1. rosenheim24-de
  2. Welt
  3. Welt-News

Selenskyj empfängt Baerbock – Niederländischer Außenminister im Bombenkeller in Kiew

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Benjamin Schneider, Felix Graf, Tim Niemeyer

Kommentare

Ukraine-Krieg - Baerbock in Kiew
Wolodymyr Selenskyj (l), Präsident der Ukraine, begrüßt Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Grüne, ). Baerbock ist das erste deutsche Kabinettsmitglied, das seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in die Hauptstadt Kiew reiste.  © Florian Gaertner

Es ist Krieg in der Ukraine. Seit über zwei Monaten. Und ein Ende der Kampfhandlungen ist vorerst nicht in Sicht. Auch nicht auf diplomatischem Wege. Vor allem im Donbas tobt ein erbitterter Kampf. Die News am Dienstag (10. Mai).

Weiteres zum Ukraine-Konflikt:

Update, 21.53 Uhr - Luftalarm in Kiew: Niederländischer Außenminister im Bombenkeller

Der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra hat wegen eines Luftalarms bei seinem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eine Zeit lang in einem Bombenkeller verbringen müssen. Der 46-Jährige brachte sich am Dienstagabend vor einem geplanten Treffen mit Bürgermeister Vitali Klitschko in Sicherheit, als die Sirenen vor russischen Luftangriffen warnten.

Hoekstra war mit dem Zug gemeinsam mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Kiew gereist und hatte mit ihr einige Termine wahrgenommen. Baerbock selbst war dem Vernehmen nach nicht betroffen von der Schutzmaßnahme. Die Ministerin hatte zuvor erklärt, dass auch nach dem Abzug der russischen Truppen aus der Region Kiew der Krieg in der Ukraine nicht vorbei sei. „Es kann an jedem Ort dieses Landes eine Rakete einschlagen“, sagte sie.

Medien in der ukrainischen Hauptstadt berichten gegen 19 Uhr Ortszeit (18.00 Uhr MESZ) von einem Luftalarm für Kiew und Umgebung. Allerdings seien keine Explosionen zu hören gewesen, es gebe auch keine Informationen über Flüge. Die Lage sei stabil, hieß es. Bürgermeister Klitschko teilte im Fernsehen mit, dass die Sicherheit der Bürger nicht garantiert werden können. Er wies darauf hin, dass es in Kiew noch viele Straßensperren gebe und die Bewegung eingeschränkt sei.

Update, 20.48 Uhr - Erster ukrainischer Präsident Krawtschuk gestorben

Der erste Präsident der unabhängigen Ukraine, Leonid Krawtschuk, ist Medienberichten zufolge tot. Krawtschuk sei nach langer Krankheit im Alter von 88 Jahren gestorben, berichteten ukrainische Medien am Dienstag unter Berufung auf die Familie des Politikers. „Das sind traurige Nachrichten und ein großer Verlust“, schrieb der Leiter des Präsidialamts, Andrij Jermak, im Nachrichtendienst Telegram.

Krawtschuk war Anfang Dezember 1991 zum Staatschef gewählt worden und unterzeichnete wenige Tage später gemeinsam mit dem damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin (1931-2007) und Stanislaw Schuschkewitsch aus Belarus ein Abkommen, mit dem die Sowjetunion für aufgelöst erklärt und ein neues Bündnis der drei Republiken gegründet wurde: die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). In der vergangenen Woche starb auch Schuschkewitsch im Alter von 87 Jahren.

Zu Sowjetzeiten bekleidete Krawtschuk verschiedene Posten in der Kommunistischen Partei der Ukraine. Präsident der Ukraine blieb er bis 1994. In den Jahren 2020 bis 2022 war er als Vorsitzender der ukrainischen Gruppe bei den ständigen Gesprächen zur Beilegung des Konflikts im Donbass beteiligt.

Update, 20.10 Uhr - Ukrainer zur Ausbildung an der Panzerhaubitze 2000 gelandet

Ukrainische Soldaten sind zur Ausbildung an der Panzerhaubitze 2000 in Deutschland eingetroffen. Die künftigen Besatzungen des Waffensystems und technische Fachleute landeten am Dienstag in Rheinland-Pfalz und sollten am Mittwoch in die Ausbildung an der Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein eingewiesen werden, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen in Berlin erfuhr.

Zur Verteidigung gegen den russischen Angriff wollen Deutschland und die Niederlande der Ukraine insgesamt zwölf Panzerhaubitzen übergeben. Sie werden jeweils von fünf Soldaten bedient. Die Zahl der für die Schulung vorgesehenen Soldaten beträgt demnach mehr als 60. Dazu kommen technische Fachleute sowie Übersetzer.

Die Soldaten sind nach Informationen der dpa in Polen gestartet und wurden mit einer Transportmaschine der Bundeswehr, die im Internet zu verfolgen war, zum Flughafen Zweibrücken geflogen. Nach früheren Angaben soll die Ausbildung etwa 40 Tage dauern, abhängig vom Kenntnisstand der Soldaten auch weniger. Sie müssen lernen, die Panzerhaubitze zu fahren, mit ihr zu schießen und Störungen im Betrieb zu beseitigen.

Update, 18.22 Uhr - Ungewöhnliche Rücktrittswelle von Gouverneuren in Russland

In Russland hat eine ungewöhnliche Rücktrittswelle von regionalen Gouverneuren für Aufsehen gesorgt. Am Dienstag erklärten innerhalb weniger Stunden insgesamt fünf Gebietschefs in verschiedenen Landesteilen, entweder zurückzutreten oder nicht zur Wiederwahl antreten zu wollen.

Als erste verkündeten Sergej Schwatschkin aus dem sibirischen Tomsk und sein Kollege Igor Wassiljew aus dem rund 1000 Kilometer nordöstlich von Moskau gelegenen Kirow ihre Rücktritte. Dann folgten die Chefs von Saratow und der autonomen Republik El Mari. Der Gouverneur des Gebiets Rjasan, Nikolai Ljubimow, wiederum erklärte, nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren zu wollen.

Als offizielle Begründung für ihre Rücktritte nannten die einzelnen Gouverneure unter anderem ihr Alter oder sie verwiesen auf recht lange Amtszeiten, die bereits hinter ihnen lägen.

Bei vielen Bürgern aber sorgte die Rücktrittswelle für Verwunderung und auch Spekulationen. Im Nachrichtendienst Telegram fragten sich mehrere Nutzer, ob die Gebietschefs möglicherweise den seit zweieinhalb Monaten andauernden Krieg gegen die Ukraine und die wirtschaftlichen Folgen für Russlands Provinzen nicht länger mittragen wollten. Durch die Sanktionen des Westens haben sich viele Unternehmen aus Russland zurückgezogen. Menschen verlieren massenhaft ihre Beschäftigung.

Diese Welle könne in der aktuellen Situation ein Anzeichen dafür sein, dass das Schiff ins Kentern gerate und die „Ratten wohl lieber von Bord gingen“, meinte der Politologe Abbas Galljamow. Andere spekulierten, dass die fünf Politiker sich eventuell nicht loyal genug gegenüber dem Kreml verhalten hätten und nun auf Entscheidung von ganz oben ihre Posten räumen müssten.

Update, 16.33 Uhr - Präsident Selenskyj empfängt Baerbock und dankt Deutschland

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Kiew empfangen und ihr für die Unterstützung des Landes im Krieg gegen Russland gedankt. Es sei von großem Wert für das Land, dass sich Deutschland solidarisch zeige mit dem ukrainischen Volk, sagte Selenskyj einem von der Präsidialverwaltung veröffentlichten Video zufolge am Dienstag. Baerbock wurde von ihrem niederländischen Kollegen Wopke Hoekstra begleitet, der sich bestürzt zeigte über die Zerstörungen von Russlands Angriffskrieg unter anderem in den Vororten der Hauptstadt Kiew. Auch Baerbock besuchte die Orte Butscha und Irpin.

