Italien leidet unter dem Coronavirus: Sterberate ist erschreckend hoch

Warum sterben ausgerechnet in Italien so viele Menschen an Covid-19? Es gibt Vermutungen.
- Italien ist nach China am schwersten von der Corona-Pandemie betroffen - unser News-Ticker
- Coronavirus Sars-CoV-2* verbreitet in Italien Angst und Schrecken
- Die Sterberate in Italien ist um ein Vielfaches höher als in Deutschland und anderen Ländern
Wohl kaum jemand hätte sich zu Jahresbeginn vorstellen können, solche Bilder in solchen Mengen zu sehen – und das aus einem europäischen Land: Medizinisches Personal in weißen Schutzanzügen, mit Masken und Brillen im Gesicht, verzweifelt um Menschenleben kämpfend. Szenarien, die an Katastrophenfilme wie „Outbreak“ erinnern. Doch sie stammen aus italienischen Kliniken.
Wie kein anderes Land außerhalb Chinas hat die Corona-Pandemie Italien getroffen. Laut den Zahlen der Johns Hopkins Universität waren Stand 19.03. (09.53 Uhr) in Italien 35.713 Menschen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 infiziert, 2978 sind an den Folgen der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben. In Deutschland waren zum gleichen Zeitpunkt laut Hopkins-Universität 12.327 Menschen infiziert und 28 gestorben.
Coronavirus Sars-CoV-2: Sterberate in Italien ist erschreckend hoch
Erschreckend ist in Italien nicht allein die große Zahl der Menschen, die sich mit dem Coronavirus angesteckt haben, sondern auch die hohe Todesrate, also der Prozentsatz der Infizierten, die an der Erkrankung sterben. Sie beträgt dort derzeit 8,3 Prozent und fällt damit noch höher aus als in der chinesischen Provinz Hubei, wo die Pandemie ihren Ausgang nahm. Dort lag sie bei 4,6 Prozent, was schon ein sehr hoher Wert ist. In Deutschland liegt die Mortalität mit 0,23 Prozent sehr niedrig; sie fällt damit nur knapp höher als bei der Influenza aus.

Warum sterben ausgerechnet in Italien so viele Menschen an Covid-19? Das lässt sich bislang nicht eindeutig sagen. Wohl aber gibt es Vermutungen. Ein wichtiger Grund für die hohe Todesrate könnte sein, dass die Bevölkerung in Italien im EU-Vergleich überdurchschnittlich alt ist und sich auch besonders viele ältere Menschen infiziert haben.
Ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe, weil ihr Immunsystem nicht mehr so gut arbeitet und sie oft noch Grunderkrankungen haben. Die medizinische Fachzeitschrift „Jama“ aus den USA hat eine Statistik veröffentlicht, wonach (Stand 15. März) 35,6 Prozent der Infizierten in Italien zwischen 70 und 79 Jahre alt sind, 42,7 Prozent zwischen 80 und 89 sowie 9,6 Prozent 90 und älter sind. Das Risiko, an der Erkrankung zu sterben, steigt ab 70 auf knapp zehn Prozent, bei über 80 liegt es bei 18 Prozent.
Coronavirus Sars-CoV-2: Zahl und Art der Tests könnte bei der Sterberate eine Rolle spielen
Doch das Alter dürfte nicht die einzige Ursache sein. Auch die Zahl und Art der Tests könne eine Rolle spielen. So wurden im Verhältnis wesentlich weniger Menschen als in Deutschland getestet, zudem werden in Italien auch Todesfälle auf das Coronavirus untersucht – beides erhöht in der Statistik die Sterberate.
Etliche Wissenschaftler werfen aber auch der italienischen Regierung vor, die Gefahr lange dramatisch unterschätzt zu haben. In Italien wurden bereits am 29. Januar die ersten Fälle bei zwei chinesischen Touristen entdeckt, woraufhin lediglich Flügen aus China die Landeerlaubnis entzogen wurde.
Im „Jama“-Magazin äußert der Epidemiologe Christian Althaus von der Universität Bern die Vermutung, dass der Ausbruch in Italien bereits Anfang Januar begonnen hat, als die Welt das Virus noch allein in China wähnte. Der italienische Gesundheitsforscher Nino Cartabellotta bekräftigt diese Theorie: Bereits Monate vor der bestätigten Epidemie hätten Kliniken von einer ungewöhnlich hohen Zahl an Lungenentzündungen berichtet.
Coronavirus Sars-CoV-2: Italienisches Gesundheitssystem wurde überrollt
Nach Ansicht der Experten gab das zögerliche Handeln dem Virus die Gelegenheit, sich unbemerkt zu verbreiten, begünstigt durch dessen Eigenschaft, erst Tage nach der Infektion Symptome auszulösen. Und als dann auf einmal viele Menschen schwer erkrankten, wurde das italienische Gesundheitssystem schier überrollt.
Krankenhäuser, die normalerweise zwei oder drei Fälle von Lungenentzündungen behandeln, hätten plötzlich mit 40 am Tag zu tun gehabt, veranschaulicht es Gesundheitsforscher Franceso Longo von der Bocconi Universität Mailand. Verschärfend wirkt sich auch eine im EU-Durchschnitt niedrige Bettenkapazität aus. In Deutschland stehen pro 100.000 Einwohnern 800 Betten zur Verfügung, in Italien dagegen nur 318, bei den Intensivbetten fällt die Differenz noch größer aus.
Von Pamela Dörhöfer
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