Zur Not ein Pfiff auf zwei Fingern

Bad Aibling/Rosenheim - Seine Kufen sind so scharf wie sein Pfiff. Wird gefoult, so spricht er mit der Trillerpfeife ein Machtwort. Dann werden selbst wilde Spieler zahm.
Franz Josef Trainer gilt als Kult-Schiedsrichter im deutschen Eishockey. Nun hängt er Schlittschuhe und Pfeife an den Nagel. Nach 26 Jahren. Eine selten lange Zeitspanne.
Bei seinem Abschiedsspiel in Bremerhaven (2. Bundesliga) wurde der 49-Jährige von der Eishockeyszene mit Lob, Erinnerungspräsenten und goldene Nadel des DEB (Deutscher Eishockey-Bund) überschüttet.
Kuriosum: Die beiden Linienrichter Florian Fröhlich (Rosenheim) und Stefan Velkoski (Mühldorf) hatten klammheimlich seine erste Schiedsrichterkleidung besorgt. Die sollte er fürs Abschiedsspiel überstreifen. Dafür wurde extra eine Ausnahmegenehmigung eingeholt.
Die Jacke "lag etwas eng an", gestand Franz Josef Trainer. Aber eine gewisse Spannung muss ja sein - auch in der letzten Partie, seiner 1650. Zuschauer und DEB-Präsident Uwe Harnos applaudierten einem der beliebtesten und souveränsten Schiedsrichter in der Ober- und 2. Bundesliga. Eine Ehrenrunde war da obligatorisch.
Wer hätte sich dies alles vor 26 Jahren vorgestellt? Der Betroffene am wenigsten. Damals musste er zu seinem Glück gezwungen werden. Er treffe tolle Leute beim Schiedsrichter-Lehrgang und gefeiert werde auch, schmeichelte sein Vater. "Du kriegst neue Schlittschuhe und eine Dauerkarte fürs Rosenheimer Eishockey", lockte er.
Den Deal hatte er mit Heinz Pohl vom damaligen EV Rosenheim eingefädelt. Vereine mussten eine bestimmte Anzahl Schiris stellen, ansonsten drohten Verbandsabgaben. So wurde Franz Josef Trainer ein Rosenheimer bis 1995, erst dann wechselte er zum Heimatverein EHC Bad Aibling.

Nach erfolgreichem Lehrgang war er zwei Jahre todunglücklich. Am liebsten waren ihm Spiele, die er nicht pfeifen musste. Ausgerechnet bei einer TV-Übertragung wurde er dann als Linienrichter eingesetzt. "Ich kam mir richtig blöd vor, alles verschwamm, keine Regel mehr im Kopf." Irgendwann machte es aber "klick" und der Aiblinger startete als Hauptschiedsrichter durch.
Wie beurteilt er sich selbst in dieser Funktion? "Ich habe versucht, immer menschlich zu sein, aber stets konsequent", erklärt er. Den Spielern den kleinen Finger reichen "ja", die ganze Hand aber verweigern.
Auch den besten Unparteiischen ereilen kleine Pannen. In einem Zweitligaspiel setzte der Aiblinger die Pfeife an den Mund - dachte er, aber da war nichts. Pfeife und Ersatz hatte er in der Kabine vergessen. Notpfiff also auf zwei Fingern. Auch passiert: Die Pfeife (per Halterung an Zeige- und Mittelfinger) flog beim ersten Armschwung quer über die Eisfläche - zu locker befestigt.
Folge: Feixen der Zuschauer. So was aber muss ein Referee wegstecken, wie auch Tumult auf Eis und Tribüne. Mit jedem Mal werde man routinierter, verrät Franz Josef Trainer, so auch gegen Schmähgesänge. "Die berühren nicht wirklich, weil man den Inhalt bei einer grölenden Masse gar nicht versteht, nur das Skandierte hört." Und das sei für ihn immer wie Musik gewesen. "Es hat mich zusätzlich motiviert."
Abergläubisch sei er nicht, sagt der 49-Jährige - und verrät doch, dass er sich vor jedem Spiel immer erst den rechten Schlittschuh angezogen habe. Eisernes Ritual. Falls doch mal vergessen, wurde die gesamte Arbeitskleidung wieder ausgezogen und das Spiel um einige Sekunden später angepfiffen.
Eine schwere Verletzung in Kassel bedeutete 2006 fast das Aus. Ein Schlägerblatt verfing sich unglücklich in seinen Kufen, als der Spieler zum Schuss ausholte. Dreifacher Bruch des Fußgelenks, OP, Schrauben und Platten als Stabilisator im Fuß, zehn Wochen Zwangspause.
Dann erste Gehversuche auf dem Eis, Kollegen als Mutmacher, darunter der ehemalige DEL-Referee (Deutsche Eishockey Liga) und jetztige Schiedsrichter-Obmann, Gerhard Lichtenecker (Beyharting). Der setzte ihn wieder bei Top-Spielen ein. Das richtige Rezept, um zurückzukommen. Denn: "Alles ist letztendlich eine Kopfsache."

Eine einzige brenzlige Episode gibt's im Eishockey-Leben von Franz Josef Trainer. In Freiburg, aus einer Zeit, wo es kaum Handys gab. "Ich fahr dir nach auf der Autobahn, dräng dich ab in den Graben, schlag dir dann den Schädel ein", bedrohte ihn ein Hooligan. Mulmige Situation für die drei Schiedsrichter, die gemeinsam im Auto nach Hause fuhren. Über 30 Kilometer wurden sie verfolgt, dann konnten sie den Mann austricksen und in eine Ausfahrt abbiegen - als der Verfolger sie gerade wieder "auf Tuchfühlung" überholte.
Wie verschafft man sich Autorität sowie Respekt auf dem Eis und bleibt dennoch beliebt? "Immer unauffällig sein, aber stets präsent", so der 49-Jährige, der vom Alter her noch ein Jahr hätte dranhängen können, den Schlusspunkt aber selbst bestimmen wollte.
Dem Eishockey bleibt er indes erhalten: Als Schiedsrichter-Beobachter, einer von dann bundesweit 26. Zuletzt zog er mit Obmann Lichtenecker von Spiel zu Spiel, "um zu lernen". Und wird künftig auch Partien mit Starbulls-Beteiligung unter die Lupe nehmen - als Schiedsrichter war ihm der Einsatz folgerichtig verwehrt.
Elke Wrede-Knopp (Oberbayerisches Volksblatt)