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Strindberg als biederes Kunstgewerbe

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Liv Ullmann findet in ihrer Verfilmung von „Fräulein Julie“ keinen eigenen Zugang. Die ausführliche Filmkritik:

Für jede Schauspielerin ist Strindbergs „Fräulein Julie“ eine Paraderolle. Man kann’s der großen Liv Ullmann nicht verdenken: Wenn ihr schon der Traum verwehrt blieb, sie zu spielen, will sie wenigstens inszeniert haben. Doch jenseits des Schauspielerischen fehlt der Regie der Bergman-Muse eine entschiedene Sicht auf diese „naturalistische Tragödie“: Der Film erweckt die Macht- und Liebesspiele zwischen Grafentochter und Bedienstetem weder im konkreten geschichtlichen Kontext zum Leben, noch gewinnt er heutige Distanz. Texttreu wahrt er weitgehend die Einheit von Zeit und Ort des Drei-Personen-Stücks.

Wohl den englischsprachigen Stars zuliebe verlegt Ullmann das Drama von Schweden nach Irland, ohne es richtig anzupassen. So feiert man in Irland Midsommar, redet von Trollen und protestantischen Vorstellungen von Gnade.

Was der Film einer Theateraufführung voraus hat, sind die Großaufnahmen. Und bei Jessica Chastain in der Titelrolle ist das ein Geschenk. Chastain ist phänomenal, ringt jeden Tropfen an Verführung und Verzweiflung mit tiefster, furchtloser Wahrhaftigkeit aus der Figur. Bei jedem Umschnitt auf Colin Farrell ist man jedoch sofort zurück auf respektablem Stadttheater-Niveau, bei bloßem Spiel. Samantha Morton dagegen holt alles aus der undankbaren Rolle der Köchin heraus.

Schlimm wird’s, wo der Film sich an Eigenständigkeit versucht: Der psychologisch reduktionistische Prolog und der den Tod übel romantisierende Epilog sind mit solch kunstgewerblicher Biederkeit bebildert, dass dazu selbst der gnadenlose Schubert nach Kitsch klingt. Und sie zeigen, dass der Film in seiner Sicht auf Frauenkörper und Frauenpsyche nicht entscheidend über das unselige „Femme fatale“-Denken des 19. Jahrhunderts hinauskommt.

von Thomas Willmann

„Fräulein Julie“

mit Jessica Chastain, Colin Farrell und Samantha Morton Regie: Liv Ullmann Laufzeit: 129 Minuten

Dieser Film könnte Ihnen gefallen, wenn Ihnen bei Ihrem Theater-Abo schon zu lang kein Strindberg mehr dabei war.

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