Baerbock informierte Selenskyj außerdem darüber, dass in wenigen Tagen mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten an der modernen Panzerhaubitze 2000 begonnen werde, die Deutschland gemeinsam mit den Niederlanden an die Ukraine liefern werde. Sie reiste auch nach Kiew, um die deutsche Botschaft wiederzueröffnen. In der Botschaft werde es zunächst einen eingeschränkten Betrieb geben.

Baerbock reiste nach einer langen Diskussion über Besuche deutscher Politiker in der Ukraine als erste Vertreterin der Bundesregierung nach Kiew. Die letzten entsandten Mitglieder der deutschen Botschaft waren am 25. Februar nach Polen ausgereist. Sie arbeiteten teils von dort aus und teils von Berlin aus weiter.

Update, 15.37 Uhr - Baerbock in Ukraine: Abkehr von russischer Energie für immer

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat bei ihrem Besuch in Kiew erklärt, dass Deutschland künftig komplett ohne Energie des „Aggressors“ Russland auskommen wolle. „Deshalb reduzieren wir mit aller Konsequenz unsere Abhängigkeit von russischer Energie auf Null – und zwar für immer“, sagte die Ministerin am Dienstag in Kiew bei einer Pressekonferenz mit ihrem Kollegen Dmytro Kuleba.

Deutschland ist bisher vor allem von russischem Gas abhängig. Russland sei ein „Aggressor“, der keine Regeln achte und Kriegsverbrechen begehe, sagte Baerbock. Es könnte künftig keine Verständigung mit dem Land mehr geben über die Köpfe der Ukraine hinweg.

Baerbock würdigte bei ihrem Besuch den mutigen Kampf der Ukraine um ihre Freiheit gegen den russischen Angriffskrieg. Zwar sei Kiew eine freie Stadt, sagte sie. Aber der Krieg sei nicht vorbei. „Es kann eben an jedem Ort dieses Landes eine Rakete einschlagen“, sagte sie. Deutschland stehe in dieser Zeit ohne Zweifel unverrückbar an der Seite der Ukraine, betonte Baerbock.

Update, 14.50 Uhr - Baerbock fassungslos nach Butscha-Besuch: „Es hätte auch meine Familie, meine Nachbarn sein können“

Zum Auftakt ihres Besuches in der Ukraine hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sich ein Bild von der Zerstörung des Kiewer Vororts Butscha gemacht. Butscha sei zum Symbol für „unvorstellbare Verbrechen“ wie „Folter, Vergewaltigung, Mord“ geworden, twitterte Baerbock am Dienstag. Im Namen Deutschlands habe sie der Ukraine volle Unterstützung bei der Aufklärung der „Kriegsverbrechen“ zugesichert, die sich dort ereignet hätten. Baerbocks Besuch in der Ukraine ist der erste eines Mitglieds der Bundesregierung seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf das Land am 24. Februar. 

Baerbock, die in Butscha von der ukrainischen Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa begleitet wurde, betonte, es sei wichtig, dass die internationale Gemeinschaft Beweise zu den mutmaßlichen „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ sammele. „Es hätte auch meine Familie, meine Nachbarn sein können“, schrieb sie auf Twitter. „Die Willkür macht fassungslos. Wir können den Überlebenden den Schmerz nicht nehmen, aber wir können alles dafür tun, für Gerechtigkeit zu sorgen: Niemand darf glauben, Verbrechen ohne Konsequenzen begehen zu können.“

Der genaue Termin von Baerbocks Reise war geheimgehalten worden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vergangene Woche angekündigt, Baerbock werde „demnächst“ in die Ukraine reisen. Zuvor waren die schweren Irritationen infolge der Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die Regierung in Kiew in einem Telefonat Steinmeiers mit Selenskyj ausgeräumt worden.

Update, 14.33 Uhr - Botschaft in Kiew öffnet in Minimalbesetzung wieder

Außenministerin Annalena Baerbock hat bei einem Besuch in der Ukraine die Wiedereröffnung der Mitte Februar geschlossenen deutschen Botschaft in der Hauptstadt Kiew noch an diesem Dienstag angekündigt. Die Arbeit der Botschaft werde in Minimalpräsenz wieder aufgenommen, sagte die Grünen-Politikerin in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. In der Botschaft werde es zunächst einen eingeschränkten Betrieb geben.

