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Dornenkrone von Notre-Dame: Hat Jesus sie wirklich getragen?

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Von: Daniel Geradtz

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Jesu Christi Dornenkrone wurde in der Kathedrale von Notre-Dame aufbewahrt.
Jesu Christi Dornenkrone wurde in der Kathedrale von Notre-Dame aufbewahrt. © dpa / Remy De La Mauviniere

Beim Brand in Notre-Dame konnte die Dornenkrone Jesu Christi in Sicherheit gebracht werden. Doch was hat es mit der wertvollen Reliquie auf sich?

Paris - Die Dornenkrone Jesu Christi ist eine der bedeutendsten Reliquien der katholischen Kirche. Bis zum dramatischen Feuer von Notre-Dame war sie in der Kathedrale aufbewahrt. Wie wohl die meisten Kunstschätze konnte die Dornenkrone vor den Flammen in Sicherheit gebracht werden. Das bestätigte Patrick Chauvet, Direktor der Kathedrale, in der Zwischenzeit. Ursprünglich war berichtet worden, dass Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem die Dornenkrone gerettet hätten. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge, soll der Kaplan Jean-Marc Fournier in die brennende Kathedrale gerannt sein, um die Dornenkrone und andere Reliquien in Sicherheit zubringen. Fournier ist der Seelsorger der Feuerwehr.

“Er ist ein absoluter Held“, zitiert der britische TV-Sender Sky News einen Feuerwehrmann. Weiter sagt er über Kaplan Fournier: „Er hat keine Angst gezeigt. Er ist direkt auf die Reliquien zugegangen, um sicherzustellen, dass sie in Sicherheit gebracht werden.“

Die Löscharbeiten nach dem Feuer in der Kathedrale Notre-Dame wurden am Montagabend intensiv von den Medien begleitet. Anders als bei den Fernsehsendern Welt und n-tv zeigte Das Erste keine Sondersendung. Das ärgerte Ulrich Deppendorf, der bis 2015 das Hauptstadtstudio der ARD geleitet hat.

Notre-Dame: Was ist die Dornenkrone von Jesus?

Die Dornenkrone soll Jesus Christus bei der Kreuzigung am Karfreitag getragen haben. In der Bibel findet sie an verschiedenen Stellen Erwähnung. In den Evangelien nach Matthäus, Markus und Johannes ist überliefert, dass die Krone von römischen Soldaten geflochten und Jesus aufgesetzt worden sei. Die römischen Soldaten statteten ihn mit einem Zepter aus Schilfrohr und einem purpurroten Mantel aus, was eine Verspottung seiner Person war.

Im Evangelium nach Markus heißt es: „Dann legten sie ihm einen Purpurmantel um und flochten einen Dornenkranz; den setzten sie ihm auf und grüßten ihn: Sei gegrüßt, König der Juden! Sie schlugen ihm mit einem Stock auf den Kopf und spuckten ihn an, beugten die Knie und huldigten ihm.“ Mit diesem Verhalten wurde die eigentliche Bedeutung einer Krone ins Gegenteil verkehrt. Die Dornenkrone war das Zeichen der Erniedrigung und kein Zeichen von Macht und Herrschaft.

Dornenkrone von Notre-Dame ist eine „Reliquie zweiter Klasse“

Die Dornenkrone gilt als Reliquie zweiter Klasse. So werden Gegenstände bezeichnet, die Jesus Christus berührt haben soll. Sie wird als Symbol für das Martyrium Jesu Christi gesehen. 

Notre-Dame: Hier waren die Dornenkrone und andere Reliquien untergebracht

Wie kam die Dornenkrone von Jesus nach Notre-Dame?

König Ludwig IX von Frankreich hat die Dornenkrone im 13. Jahrhundert von Balduin II in Konstantinopel erhalten. Die Angaben, wann dies gewesen sein soll, schwanken. Manche Quellen berichten, dass es im Jahr 1237 gewesen sein soll, andere nennen 1238 oder 1239 als Jahre. Um der Reliquie einen standesgemäßen Aufbewahrungsort zu geben, ließ der König zwischen 1244 und 1248 die Sainte-Chapelle in Paris bauen. Sie befindet sich wie die Notre-Dame auf der Seine-Insel Ile de la Cité. Mit der Dornenkrone soll der König auch einen Splitter des Kreuzes erhalten haben, an dem Jesus Christus getötet wurde.

