1. rosenheim24-de
  2. Service
  3. Liebesfragen

Wie erkenne ich, ob mein Partner eine Depression hat und wie kann ich ihm helfen?

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können unsere Plus-Abonnenten Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.

Frage einer Frau: 

In den letzten Monaten hat sich mein Mann ziemlich verändert und das macht mir Sorgen. Ehrlich gesagt, geht es mir auch auf die Nerven. Er ist total lustlos. Egal was ich ihm vorschlage, er kann sich zu nichts aufraffen und ist am liebsten zu Hause auf der Couch oder im Bett. Ich habe das Gefühl, er hat eine Depression. Er hat auch abgenommen. Wir lachen kaum noch und sogar auf Sex hat er nicht mehr so Lust wie früher. Ich sollte vielleicht dazu sagen, dass wir beide ungeimpft sind und dass unsere Möglichkeiten etwas außer Haus zu erleben, derzeit ja sowieso und auch besonders  dadurch beschränkt sind bzw. werden. Das schlägt uns beiden aufs Gemüt, aber wir können es ja nicht ändern bzw. wollen es nicht durch eine Impfung ändern. Woran kann ich erkennen, ob er eine Depression hat und ob meine Sorge berechtigt ist und wie kann ich ihm helfen? 

Antwort von Dorothea Perkusic:

Danke für die Schilderung Ihrer Situation und Sorgen. Damit können sich derzeit leider mehr Menschen denn je identifizieren. Zwei Jahre Pandemie gehen an keinem mehr spurlos vorüber und das Ansteigen von psychischen Erkrankungen ist erschreckend. Umso besser, dass Sie mit Ihren Beobachtungen, Ihren Mann betreffend, aufmerksam umgehen und ihn damit konfrontieren. 

Ich nenne zuerst die typischen Anzeichen einer Depression. Dazu muss ich erklären, dass es unterschiedliche Schweregrade einer Depression gibt, die gegebenenfalls psychotherapeutisch eingestuft oder abgeklärt werden müssten. Meine Erklärung ist damit allgemein und stellt keine Diagnose dar

Depressionen beginnen meist schleichend und Veränderungen in der Stimmung oder auch körperlich werden meist wahrgenommen, aber häufig erst spät ernst genommen. 

Wenn mehrere der folgenden Krankheitszeichen gleichzeitig und dauerhaft über zwei Wochen bei sich oder anderen Personen bemerkt werden, sollten Sie sich unbedingt Hilfe suchen und darüber sprechen: 

Dorothea Perkusic auf Instagram

Dass Menschen mit Depression nur noch tieftraurig in der Ecke hängen, ist zudem nur die halbe Wahrheit. Eine Depression hat viele Gesichter. Bei einer versteckten Depression zum Beispiel gelingt es noch, nach außen hin zauberhaft zu lächeln („Smiling Depression“). In diesem Fall ist eher das Gefühl von innerer Leere signifikant. Manche Menschen sind dadurch eher flatterhaft und wie getrieben und die innere Unruhe drückt sich in einem „unter Strom“ stehen aus.

Hinzu kommen können plötzliche Gefühlsausbrüche und Stimmungsschwankungen in Form von Glückseligkeit bis Verzweiflung oder Wut, sich nur noch schwer bis gar nicht mehr entscheiden zu können, Überforderung, aus Angst, einen Fehler zu machen oder eine falsche Entscheidung zu treffen. Grübeln, Kopfzerbrechen und Gedankenkreisen, Erschöpfung, Ängste, Hoffnungslosigkeit, „Null-Bock-Stimmung“ oder ein aufgrund Überforderung gleichgültiges „ist-mir-doch-egal“. Vermehrter Alkoholkonsum, über den Sinn von Leben und Tod zu sinnieren, sich isolieren. 

Auf körperlicher Ebene können Verdauungsbeschwerden auftreten, Schlappsein, ein unerklärbares Unwohlsein, Hitzewallungen, Frösteln, Zittern, Kopf- und Rückenschmerzen, Verspannungen, Druck- und Engegefühle in der Brust oder ein Kloß im Hals, Schwindel, Atemprobleme, Herzstechen und eine Abnahme des sexuellen Verlangens oder Funktionsstörungen. 

Die meisten Depressionen verlaufen in Phasen. Die Dauer einer Phase kann durch eine zeitnahe Behandlung deutlich verkürzt werden und damit das Risiko gesenkt, in eine erneute Phase zu schlittern. 

Was Sie tun können, um Ihrem Mann zu helfen ist, ihn direkt darauf anzusprechen. Schildern Sie Ihre Beobachtungen und wie Sie ihn wahrnehmen in aller Deutlichkeit und weisen Sie ihn darauf hin, seine Gefühle und Stimmungen ernst zu nehmen. Gehen Sie gemeinsam raus an die frische Luft, bewegen Sie sich, auch wenn es schwer fällt. Bringen Sie Struktur in den Alltag. Das Abhaken, Sortieren und Reflektieren hilft dabei, Stress zu vermeiden. 

Pflegen Sie soweit möglich soziale Kontakte. Gemeinsamkeiten und Gespräche lenken ab und helfen gegen das Gefühl der Einsamkeit. Überlegen Sie gemeinsam nach Perspektiven, planen Sie kleine Highlights ein, auf die Sie sich freuen können. Berühren Sie sich. Vielleicht hat Ihr Mann Freude an einer Massage und kann so wieder etwas mehr körperliches Wohlbefinden wahrnehmen. Nicht zuletzt kann Sex hilfreich sein um innere Stagnationen zu lösen

Auch interessant: Das Glück liegt oft in den kleinen Dingen: Wie die Liebe auch in schwierigen Zeiten hält

Auch das Führen eines Tagebuchs kann hilfreich sein. Die guten Momente des Tages festhalten oder sich den Frust von der Seele schreiben. Schreiben hilft – einfach ausprobieren. 

Sollte Ihr Mann sich gar nicht mehr oder immer weniger aufraffen können, sollte er sich dringend Beistand und Unterstützung suchen, um nicht weiter abzurutschen. Das Gleiche gilt für Sie, denn als seine Frau sind auch Sie betroffen. Scheuen auch Sie sich nicht, sich Hilfe zu nehmen

Lassen Sie sich nicht unterkriegen! Ich wünsche Ihnen alles Gute!

Dorothea Perkusic

Sie haben eine Frage rund um die Themen Leben & Liebe?

Schreiben Sie an Einzel-, Paar- und Sexualtherapeutin Dorothea Perkusic. Alle Fragen werden beantwortet, ausgewählte anonymisiert veröffentlicht.

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion