Beinschuss-Direkt: "Dumme Fußballer? Ganz im Gegenteil!

In einem bemerkenswerten Gespräch räumt Freilassing-Trainer Helmut Fraisl mit dem Gerücht, Fußballer hätten nichts auf dem Kasten, auf. Zudem erklärt der 47-Jährige, warum er in manchen Momenten ein echter Spinner ist und gibt einen Einblick ins ESV-Innenleben.
In einem bemerkenswerten Gespräch räumt Freilassing-Trainer Helmut Fraisl mit dem Gerücht, Fußballer hätten nichts auf dem Kasten, auf. Zudem erklärt der 47-Jährige, warum er in manchen Momenten ein echter Spinner ist und gibt einen Einblick ins ESV-Innenleben.
beinschuss.de: Helmut, nach neun Spieltagen seid Ihr Tabllenführer der Bezirksliga Ost. Momentaufnahme oder Dauerzustand?
Helmut Fraisl: Natürlich sind wir mit dem bisherigen Saisonverlauf zufrieden, aber darauf dürfen wir uns nicht verlassen. Wir müssen jedes Spiel mit voller Konzentration und absolutem Willen angehen, sonst hat man im Fußball keine Chance. Wir wollen diese Position natürlich so lange wie möglich verteidigen. Damit will ich aber nicht sagen, dass wir Meister werden müssen. Wir wollen jedes Spiel gewinnen, das ist unser Naturell. Dass das natürlich so nicht umsetzbar ist, weiß ich auch. Aber davon lassen wir uns nicht irritieren.
Also gibt es kein klares Saisonziel?
Fraisl: Doch, das gibt es. Wir wollen uns weiterentwickeln. Das betrifft zunächst die Defensive, wir haben in den letzten Jahren irrsinnig viele Gegentore kassiert.
Woran lag das?
Fraisl: Jeder auf dem Platz muss seine Defensivaufgaben erledigen. Früher hat das nicht so funktioniert, wie ich mir das vorstelle. Heuer läuft das deutlich besser, wir haben nur sechs Gegentore in neun Spielen kassiert.
An welchen Stellschrauben habt ihr gedreht?
Fraisl: Die Defensive beginnt in der Offensive und umgekehrt. Das hat die Mannschaft verstanden und setzt es gut um. Zudem haben wir weniger Verletzte als im Vorjahr und auch an Qualität hinzugewonnen.
Was stimmt dich zuversichtlich, dass ihr auch in Zukunft defensiv stabil agiert?
Fraisl: Wir haben die Fehler der Vergangenheit erkannt, das ist ein Faktor. Der andere ist dieses unglaubliche Kollektiv, über das wir uns definieren.
Worin äußert sich dieses?
Fraisl: Wir sind nicht elf Freunde, wir sind 20 Freunde. Der komplette Kader ist ein eingeschworener Haufen. Alle sind geil auf den Erfolg, jeder zieht voll mit und trägt so seinen Teil zum Erfolg bei. Wir haben zudem die nötige Breite im Kader und dadurch viele Alternativen. Zudem wollen die Jungs alle spielen, entsprechend hoch sind Konkurrenzkampf und Trainingseifer.
Das birgt aber auch Risiken. Wie schaffst du es, dass alle Spieler zufrieden sind. Auch du kannst nur elf Leute aufbieten.
Fraisl: Bis auf wenige Ausnahmen haben wir nur Freilassinger im Team. Einige habe ich vor vielen Jahren noch in der A-Jugend betreut, das ist natürlich ein Vorteil. Alleine die Tatsache, dass viele der Jungs den Abwerbungsversuchen von anderen Vereinen eine Absage erteilt haben, spricht eine deutliche Sprache! Entsprechend hoch sind Zusammenhalt und Identifikation. Das hat viel mit sozialer Kompetenz zu tun!
Was meinst du damit?
Fraisl: Fußballer lernen von der Piecke auf, was es heißt, in einem Team zu funktionieren. Das ist nicht nur auf dem Platz Gold wert.
Sondern wo noch?
Fraisl: Im Berufsleben zum Beispiel. Jeder Arbeitgeber kann sich glücklich schätzen, wenn er Fußballer beschäftigen darf. Das Gerücht, dass Fußballer nichts in der Birne haben, ist in meinem Augen kompletter Blödsinn. Ausnahmen gibt es natürlich auch, wie in allen Bereichen des Lebens. Aber prinzipiell kann man von der Fußballer-Mentalität stark profitieren, wenn man sie annimmt.
Und wenn nicht?
Fraisl: Man stelle sich nur vor, der Arbeitgeber wirft einem leidenschaftlichen Fußballer immer wieder Knüppel zwischen die Beine. Die Arbeitszeiten beißen sich regelmäßig mit den Trainings- oder Spielzeiten. Dann wird der Arbeitnehmer nicht die entsprechende Motivation mit in den Beruf bringen. Hält der Arbeitgeber aber den Spielern den Rücken frei, werden die ihm das mit dem entsprechenden Einsatz am Arbeitsplatz danken. Anders läuft es im Fußball ja auch nicht. Wenn einer für den anderen kämpft und man füreinander einsteht, entwickelt sich ein Kollektiv. Und das gewinnt dann auch die Spiele.
Das klingt gut, geht aber nicht immer auf. Wie verarbeitest du Niederlagen? Die letzte Saison beispielsweise war sehr schwer. . .
Fraisl: Ja, daraus habe ich viel gelernt. Weniger ist manchmal mehr. Wir hatten viele Verletzte und unzufriedene Spieler, da war ich vielleicht zu verbissen. Wir standen täglich auf dem Platz, das war zu viel. Zwar trainieren wir heute auch noch viel, aber mit dem nötigen Spaßfaktor. Wie will ich einem Amateurkicker den Aufwand rechtfertigen, wenn nicht über den Spaßfaktor. Mit deinen Kumpels dem Sport nachgehen, der dir so große Freude bereitet. . . gibts was Geileres?
Wie hast du dich persönlich weiterentwickelt?
Fraisl: Ich bin immer noch sehr detailverliebt und habe auch meine Bodenständigkeit behalten. Aber natürlich bin auch ich älter geworden, damit ruhiger und gelassener.
Man sieht Dich während eines Spiels aber auch in Momenten, da ist nicht viel übrig von Ruhe und Gelassenheit. . .
Fraisl: Ich bin ein emotionaler Mensch, das wird sich auch nicht mehr ändern. Aber auch das ist wichtig. Wenn wir ein unnötiges Gegentor kassieren, muss ich das auch ansprechen. Da bin ich ein bisschen ein Spinner, das ist mir schon bewusst.
Und das soll sich auch nicht ändern! Vielen Dank für das Gespräch.