Während der Französischen Revolution (1789-1799) wurden die Reliquien in die Kathedrale Notre-Dame verbracht, wo sie in der Schatzkammer gelagert wurden. Seit 1896 befindet sich die Dornenkrone in einer prunk- und wertvollen Hülle aus Kristall und Gold. Bis zum Brand von Notre-Dame wurde sie immer am ersten Freitag eines Monats und in der Fastenzeit an jedem Freitag ausgestellt.

Lagerte in Notre-Dame in Paris die echte Dornenkrone?

Bei Reliquien wie der Dornenkrone von Notre-Dame kann nicht abschließend bewertet werden, ob es sich um echte Gegenstände handelt. Zur Echtheit von Reliquien sagt Andreas Lotz, Vize-Ordinariatskanzler der Erzdiözese Wien und zuständig für Selig- und Heiligsprechungsverfahren, auf der Website der Erzdiözese Wien: „Mit Reliquien wird heutzutage sehr sorgsam umgegangen. Mittels eines gut geführten Verzeichnisses kann nachgewiesen werden, wer welche authentischen Reliquien erhalten hat.“ Damit solle der Handel mit Reliquien, wie man ihn in früheren Jahrhunderten erlebt hat, verhindert werden. Allerdings: Wurden früher bereits falsche Reliquien in den Umlauf gebracht, scheint es nicht möglich zu sein, dies heute zu korrigieren.

In ihrem Beitrag stellt die Erzdiözese Wien allerdings auch heraus, dass es nicht in erster Linie darum geht, ob eine Reliquie echt ist. Vielmehr geht es darum, welche Bedeutung sie für die Gläubigen besitzt. Auch Heinrich Mussinghoff, emeritierter Bischof von Aachen, erklärte, dass die symbolische Bedeutung im Vordergrund steht: „Die Heiligtümer sind Hilfsmittel, die uns mit Jesus, Maria und Johannes in Verbindung bringen.“

Somit stellt sich für Geistliche und Gläubige offenbar gar nicht die Frage, ob es sich bei der Reliquie um einen echten Gegenstand handelt. 

Notre-Dame: Wie geht es nach dem Brand weiter?

Schon vor dem Brand war Notre-Dame vom Verfall bedroht. Deswegen fanden Sanierungsarbeiten an der Kathedrale statt. In der Vergangenheit seien die Sanierungen nicht zufriedenstellend durchgeführt worden, sagte André Finot, Kommunikationschef von Notre-Dame. Deswegen sei eine Generalüberholung notwendig, die in den nächsten Jahrzehnten 100 Millionen Euro kosten werde. Trotz ihres Zustands schaffte es die Kathedrale, jährlich zwölf bis 14 Millionen Touristen anzuziehen.

Der nun nötige Aufbau wird natürlich teurer. Noch in der Nacht sagte der französische Präsident Emmanuel Macron den Wiederaufbau der Kathedrale zu. „Wir werden Notre-Dame wieder aufbauen.“ Das Schlimmste sei bei dem Brand verhindert worden, denn die Fassade und die beiden Haupttürme seien nicht zusammengestürzt. Der Kampf gegen das Feuer sei aber noch nicht vollständig gewonnen. Die Notre-Dame ist zwischen 1163 und 1345 erbaut worden. Wie lange ein Wiederaufbau dauert und wann damit begonnen werden kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschätzbar.

Wo befindet sich die Dornenkrone von Notre-Dame jetzt?

Viele Kunstschätze aus Notre-Dame konnten im Pariser Rathaus (Hôtel de Ville) in Sicherheit gebracht werden. Zum Teil sind sie sicher verpackt, zum Teil sind Kerzenständer und Weihwasserbecken ohne Schutzfolie abgestellt worden. Ob sich die Reliquien auch darunter befinden, ist nicht klar.

Im Pariser Rathaus wurden viele Kunstschätze in Sicherheit gebracht.
Im Pariser Rathaus wurden viele Kunstschätze in Sicherheit gebracht. © AFP / THOMAS SAMSON

Vor den Ostertagen haben wir uns mit der Geschichte des Feiertags befasst. Der ehemalige Priester Professor Gerhard Lohfink schildert in einem Interview, ob Jesus seiner Meinung nach auferstanden ist.

dg

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