Polizeiruf: Väter und Söhne, Arbeit und Sauna

Der Rostocker Polizeiruf in der ARD ist überladen, aber mit großen Momenten. Die TV-Kritik.
- Polizeiruf 110 mit Charly Hübner
- Das Verquere und Verzweifelte gehört zu „Söhne Rostocks“
- Der Anfang weckt zu große Erwartungen
Die Lieblingsszene betrifft gar nicht die Hauptfiguren, die sich derweil weiterhin an ihrer vermurksten Lebensplanung und/oder ihrem Vater abarbeiten, sondern ganz bescheiden den Chef. Charly Hübner, der das Einschalten im Grunde schon lohnt, wenn er die Karte seiner Präsenz so beiläufig ausspielt wie diesmal, hetzt als Ermittler Bukow durch Rostock auf der sorgenvollen Suche nach einem verschwundenen jungen Typen. Da kommt ihm sein Chef Henning entgegen, Uwe Preuss. Bukow, für seine Verhältnisse relativ angespannt – der Typ so jung, so labil und nicht der hellste –, ist etwas überrascht.
Der Chef ist ebenfalls etwas überrascht, und als Bukow erklärt, sie suchten den Jungen, muss Henning sich erstmal orientieren. Der Chef kommt nämlich aus der Sauna. Sehr entspannend, so ein Saunabesuch nach Feierabend. Man kann sich das gut vorstellen. „Macht nicht mehr so lang“, sagt der Chef. Dabei ist Henning auch kein Faulpelz.
TV-Kritik (ARD): „Polizeiruf 110“ - Eine schicksalhafte Angelegenheit im Polizeiruf
In so einer Szene erkennt man sich entweder als die Person, die in der Sauna war, oder als die Person, die noch mitten in der Arbeit steckt, oder aber man weiß überhaupt nicht, was diese Szene bedeutet. Alle drei Positionen sind umso interessanter, als weder der Drehbuchautor Markus Busch noch der mit ambitionierten Bildern (Perspektiven und Schnitten) antretende Regisseur Christian von Castelberg das werten oder kommentieren.
Es ist, wie es ist und bloß eine kleine Seitenlinie im neuen „Polizeiruf 110“ aus Rostock, in dem das Thema Arbeit eine Rolle spielt. Ein Glücksritter hat sein Geld nämlich ausgerechnet mit einer Zeitarbeitsfirma gemacht. Hier hält ihm eine offenbar verlässliche Mitarbeiterin nebenbei den Rücken frei, während er großen Mist baut und alles aufs Spiel setzt, was er sich aufgebaut hat (wie man so sagt).
TV-Kritik (ARD): „Polizeiruf 110“ - Ein Polizeiruf über Vater und Sohn
Außerdem ist es allerdings auch ein „Polizeiruf“ über Vater und Sohn. Hierbei handelt es sich um eine schicksalhafte, allerdings psychologisch nicht sehr komplexe Angelegenheit: Der Vater will vom Sohn nichts wissen (tatsächlich wusste er auch 17 Jahre lang nichts vom ihm), der Sohn hingegen will von seinem Vater bemerkt und vermutlich geliebt werden und schlägt auch seine Mutter, damit diese ihm endlich den Namen des Vaters nennt – ich sag mal: keiner im Film nimmt ihm das krumm, dem armen, sensiblen Jungen.
Auch der Vater, der einst smarte, während der Polizeiruf-Handlung nun verhetzte Zeitarbeitsfirmengründer, ist zudem durchaus der Typ, der einer penetranten fremden Frau eine runterhaut. Das Unerquickliche und Gescheiterte, das Verquere und Verzweifelte gehört zu „Söhne Rostocks“ unbedingt dazu. Es wird von Katharina Behrens als wackere, aber traurige Mutter, von Tilman Strauß als Windei und von Oskar Belton als wie programmierter Vatersucher beglaubigt. Schwieriger ist, dass der Eindruck mitschwingt, es könnte zu etwas führen, wenn der Sohn den Vater bloß endlich fände.
„Polizeiruf 110“ (ARD): Anneke Kim Sarnau ist abgelenkt
„Polizeiruf 110: Söhne Rostocks“, ARD, Sonntag, 19.1.2020, 20.15 Uhr.
Einen weiteren Todesfall und einen veritablen Mordversuch später (an einem schurkischen Kapitalisten) ist es so weit. „Jon hat jetzt endlich seinen Vadder“, sagt Bukow friedlich. Nicht nur tritt aber darüber der eigentliche Kriminalfall mehr in den Hintergrund bzw. den Nebel des Unübersichtlichen, als er es verdient hat. Es ist auch ein bisschen harmlos. Vielleicht hat das damit zu tun, dass Bukows grundsätzlich nie unkomplizierte Kollegin König, Anneke Kim Sarnau, durch einen anderen Schurkenstreich abgelenkt ist.
Als Paar, das kein Paar ist, gehören den beiden süße, witzige, unwiderstehliche Filmminuten. Der Anfang von „Söhne Rostocks“ ist im übrigen rasant und weckt vielleicht zu große Erwartungen.
Von Judith von Sternburg
Einer anderen Folge des „Polizeiruf 110“ in der ARD* bescheinigt unsere Autorin eine Menge Ambitionen.
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