Probst räumt ab – SB Chiemgau gewinnt Derby in Anschöring!

Kirchanschöring – In einem Herzschlagfinale in dem sich die Ereignisse grandios überschlugen gelang den Last-Minute-Spezialisten vom SB Chiemgau Traunstein vor 1.800 Zuschauern der perfekte Bayernliga-Einstand und der erträumte Derbysieg gegen den in der Spielklasse erfahreneren Lokalrivalen SV Kirchanschöring. Zum Derbyhelden des SBC wurde Maximilian Probst – der in der 93. Minute eiskalt einschoss. Anschörings neuer Spielertrainer Karayün sah unfassbarer Weise Rot wegen einer Tätlichkeit. Auch zwei weitere Akteure der Gelb-Schwarzen wurden des Feldes verwiesen.
Endlich war es also da und wurde gespielt, das heiß ersehnte Derby zwischen Rupertiwinklern und Chiemgauern. Und sowohl im Vorfeld, also auch in der Partie selbst lagen jede Menge Brisanz (alle Infos zu vor dem Spiel, den Voraussetzungen und dazu was bei den Teams so los ist, könnt ihr HIER nachlesen). Dem wurde das Match am Ende gerecht – eine fußballerische Offenbarung wurde es hingegen nicht. Dafür entschädigte das furiose und mitreißende Ende gehörig.
Enges Spiel, viel Kampf, wenig Fußball
Ein wirklich schönes Fußballspiel mit feiner Klinge, Kreativität und vielen tollen Offensivszene war aber auch nicht zu erwarten gewesen. Saisonbeginn, Derby, das Prestige in der Region, die Riesenkulisse – zu viel steckte in diesem Bayernliga-Auftaktspiel, als dass es einer hätte verlieren wollen. Dazu kam die grundsätzliche Ausgangslage beider Teams:
Kirchanschöring nach dem Umbruch (Trainer, Co-Trainer und Leistungsträger sind nach Burghausen abgewandert). Erstes Spiel in einer Saison, die sicher nicht leichter werden wird, als die vorhergehenden. Erstes Spiel mit dem „Experiment Spielertrainer“. Nach einer Vorbereitung mit teils durchwachsenen Auftritten. Aber mit der Erfahrung von bereits zwei absolvierten Spielzeiten in der fünfthöchsten Spielklasse. Und zuhause.
Traunstein als Neuling in der Liga. Als eingeschworenes Team, welches vielfach bewiesen hat, dass es äußerst kompakt stehen kann, oft die Null hält – und immer in der Lage ist vorne, wann auch immer, irgendwie zuzuschlagen. Darüber hinaus mit nochmals verstärktem Kader. Mit der altbewährten Tugend nie die Geduld zu verlieren – und von einer sicherten Basis ausgehend clever zum Erfolg zu kommen. Ohne dabei ins Risiko zu gehen.
Service:
Ein Favorit war schwerlich auszumachen. Manch ein Beobachter sah vielleicht die Gäste leicht im Vorteil – aufgrund der extrem breiten Brust nach dem erfolgreichen Aufstieg, dem Wissen darum, was man zu leisten im Stande ist und der Welle der Euphorie auf der man reitet.
Es wird der erwartet zähe Auftakt - keiner will verlieren
Es entwickelte sich ein Spiel, welches so in etwa abzusehen gewesen war. In dem beide engagiert waren, um jeden Zentimeter Rasen kämpften – aber auch sehr darauf bedacht waren, keinerlei Schwachstelle, keinerlei Anfälligkeit für etwaige Konter zu zeigen. Den Schuh des Teams, welches hier aktiv das Spiel gestalten und machen sollte, wollte sich daher keine von beiden Mannschaften anziehen. Abwarten, schauen wie sich der Auftakt entwickelt und was geht – hieß beiderseitig die Devise. Beide darauf lauernd, dass der andere einen Fehler begeht, sich locken lässt – und man dies dann mit dem eigenen Umschaltspiel nutzen kann. Eine ähnlich reservierte Spielanlage also auf beiden Seiten. Nicht gerade der Stoff aus dem die große Fußballkunst entsteht – aber natürlich nachvollziehbar.
Und so bekamen die zahlreichen Besucher an der Laufener Straße an diesem sonnigen Freitagabend der Saisoneröffnung der Bayernliga eine erste Halbzeit geboten, die sie nicht gerade von den Sitzen riss. Es tat sich kaum etwas. Beide Teams neutralisierten sich, arbeiteten sich im Mittelfeld auf – und bissen sich an der vielbeinigen Defensive des jeweiligen Gegners immer wieder die Zähne aus. Es war zähe Kost, intensiv aber nichts für Fußballfeinschmecker – und ein klassisches Geduldsspiel.
