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Kinokritik zu "Wild Tales - Jeder dreht mal durch!"

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Romina (Erica Rivas) und Ariel (Diego Gentile) machen in "Wild Tales - Jeder dreht mal durch!" gute Miene zum bösen Spiel. © Prokino Filmverleih

Der Episodenfilm „Wild Tales“ erzählt in qualitativ sehr unterschiedlichen Geschichten von menschlichen Abgründen hinter den Fassaden.

Es beginnt ganz rasant. Eine Frau hetzt durch den Flughafen. Im Flieger herrscht fröhliches Gedrängel. Die Passagiere kommen ins Gespräch, es wird grotesk. Eine Komödie ohne Zweifel. Die Dialoge sind witzig, originell, die Figuren schräg und die rasche Auflösung überaus verblüffend. Schon aus diesem Grund wird sie an dieser Stelle nicht verraten.

So viel aber sei gesagt: „Wild Tales“ ist ein Episodendrama und der argentinische Beitrag für den besten fremdsprachigen Film bei der diesjährigen Oscar-Verleihung. Insgesamt sechs Geschichten erzählt Damián Szifrón. Sie alle offenbaren Abgründe, und dennoch ist keine mit den anderen vergleichbar. Womit wir die Crux des Episodenfilms an sich bereits offengelegt hätten. Der Zuschauer weiß nie, was ihn als nächstes erwartet. Das kann die Spannung heben – oder in den Keller purzeln lassen. Anders als in Kurzgeschichtenbänden, bei denen der Leser eine öde Erzählung einfach überblättern kann, ist der Kinobesucher dazu gezwungen auszuharren, wenn es zwischendrin unerträglich wird. Oder er verlässt den Saal und verpasst womöglich den nächsten Knaller.

Bei „Wild Tales“ ist beides möglich, denn die einzelnen Sequenzen unterscheiden sich in Inhalt und Raffinesse so stark, dass mancher zwischen Euphorie und Verachtung schwanken wird. Zumindest in Sachen Ausstattung und Bildqualität sind alle Episoden top. Liebevoll gestaltete Interieurs und Landschaftsbilder von klassischer Grandezza markieren genau die Kluft zwischen Optik und Inhalt, die dem Regisseur, der zugleich das Drehbuch geschrieben hat, offensichtlich so wichtig sind. Vor herrlicher Bergkulisse liefern sich zwei Autofahrer einen – völlig unnötigen – Zweikampf. Eine Traumhochzeit endet in einer riesigen Rauferei.

Einigen der Episoden gelingt es, die hochglanzpolierten Fassaden, hinter denen sich alle Welt zu verstecken sucht, niederzureißen und das Menschliche dahinter freizulegen. Andere wiederum – Stichwort: Autofahrer – evozieren nur Schadenfreude und Sadismus und bleiben damit dem gesellschaftlichen „Mainstream“ auf traurige Weise verhaftet.

von Katrin Hildebrand

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