Die Lawine, die aus Eis- und Geröllmassen bestand, hatte unfassbare Ausmaße. Laut Experten löste sich das Sérac auf einer Länge von 200 Metern. Es hatte eine Breite von etwa 80 Metern und eine Höhe von etwa 60 Metern. Die Eis- und Felsmassen stürzten dabei mit einer Geschwindigkeit von über 300 Stundenkilometern in die Tiefe und stoppten erst nach rund eineinhalb Kilometern knapp oberhalb eines dort gelegenen Stausees. Es blieb ein Trümmerfeld von über 15 Metern Höhe, das auch für die Rettungskräfte weiterhin eine große Gefahr darstellt. Denn bei den derzeit vorherrschenden Temperaturen könnten sich jederzeit unvermittelt weitere Lawinen lösen, hieß es von vor Ort.
Séracs sind übrigens Türme aus Gletschereis, die sich an den Abbruchkanten zu stärkeren Hangneigungen von Gletschern bilden. Sie entstehen durch das Zusammenwirken von Längs- und Querdehnung und treten daher meist zusammen mit oder nahe bei Längs- und Querspalten auf. Séracs können bei den höchsten Bergen des Himalaja Höhen von mehr als 200 Meter erreichen. Bei Bergsteigern sind sie gefürchtet, da sie unvorhergesehen einstürzen können – wie eben jetzt an der Marmolata geschehen.
Nach dem Unglück, das sich am frühen Sonntagnachmittag gegen 13.45 Uhr ereignet hatte, wird die Suche nach weiteren Toten und Vermissten vornehmlich aus der Luft fortgesetzt – und zwar mit Hubschraubern und Drohen, die mit Infrarotkameras bestückt sind.
Derweil ist auch klar, dass die Menschen, die bei dem Unglück verletzt wurden, nicht von der Lawine direkt mitgerissen, sondern von der daraus resultierenden Druckwelle herumgeschleudert wurden. Außerdem berichten diverse Medien, unter anderem der Fernsehsender n-tv, dass sich unter den bis dato sieben bestätigten Todesopfern auch ein Kind im Grundschulalter, vermutlich 9 Jahre alt, befinden soll. Woher die Toten genau stammen, haben die zuständigen Behörden bisher nicht bekannt gegeben.
Die italienischen Rettungskräfte suchen nach der tödlichen Gletscher-Lawine in den Dolomiten auch am Dienstag (5. Juli) nach 13 Vermissten. Zuvor war von 14 Vermissten die Rede, doch ein Mann konnte nun gefunden werden: Das österreichische Konsulat habe einen vermissten Landsmann kontaktieren können, teilten die Behörden des Trentino am Montagabend mit. Ob er am Unglückstag auf dem Berg war und sich selbst in Sicherheit brachte, war einem Sprecher zufolge zu diesem Zeitpunkt nicht klar.
Acht Menschen wurden laut Maurizio Fugatti, Regionalpräsident von Trentino-Südtirol, verletzt. Unter ihnen sind auch ein 67 Jahre alter Mann und eine 58-jährige Frau aus Deutschland, die in eine Klinik in der Provinz Belluno gebracht wurden, wie das Krankenhaus mitteilte. Die Behörden suchten am Montag weiter nach den Haltern von vier Autos mit ausländischen Kennzeichen – darunter auch ein deutsches. Diese parkten auf dem Stellplatz, den in der Regel die Bergsteiger nutzen, die Richtung Marmolata-Gipfel wandern.
Nach dem Unglück in den Dolomiten könnte es jetzt Wochen oder sogar noch länger dauern, bis alle Toten am Hang des Marmolata-Massivs gefunden und geborgen werden. Das sagte Maurizio Dellantonio, der Präsident der italienischen Bergrettung. Er erklärte, dass nach dem Gletscherbruch riesige Mengen an Eis und Gestein in Fels- und Gletscherspalten gerutscht seien. Die Felsspalten sollten noch im Sommer freigelegt werden, auch dank des schmelzenden Eises, sagte er voraus.
„Falls aber jemand im oberen Bereich des Berges in Gletscherspalten gestürzt ist, dann wird es schwierig“, sagte Dellantonio. Nach dem Unglück wurden Stand Montagabend (4. Juli) noch 13 Menschen vermisst – es wird befürchtet, dass sie unter den Fels- und Eismassen verschüttet sind. rosenheim24.de hatte bereits berichtet. „Es ist aktuell nicht möglich, zu graben, weil die Masse an Eis sich schon so festgesetzt hat und hart geworden ist“, sagte er. „Das ginge nur mit mechanischem Gerät, aber das können wir nicht hoch bringen“, so Dellantonio.
Weil die Gefahr besteht, dass sich weitere Eisbrocken lösen und abstürzen, dürfen vorerst keine Retter mehr die Flanke des Berges betreten. Mit Drohnen wird nach Leichen und Material gesucht. Das Eis sei teilweise bis zu zehn Meter dick, sagte der Bergretter. Deshalb sei die Lokalisierung und Bergung der Leichen so schwierig.
Am Montagnachmittag hatten die Behörden bekannt gegeben, dass ein siebtes Todesopfer entdeckt und geborgen wurde. „Wir haben ein lautes Geräusch gehört, typisch für einen Bergsturz. Danach sahen wir eine Lawine von Schnee und Eis in hoher Geschwindigkeit in Richtung Tal stürzen und wir wussten, dass etwas Schlimmes passiert ist“, so hatte ein Augenzeuge die schrecklichen Szenen geschildert, die sich am Sonntagmittag (3. Juli) an der Grenze zwischen Südtirol und dem Trentino abgespielt hatten. rosenheim24.de hatte darüber berichtet. Sechs Leichen wurden noch am Unglückstag geborgen, acht weitere kamen zum Teil schwer verletzt in Krankenhäuser. Am Montag (4. Juli) galten noch insgesamt 17 Menschen als vermisst.
Die Marmolata (italienisch Marmolada, ladinisch Marmoleda) ist der höchste Berg der Dolomiten und Teil der Marmolata-Gruppe. Der Gipfel befindet sich genau an der Grenze zwischen den italienischen Regionen Südtirol und Trentino. Die Marmolata ist ein westöstlich verlaufender Gratrücken, der von der Punta Penia über die Punta Rocca und die Punta Ombretta zum Pizzo Serauta und der Punta Serauta führt. Dieser Gratrücken bricht nach Süden in einer geschlossenen, zwei Kilometer breiten und bis zu 800 Meter hohen Steilwand ins Ombrettatal ab. Die auf der Nordseite zum Passo Fedaia vergleichsweise sanft abfallende Flanke trägt den einzigen größeren Gletscher der Dolomiten (Ghiacciaio della Marmolada).
mw