Geduldsspiel ohne Höhepunkte - mehr Fouls als Spielfluss
Viel passierte nicht. Beide Mannschaften agierten vorsichtig, teilweise aufgrund der großen Kulisse auch nicht ganz so befreit – es mangelte vielfach an der Passgenauigkeit – und waren darauf bedacht nichts zu zulassen. Schon nach der Anfangsviertelstunde wurde es immer ruppiger. Teilweise lagen mehrere Spieler gleichzeitig verletzt am Boden. Beide Teams beharkten und bekämpften sich – des öfteren an der Grenze des Erlaubten.
Kirchanschöring kam zu zwei, drei harmlosen Halbchancen – die Akteure des SBC traten offensiv noch gar nicht wirklich in Erscheinung. Gegen den Ball machten beide ihre Sache ordentlich und gewissenhaft – stellten sich allerdings gegenseitig spieltaktisch bedingt auch nicht allzu sehr auf die Probe. Die Mannschaften wirkten doch etwas verkrampft. Viele Nicklichkeiten und taktische Fouls nahmen der Partie immer wieder den Spielfluss. So plätscherte diese irgendwo im Nirgendwo zwischen den Strafräumen vor sich hin. Zu viele einfache Ballverluste und Abspielfehler prägten das Bild. Gelungene Spielzüge oder Kombinationen über mehrere Stationen gab es so gut wie nicht. Spätestens der dritte Pass im Spiel nach vorne landete beim Gegner.
"Typisches Derby" geht nach der Pause weiter wie zuvor
Nach 45 Minuten beendete der Schiedsrichter einen ereignislosen ersten Durchgang. Der ein oder andere Fußballnostalgiker sah sich geneigt, den Begriff „typisches Derby“ zu bemühen. Viele Zweikämpfe, zahlreiche Grätschen und jede Menge Fouls. Das Konstruktive, das Spielerische blieb dadurch fast gänzlich auf der Strecke. Zu Beginn erweckte der SVK noch den Anschein gefährlich in die Box des Gegners kommen zu wollen - doch schon bald verloren auch die Gastgeber jeglichen Zug nach vorne.
In der zweiten Halbzeit sollte sich am beschriebenen Szenario erst einmal nicht wirklich etwas ändern. Auch nach Wiederanpfiff herrschte unverändert dasselbe Bild vor. Das Spiel ging zwar hin- und her, plätscherte allerdings mit vielen Ballverlusten und auf niedrigem Tempo im Mittelfeld dahin. Dies lag sicherlich auch daran, dass beide Teams eine harte Vorbereitung unmittelbar hinter sich hatten – und die grundsätzliche Konstellation dieser Partie es eben hergab, nicht auch noch über Gebühr in Geschwindigkeit und schnelle Aktionen zu investieren. Das nehmen Körper und Geist dann eben dankend an. Es war definitiv noch kein Bayernliga-Tempo, was beide Mannschaften hier an den Tag legten – und so blieb das Match eine statische Angelegenheit.
Reil bringt Shabani und Schön - Karayün fliegt wegen Tätlichkeit
Nach etwas mehr als einer gespielten Stunde war Traunsteins Aufstiegscoach Jochen Reil dann (wie bereits im Interview angekündigt) gewillt noch einmal etwas zu verändern, ergriff die Initiative: Er brachte Neuzugang Linor Shabani und die bewährte Kraft Patrick Schön, der an diesem Tag von der Bank kam – und stellte auch taktisch etwas um. Mit Spannung war erwartet worden, ob der Königstransfer der Chiemgauer Shabani denn schon gleich im ersten Spiel würde eingesetzt werden. Er hinterließ auf jeden Fall einen fitten Eindruck. Seine Hereinnahme und auch die von Schön taten dem Spiel der Traunsteiner merklich gut. Die Kreativkräfte brachten frischen Wind, ein klares Plus an Spielkultur – und schon gab es den ein oder anderen präzise geschlagenen Diagonalball zu sehen.
