Ancelotti: Wir denken über Lewandowski-Ersatz nach

München - Ein gutes halbes Jahr führt Carlo Ancelotti schon das Zepter an der Säbener Straße. Nun hat sich der Trainer des FC Bayern in einem großen Interview zu den aktuellen „Baustellen“, zu einigen Personalien und zur Taktik des Rekordmeisters geäußert.
Druck ist ein internationaler Meistercoach wie er ohnehin gewöhnt. Kein Wunder also, dass sich Carlo Ancelotti trotz der großen Erwartungshaltung rundum wohl fühlt beim FC Bayern. Er freut sich über seine „professionellen Spieler“, außerdem „ist die Stadt schön, die Leute respektieren dich“, schwärmt der 57-Jährige im Interview mit dem kicker: „Insgesamt ist es bisher eine gute Zeit.“
Ancelotti: „Müssen vertikaler und direkter in die Spitze spielen“
Bislang hat der Italiener auch alle gesteckten Ziele erreicht: Der FC Bayern führt die Bundesliga-Tabelle an und ist sowohl im DFB-Pokal als auch in der Champions League noch gut im Rennen. Trotzdem gab es in der Hinrunde auch einige Kritikpunkte. Unter Ancelotti spiele der FC Bayern nicht mehr so dominant und ansehnlich wie zuletzt unter Pep Guardiola, außerdem nehme Ancelotti die Stars im Training nicht richtig ran, so die gängigsten Vorwürfe.
„Unser Spiel an sich können wir verbessern - und das werden wir in der Rückserie, davon bin ich überzeugt. (...) Allmählich müssen wir vertikaler und direkter in die Spitze spielen. Ballbesitz allein reicht nicht“, nimmt Ancelotti seine Profis in die Pflicht. Ansatzpunkte sieht der Italiener vor allem in der Offensive. „Manchmal verlieren wir noch Zeit, um sofort anzugreifen und finden nicht die richtige Position, weil wir sehr viele Spieler in Ballnähe schieben, sodass wir nicht genügend Spieler haben, die für die Attacke frei sind.“
Die Trainingsintensität beim Rekordmeister findet der Coach aber in Ordnung. „Die meisten Einheiten mache ich mit Ball, ich mag es nicht, viel ohne Ball laufen zu lassen. Dennoch laufen meine Spieler in einer normalen Einheit im Schnitt 6000, 7000 Meter. Das ist genug. Ich bin kein Trainer, der seine Spieler im Training killt.“ Am wichtigsten sei ohnehin die richtige Dosierung: „Man kann hart trainieren, muss aber dem Körper die Möglichkeit zur Erholung geben.“
Mit dem 4-2-3-1 scheint Ancelotti nun auch das richtige System für seine Mannschaft gefunden zu haben und will es in der Rückrunde beibehalten. Ob in dieser Formation Thomas Müller oder Thiago die Position hinter Mittelstürmer Robert Lewandowski einnimmt, will Ancelotti von Fall zu Fall entscheiden. Von beiden schwärmt er in den höchsten Tönen: „Thiago kann alles, 6, 8, 10, und überall im Mittelfeld spielen.“ Er lasse dem Spanier alle Freiheiten, denn: „Thiago ist einer der besten Mittelfeldspieler der Welt.“
Und bei Müller lässt der Trainer überhaupt keine Zweifel aufkommen, trotz der aktuellen Torflaute des Fanlieblings. „Mit seiner Spielweise bin ich sehr zufrieden, er ist ein sehr intelligenter Spieler.“ Müller arbeite immer gut für die Mannschaft, sei auf die Taktik fokussiert und befolge Ancelottis Anweisungen. „Thomas ist absolut seriös, professionell, ein totaler Teamplayer. Niemand im Klub bereitet Müllers Situation Kummer. Für uns ist er mehr ein Mannschaftsspieler als ein Top-Torjäger.“
Lewandowski-Ersatz? „Haben noch Zeit, darüber nachzudenken“
Die Rolle des Dauerknipsers nimmt beim FC Bayern bekanntlich Robert Lewandowski ein. Dass der Kader keine adäquate Alternative hergibt, sollte der Pole mal ausfallen, bereitet auch Ancelotti etwas Sorgen. „Thomas kann da spielen. Aber die wichtigste Aufgabe in unserem Job ist die Vermeidung von Verletzungen“, antwortet Ancelotti auf die Frage nach einem möglichen Ersatz.
Zwar werde der Rekordmeister nach den Verpflichtungen von Sebastian Rudy und Niklas Süle - beide wechseln im Sommer von 1899 Hoffenheim nach München - nicht mehr groß auf dem Transfermarkt tätig werden, so Ancelotti. Doch offenbar ist die Verpflichtung eines weiteren Stürmers als Lewandowski-Alternative für die nächste Saison eine mögliche Option. „Wir haben noch Zeit, darüber nachzudenken“, drückt sich Ancelotti vorsichtig aus.
Lob für Sanches - und ein bisschen Sorge
Sorgen macht dem erfahrenen Coach die Entwicklung von Renato Sanches, der im vergangenen Sommer an die Säbener Straße wechselte, aber bislang noch nicht einschlug. Ancelotti sieht Integrationsprobleme beim portugiesischen Youngster: „Es liegt an der neuen Sprache, am neuen Land, am neuen Klub, der neuen Mannschaft. Und er ist sehr jung. wir müssen etwas Geduld mit ihm haben. Die zweite Saisonhälfte wird besser für ihn laufen.“ Zweifel an der Qualität des 19-jährigen Europameisters hat er aber nicht: „Ich habe nicht viele Mittelfeldspieler mit dieser Power gesehen. Aber diese Wucht müssen wir in die richtige Bahn lenken.“

Der Italiener hofft zudem auf eine Fortsetzung der Karriere seines Kapitäns Philipp Lahm. "Ich habe ihm gesagt, dass ich mir wünsche, dass er bis zum Ende seines Vertrages 2018 weiterspielt. Er ist fit und hat keine Probleme. Philipp könnte der neue Paolo Maldini werden. Er könnte ohne Probleme bis 40 spielen."