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Auch Polizei und Sozialarbeiterin hatten Zweifel, „das Mädchen liebt Dramen“

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Von: Michael Hudelist

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Schon am ersten Verhandlungstag war klar, dass die Anschuldigungen gegen Pflegeeltern erfunden waren, der Staatsanwalt wollte allerdings weitere Zeugen hören.
Schon am ersten Verhandlungstag war klar, dass die Anschuldigungen gegen Pflegeeltern erfunden waren, der Staatsanwalt wollte allerdings weitere Zeugen hören. © M. Hudelist

Mit einem Freispruch endete nun ein Prozess gegen Pflegeeltern, denen vorgeworfen wurde, eine heute 15-Jährige jahrelang geschlagen zu haben. Die Schuld war nicht nachweisbar, vielmehr offenbarte sich im Rahmen der Verhandlung ein Intrigenspiel des mutmaßlichen Opfers und den Kindern aus erster Ehe. 

Salzburg – Richter Peter Egger las eine WhatsApp-Nachricht zwischen dem vermeintlichen Opfer und ihrer Tante vor, darin hatte das Mädchen zugegeben, von den Kindern aus erster Ehe des Pflegevaters angestachelt worden zu sein. Zusammen hätten sie dann die Geschichte mit den Schlägen mit dem Kochlöffel und dem kalt Abduschen erfunden

Bereits die Polizei hatte in der Anzeige festgehalten, dass Zweifel am Wahrheitsgehalt bestehen, „so etwas liest man eher selten in einer Anzeige“, so der Richter. Vor Gericht wollte das Opfer nicht aussagen, damit sind auch ihre Aussagen bei der Polizei hinfällig.

Nachdem das Gericht bei der ersten Verhandlung Anfang Februar fast eine Stunde auf einen Schöffen warten musste, der meinte nicht kommen zu müssen, startete die Verhandlung mit dem Verlesen einer WhatsApp-Nachricht zwischen dem vermeintlichen Opfer und ihrer Tante. „Was ist dran an der Sache mit deinen Pflegeeltern?“ soll die Tante gefragt haben, daraufhin hatte das junge Mädchen geantwortet: „Ich wollte nicht mehr nach Hause, ich wollte in eine WG mit mehr Freiheiten, ich bereue, was ich bei der Polizei gesagt habe, ich will nicht dass meine Eltern Probleme bekommen“. 

Der angeklagte Pflegevater schildert ausführlich, dass seine beiden Kinder aus erster Ehe die Trennung nicht verarbeitet hätten, „für meine Tochter bin ich der Böse und meine neue Frau die Über-Böse“. Die Pflegetochter hätte sich von der ersten Tochter extrem beeinflussen lassen, „dieses Spiel könnt ihr nicht gewinnen“ soll der Vater gesagt haben, daraufhin die eigene Tochter: „Lasst das Spiel beginnen“. 

Das Pflegekind ist die Nichte der Pflegemutter, sie hat sie mit drei Jahren adoptiert, „sie macht alles, was nicht erlaubt ist, greift zum Beispiel heiße Herdplatten an, sie ist psychisch instabil“, so der angeklagte Pflegevater. Nach der Anzeige im Herbst 2021 sei die Pflegetochter wieder bei den Pflegeeltern gewesen, „über die Weihnachtsferien und jetzt dann in den Semesterferien, auch heute ist sie mit uns zur Verhandlung gefahren“.

Auch bei der Fahrt soll sie mehrmals gesagt haben „es ist alles erlogen, ich will wieder zu euch“. Hintergrund für die Anzeige im Herbst soll auch gewesen sein, dass das Mädchen zu diesem Zeitpunkt unbedingt in eine betreute WG wollte mit vermeintlich mehr Freiheiten. Auch dort habe es allerdings nach zwei Wochen erste Alkoholexzesse und damit Probleme gegeben. 

Auch die Pflegemutter beteuert, dass sie das Mädchen nicht geschlagen hätte, „sie hat ein einziges Mal eine Ohrfeige bekommen weil sie mitten in der Nacht weggelaufen ist“. Die Geschichte mit dem Kochlöffel hätten sich die Pflegetochter und die Tochter aus erster Ehe „ausgeliehen, meine Schwiegermutter hat das einmal den Kindern erzählt, dass ihr das in ihrer Kindheit passiert ist“. 

Das Opfer, ein sehr schmächtig wirkendes Mädchen mit langen Haaren, wirkte vor dem Schöffengericht sehr unsicher, auf die Frage, ob sie denn aussagen wolle – gegen die Eltern müsse sie das nicht – dreht sie sich mehrmals zu den angeklagten Pflegeeltern um und verneint dann. „Damit ist ihre Aussage bei der Polizei aber auch hinfällig“, so der Richter. Unmittelbar nach der Nicht-Aussage umarmen und küssen sich die Pflegetochter und die Pflegeeltern noch innig.

„Mädchen inszeniert Dramen“

Als Zeugin erschienen ist auch eine Sozialarbeiterin, die die Familie seit zwei Jahren kennt, „das Mädchen wollte immer wieder ihre Grenzen austesten, aber sie hängt meinem Eindruck nach an den Pflegeeltern, es hat keine Hinweise auf Gewalt in der Familie gegeben“, so ihre Aussage. Bei der Polizei soll die Sozialarbeiterin sinngemäß ausgesagt haben, dass das Mädchen bekannt sei Dramen zu inszenieren und zu lügen, das habe sie aus den Akten herausgelesen.

Jetzt fand der Prozess mit einem Freispruch sein Ende, das Urteil ist bereits rechtskräftig.

hud

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