Nur kurz darauf kam es dann zu einer Szene, die im Nachhinein vielleicht den Knackpunkt der Partie darstellte: Nach 64 Minuten sah Kirchanschörings spielender Trainer Yunus Karayün nach einem Tohuwabohu an der Mittellinie glatt Rot. Wegen versuchtem Kopfstoß. Wohlgemerkt in seinem allerersten Pflichtspiel als Chefcoach. Ein Wahnsinn – und eigentlich unverzeihlich. Einen schlechteren Einstand hätte Karayün nicht haben können. Katastrophal – nicht nur dass der Leistungsträger seiner Truppe mehrere Wochen auf dem Feld fehlen wird – auch innerhalb der Mannschaft dürfte er jetzt in Sachen Vorbildcharakter und Ansprache in Erklärungsnöte geraten.
Fast die SVK-Führung in Unterzahl - Pfosten rettet SBC!
Nun wähnte man natürlich die Gäste aufgrund der numerischen Überlegenheit im Vorteil – doch die machte sich erst auf Strecke bemerkbar. Die erste und bis dato einzige Riesenchance des Derbies hatte der SVK: Bei einem tollen Vorstoß setzte sich Anschörings Tobias Schild über halblinks schön durch - und drängte von außen nach innen in den Sechzehner. Im ersten Versuch scheiterte er noch am stark reagierenden Traunsteiner Torhüter Pascal Legat, bekam das Leder allerdings wieder - und schlenzte es von links aus spitzem Winkel an den rechten Pfosten (65.)! Was für ein Ding!
Nach Schilds feiner Einzelleistung hätten die Kirchanschöringer in Führung liegen können. So aber stand es weiter 0:0 – und in den Folgeminuten machte sich das zahlenmäßige Ungleichgewicht dann doch bemerkbar. Der SB Chiemgau kam etwas auf. Das Reil-Team zeigte jetzt mehr Schwung – beflügelt auch durch die Spielerwechsel: Erst versuchte sich Shabani aus etwa 25 Metern zentraler Position - sein Schuss ging rechts am Tor von Hoyer vorbei (70.). Dann kam ein langer Ball in den Rücken der SVK-Abwehr halblinks exakt in den Lauf von SBC-Goalgetter Maximilian Probst. Der schloss von der Strafraumgrenze ohne lange zu fackeln ab – der stramme Schuss ging nur knapp links unten vorbei (73.).
Traunstein mit ersten Möglichkeiten - es riecht nach Remis
Danach kehrte jedoch wieder für einige Zeit Ruhe und Ausgeglichenheit ein. Die Unterzahl der Heimelf spielt in dieser Phase nicht ganz die Rolle, die man aufgrund der schwindenden Kräfte zu fortgeschrittener Spielzeit hätte vermuten können. Für gut zehn Minuten hatte hier kein Team nennenswerte Vor- oder Nachteile. Aber irgendwie wusste man ja aus der jüngeren Vergangenheit, dass die Traunsteiner immer für ein Tor gut sind – und sei es in der Nachspielzeit. Andererseits konnten sie sich bisher noch nicht durchsetzten – und so bestand auch die Möglichkeit, dass plötzlich den in der Schlussphase endgültig zum Underdog mutierten Gastgebern etwas gelingen könnte.
Als die letzten fünf Spielminuten angebrochen waren, fragten sich alle, ob hier noch einem der beiden Teams der vielzitierte „Lucky Punch“ gelingen würde. Jetzt waren es die Gäste aus Traunstein, die noch einmal richtig aufdrehten. Mit ihrer Tenpoverschärfung auf den letzten Drücker kam auch ihre Überzahl zum Tragen. Zunächst führte das zu einer Ecke von rechts: Im Anschluss an den Standard kam etwa fünfzehn Meter vor dem Tor Ex-SVK'ler Alexander Köberich in zentraler Position zum Kopfball. Das Leder ging allerdings links vorbei (87.).
Doppelchance für SB Chiemgau - Hoyer rettet Anschöring
In der 89. Minute dann die Mega-Chance für den SB Chiemgau zum Siegtreffer: Schön setzt sich über der rechten Seite fein durch und gab scharf nach innen. Auf Höhe des Elfmeterpunktes nahm Alexander Schlosser den Ball volley - SVK-Keeper Lukas Hoyer hielt sein Team mit einer Glanzparade im Spiel! Es gab die große Nachschuss-Möglichkeit - doch Probst hämmerte von links aus spitzem Winkel am langen Eck vorbei! Was für eine riesige Torgelegenheit – und was für ein Aufatmen bei den Anschöringern.
