Mainz - Fast alle Mann an Bord, volle Kraft voraus - und bloß kein Jammern wegen des ungeliebten Kunstrasens: Mit 22 Spielern seines Kaders hat Bundestrainer Joachim Löw den Countdown für den Showdown in Moskau eingeläutet.
Nur die Stuttgarter Sami Khedira und Serdar Tasci sagten verletzungsbedingt am Montag kurzfristig ab. Der gerade noch rechtzeitig genesene Kapitän Michael Ballack startet aber mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Mainz in die Woche der Wahrheit - an deren Ende das Ticket für die WM 2010 in Südafrika gebucht sein soll.
“Wir sind zuversichtlich, dass wir uns direkt für die WM qualifizieren, weil wir heiß auf die Partie sind, uns gut vorbereiten und das nötige Ergebnis in Moskau erzielen werden“, erklärte Ballack auf der Internetseite des Weltverbandes FIFA (www.fifa.com) vor der für den Gruppensieg maßgeblichen Partie am Samstag (17.00 Uhr/ZDF) bei Verfolger Russland.
Nach einem ersten eindringlichen Einschwören seiner Reisegruppe im Teamhotel bittet Löw am Dienstagmorgen zum Premieren-Training auf dem Mainzer Kunstrasenplatz, der dem Plastik-Grün im Luschniki-Stadion gleicht und die DFB-Auswahl somit im Schnellverfahren an Moskauer Verhältnisse gewöhnen soll. “Wir werden mit voller Konzentration, Energie und Einsatz in die Partie gehen. Der Kunstrasen darf keine Ausrede sein. Wir müssen uns auf die Rahmenbedingungen einstellen“, forderte Ballack.
Chefcoach Löw ist ebenfalls bemüht, die diffizile Rasen-Thematik herunterzuspielen. “Das ist inzwischen ein unwichtiger Aspekt“, sagte er. Vorfreude und Anspannung wachsen bei Löw vor der auch für ihn wichtigsten Partie seit dem gegen Spanien (0:1) verlorenen EM- Endspiel 2008. “So ein Finale ist einfach ein Highlight“, sagte Löw.
Eine absolute Fokussierung auf das Spiel des Jahres fordert der Coach von seinen Akteuren, aber auch dem gesamten DFB-Tross. Die sonst üblichen Werbetermine rund um die Stars des EM-Zweiten wurden abgesagt, Pressekontakte minimiert. Ganze vier Tage bleiben dem Bundestrainer, um sein Team Kunstrasen-kompatibel zu machen. Immerhin der Fitnesszustand seines Personals bereitet dem 49-Jährigen kein größeres Kopfzerbrechen. Käpt'n Ballack ist nach zwei Wochen Pause wegen Wadenproblemen wieder zurück und hielt der Belastung im Chelsea-Härtetest gegen Liverpool (2:0) wie erhofft 90 Minuten stand.
Der Hamburger Piotr Trochowski ist von einer Grippe genesen. Nur Khedira wegen einer Überlastungsreaktion am rechten Fuß und Tasci wegen Knieproblemen müssen passen. Während Mittelfeldakteur Khedira für beide Ausscheidungsspiele absagte, kann Tasci wegen seines geschwollenen Gelenks drei bis vier Tage nicht trainieren. Ob er im Laufe der Woche zur Mannschaft stoßen wird, war am Montag noch offen. In Neuling Jérome Boateng steht ein Ersatz für Tasci, der im letzten WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan (4:0) nicht mehr in der Startelf stand und auch bei voller Fitness gegen Russland kaum erste Wahl gewesen wäre, als Ergänzungsspieler im Kader schon parat. Löw verzichtet auf eine Nachnominierung, teilte der DFB mit.
Die Torwartfrage hat Löw mit der Benennung von René Adler als Ersatz für den erkrankten Robert Enke frühzeitig entschieden. “Neben der Vorfreude ist natürlich auch schon jetzt eine gewisse Anspannung da. Ich bin mir der Bedeutung der kommenden Tage bewusst. Doch bei aller Konzentration steht bei mir über allem, dass es eine Ehre und Auszeichnung ist, in so wichtigen Länderspielen für Deutschland auflaufen zu dürfen“, sagte Adler auf der DFB-Homepage (www.dfb.de).
Für alle anderen Mannschaftsteile muss der Bundestrainer aber noch Antworten finden. Spielt Philipp Lahm in der Defensivkette rechts oder links? Wer verteidigt zentral neben Per Mertesacker? Wer darf im erwarteten 4-2-3-1-System neben Ballack auf der gegen die spielfreudigen Russen eminent wichtigen Sechser-Position ran? Und wohl am brisantesten: Welcher Mittelstürmer soll die Tore zum Sieg schießen, der das direkte Südafrika-Ticket bringen würde? Miroslav Klose und Mario Gomez geben beim FC Bayern seit Wochen keine gute Bewerbung um den einzigen Platz in der Sturmzentrale ab. In Moskau soll zumindest bei einem von beiden der Knoten platzen, hofft Löw.