jahr waren es 50, heuer habe ich 130 Kinder gezählt“, rechnet Pömsl mit sorgenvollem Gesicht vor.

Sabine Hubschmid ist im Orga-Team vornehmlich für die Koordination der eingehenden, gespendeten Waren zuständig. Sie schaut drauf, dass die Regale rechtzeitig gefüllt sind. Montags werden die Waren abgeholt. „Wir bekommen Spenden von allen großen Supermärkten in Wasserburg, auch von den Märkten im Haager Einkaufspark, von Bauer und Meggle und vom Naturkostladen im Thal“, zählt Geiger auf. Frische Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs seien bei den Lieferungen dabei. „Aktuell ist uns aufgefallen, dass Hygieneartikel für Männer wie Einwegrasierer oder Deos, Zahnpasta und Zahnbürsten von den Kunden vermehrt nachgefragt werden“, berichtet Geiger. Wenn in dem Bereich noch Spenden kommen würden, dann wären die Kunden sicher erfreut, sagt er.

Seitdem es die Tafel in Wasserburg gibt, arbeiten (von links) Marion Brendner, Jutta Schwark und Erika Netter ehrenamtlich fleißig mit. Nächstes Jahr feiern die dienstältesten Helferinnen ihr 20-jähriges Jubiläum mit der Tafel.
Seitdem es die Tafel in Wasserburg gibt, arbeiten (von links) Marion Bendner, Jutta Schwark und Erika Netter ehrenamtlich fleißig mit. Nächstes Jahr feiern die dienstältesten Helferinnen ihr 20-jähriges Jubiläum mit der Tafel. © Petra Maier

Glücklich sind auch die vielen Helfer und Helferinnen der Tafel, wenn sie die Bedürfnisse der Kunden erfüllen können. Marion Bendner (79), Jutta Schwark (78) und Erika Netter (84) sind die Dienstältesten. Sie sind seit 19 Jahren dabei, seit Eröffnung der Wasserburger Tafel. Ihr Engagement ist ungebrochen. Schlag auf Schlag reichen sie routiniert die Waren über den Tresen. „Trotzdem würden wir uns auch über weitere Mitarbeiter freuen“, macht Geiger deutlich. Neulich habe sich eine 19-jährige Schülerin bei ihm vorgestellt, die künftig helfen möchte, freut er sich. „Aber ein junger Mann, der auch mal auf einen Lastwagen raufspringen kann, wäre auch noch eine Bereicherung für unser Team“, ergänzt er hoffnungsfroh.

Das Kinderhaus St. Korbinian aus Rechtmehring brachte viele Geschenke zur Tafel nach Wasserburg. Christian Ullrich (von links), Christiane Schwab, Doreen Voglsamer und Nicole Bekaj halfen mit bei der Verteilung.
Das Kinderhaus St. Korbinian aus Rechtmehring brachte viele Geschenke zur Tafel nach Wasserburg. Christian Ullrich (von links), Christiane Schwab, Doreen Voglsamer und Nicole Bekaj halfen mit bei der Verteilung. © Petra Maier

Große Unterstützung bekam die Tafel an den vergangenen zwei Dienstagen aus Rechtmehring. Doreen Voglsamer, Vorsitzende des Elternbeirats vom Kinderhaus St. Korbinian, hatte den Anstoß dazu gegeben und vor allem die Kinder hatten mit Unterstützung ihrer Eltern, dem Elternbeirat, dem Förderverein Rechtmehring und sogar der Feuerwehr eine große Spendenaktion zugunsten der Tafel auf die Beine gestellt. „Wir wollten den Kindern zu Sankt Martin vermitteln, dass es nicht nur in Afrika oder fernen Ländern, sondern auch in unserer Region Familien gibt, die sich nicht alles leisten können, was sie gern kaufen würden.“

130 Kinder sammelten daraufhin Spielsachen, unverderbliche Lebensmittel sowie Kosmetik- und Hygieneartikel. Außerdem gab es 120 Euro an Geldspenden, für die frische Eier gekauft wurden. Die Kunden der Tafel in der Brunnhuberstraße 24 konnten sich kostenlos bedienen - und nahmen das St. Martinsgeschenk gern an. „Alles, was übrigbleibt, bleibt bei der Tafel und das Spielzeug bekommt die Aktion Wunschbaum“, so Voglsamer, die immer wieder den guten Zusammenhalt bei der Durchführung dieser Aktion hervorhebt.

Kundenkarten gibt die Tafel aus

Für Neukunden der Tafel ist die Anmeldung ganz einfach: Wer in der Brunnhuberstraße 24 in den Räumen der Diakonie einkaufen möchte, legt dort einen Nachweis über seine Einkommensverhältnisse vor. Der Beleg kann vom Jobcenter, vom Landratsamt, von der Rentenversicherung oder von der Gemeinde sein. Bestimmte Einkommensgrenzen sollten nicht überschritten werden, können aber individuell besprochen werden, erklärt Andreas Geiger. Beispiel: Ein Single ohne Kinder sollte nicht mehr als 1126 Euro Einkünfte haben, eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren nicht mehr als 1801 Euro. Kleiner Tipp: Immer in der Tafel von den Ehrenamtlichen beraten lassen, wenn Bedarf besteht.

Weitere Unterstützung für die Tafel

Große Freude herrscht bei der Tafel immer, wenn Unterstützung von außen kommt. So berichtet Geiger begeistert, dass Mitarbeiter vom Innkaufhaus in Wasserburg beispielsweise am 28. Dezember und am 3. Januar bei der Tafel Punsch ausschenken und Lebkuchen verteilen. Grundschüler aus Griesstätt kommen am 13. Dezember zur Tafel und bringen nicht nur viele Lebensmittel, die sie gesammelt haben, sondern helfen auch mit beim Einräumen der Waren. „Und Grundschüler aus Amerang haben ebenfalls eine Aktion angekündigt“, berichtet Geiger. Und dann hätten zwei Privatpersonen ihr Energiegeld gespendet. „Einer gab den kompletten Betrag von 300 Euro, einer spendete 100 Euro“, so Geiger. Geldspenden sollten immer als zweckgebundene Spende an die Diakonie gehen, mit dem Zusatz: „Tafel Wasserburg, Lebensmittel oder Dinge des täglichen Bedarfs“, fügt er sicherheitshalber noch an, damit die Spende auch von der Tafel genutzt werden kann.

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