Doch dieses war nur von kurzer Dauer. Denn nach einer so kuriosen wie überflüssigen Szene waren die Gastgeber nur noch zu neunt auf dem Feld: Weil Kirchanschörings bereits verwarnter Yasin Gürcan den Ball nicht rausrücken wollte, nachdem der Schiedsrichter auf Einwurf für den SBC entschieden hat, wurde er vom Referee ermahnt. Als Gürcan das Leder dann auch noch dem Traunsteiner Spieler, der den Ball aufheben wollte um einzuwerfen, durch die Beine wegspitzelte, zeigte ihm Wolfgang Haslberger die Ampelkarte (91.). Harte Entscheidung in einem Derby – aber dämliche Aktion.
Rot auch für Gürcan - Probst knipst Traunstein ins Derby-Glück!
Dann lief die Nachspielzeit. Ohnehin schon SBC-Time – und jetzt waren die Traunsteiner auch noch zwei Mann mehr. Und es kam tatsächlich wie aus dem Chiemgauer Bilderbuch: Tolle letzte Kombination über den rechten Flügel, erstklassig die Überzahl genutzt und hinterlaufen, Flanke in den Sechzehner. Dort wollte Faruk Zeric in zentraler Position abschließen, kam jedoch dabei zu Fall. Über Umwege gelangte das Leder dann in den halblinken Strafraum. Aus dem Rückraum kam Probst angestürmt, nutzt die Unordnung eiskalt – und versenkte den Ball aus acht Metern per Direktabnahme im langen rechten Eck (93.)! 1:0 für den SB Chiemgau Traunstein. Die Entscheidung. Und der Derbysieg.
Als das Spiel faktisch schon vorüber war, leistete sich auch ein weiterer Karayün eine Dummheit. Auf Höhe der Mittelinie grätschte er mit etlichen Metern Anlauf einen Traunsteiner Gegenspieler, der fast schon im Seitenaus stand, von hinten weg. Ein anderes Urteil als ebenfalls glatt Rot war da schwer möglich. Und allein für die Tatsache verdient, überhaupt so reinzurauschen, das Ganze auch noch in der 95. Minute - und dabei nicht auf dem Schirm zu haben, das schon zwei andere Leistungsträger für das kommende Spiel beziehungsweise die kommenden Spiele gesperrt sind.
Auch Sahin grätscht sich runter - Traunstein feiert Triumph
Das im Vorfeld heftigst thematisierte Match hatte gehörig Anlaufzeit gebraucht – mit einer packenden Schlussphase mit jeder Menge Aufregern allerdings quasi im Zeitraffer für Vieles entschädigt. Unglaublich was sich hier in den letzten Minuten plus Nachspielzeit noch alles abspielte. Aufgrund der letzten zehn Minuten siegte Traunstein in Kirchanschöring glücklich, aber letztlich nicht unverdient mit 1:0.
Das sah auch der strahlende Trainer der Derbysieger Jochen Reil so: „Kirchanschöring hatte die Möglichkeit und hat sie nicht gemacht. Ob wir da Glück hatten oder sie Pech, es wäre sicher schwer gewesen für uns zurück zu kommen. Aber sie machen sie eben nicht. Wir haben mehr Möglichkeiten - und machen am Ende auch eine. Das war der Unterschied. Und das ist auch Qualität. Von daher finde ich, dass wir verdient gewonnen haben!“
Kirchanschöring gibt unglückliches Bild ab
Einer der Knackpunkte der Partie war sicherlich die Rote Karte von Kirchanschörings Spielertrainer Karayün – auch wenn der SVK danach noch die eine Riesenchance hatte. Mit seiner eklatanten Disziplinlosigkeit schenkte der neue Mann an der Linie des SVK, der sich hinterher bei Mannschaft und Anhängern dafür entschuldigte, dem SBC die Überzahl – und damit vielleicht erst die Möglichkeit auf die ersten drei Punkte der neuen Bayernliga-Saison. „Das darf mir auf gar keinen Fall passieren.“, befand Karayün.
Nach gleich drei Platzverweisen, von denen jeder für sich extrem dämlich war, müssen sich die Kirchanschöring aber auch generell die Frage nach fehlender Disziplin gefallen lassen. Vor allem, dass der spielende Bayernliga-Trainer in seinem allerersten Spiel wegen einer Tätlichkeit vom Platz fliegt, ist eigentlich ein Narrenstück – und wirft kein gutes Bild auf den Gastgeber. Die bittere Auftaktniederlage im Prestige-Duell gegen den Lokalrivalen aus der Großen Kreisstadt müssen die Gelb-Schwarzen auch sich selbst zuschreiben.