Update, 14.20 Uhr - Belagertes Stahlwerk in Mariupol: Kämpfer melden schweren Beschuss

Aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal in der Hafenstadt Mariupol haben die letzten ukrainischen Kämpfer über schweren Beschuss durch russische Truppen berichtet. Die ganze Nacht lang sei das Gelände aus der Luft angegriffen worden, sagte der Vizekommandeur des Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar, der Zeitung „Ukrajinska Prawda“. Es gebe viele Schwerverletzte. Sie müssten dringend in Sicherheit gebracht werden, forderte er.

Russlands Soldaten und prorussische Separatisten haben die Stadt am Asowschen Meer kurz nach Kriegsbeginn Ende Februar angegriffen und zuletzt weitgehend eingenommen. Auf dem weitläufigen Azovstal-Gelände aber verschanzen sich weiter ukrainische Kämpfer. Sie betonen immer wieder, nicht kapitulieren zu wollen.

Entgegen jüngster Berichte über die vollständige Evakuierung aller Zivilisten aus dem Mariupoler Werk erklärte der regionale Verwaltungschef Pawlo Kyrylenko am Montagabend, es seien doch noch 100 Menschen dort, die keine Kämpfer seien. Darüber hinaus harren in der Stadt, die vor dem Krieg mehr als 400.000 Einwohner zählte, auch außerhalb des Geländes weiter Zivilisten aus.

Update, 13.30 Uhr - Skandaltelefonat von russischem Soldaten mit seiner Frau abgefangen

Laut einem Bericht der ukrainischen Zeitung Kyiv Independent hat der ukrainische Geheimdienst ein Telefonat eines russischen Soldaten mit seiner Frau abgefangen. Darin beschrieb er unter anderem die Zustände der Sammelstellen für getötete Soldaten und Zivilisten mit den Worten: „Es ist kein Leichenschauhaus, es ist eine Müllhalde“.

Weiter führte er aus, dass die Russen ihre Soldaten als „vermisst“ abschreiben würden, um die hohe Zahl der Toten zu verbergen. Zudem berichtet er, dass es in der Nähe von Donezk eine „Müllkippe“ mit Leichen toter Soldaten mit zwei Meter hohen Haufen gegeben habe.

Update, 13.10 Uhr - Baerbock spricht Ukraine Mut zu

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat sich bei einem Besuch in dem schwer zerstörten Kiewer Vorort Irpin beeindruckt vom Mut der Ukrainer im Kampf gegen die russische Aggression gezeigt. „Sie sind ein sehr tapferes Land, und alles, was wir tun können ist, an Ihrer Seite zu stehen“, sagte Baerbock am Dienstag. Bei den Gesprächen, die Baerbock als erstes deutsches Regierungsmitglied in der Ukraine führte, ging es auch um die Notwendigkeit, das Land von russischen Minen zu befreien. Große Teile des Gebiets um die Hauptstadt seien vermint, sagte Militärgouverneur Olexander Pawljuk.

Irpins Bürgermeister Olexander Markuschyn sagte bei dem Treffen mit Baerbock, dass viele Minenräumer in Zukunft gebraucht würden - auch für die Gebiete im Osten der Ukraine. Nach dem Abzug der russischen Truppen sind nach Darstellung des Bürgermeisters inzwischen wieder 25 000 Menschen in die Stadt zurückkehrt, 5000 waren es demnach zur Zeit der russischen Besatzung. 2000 Wohnungen und 35 Hochhäuser seien zerstört worden durch russische Angriffe.

„Irpin hat einen hohen Preis für den Sieg bezahlt“, sagte Markuschyn. Er hatte der russischen Armee nach deren Abzug schwere Kriegsverbrechen vorgeworfen. Es seien Zivilisten erschossen, Frauen vergewaltigt und Wohnungen geplündert worden.

Baerbock betrat auch ein völlig zerbombtes Mehrfamilienhaus in der Stadt. „Außenministerin eines Landes im Frieden zu sein, ist einfach. Aber eine ganz andere Sache ist es, Bürgermeister im Krieg zu sein. Mein ganz großer Respekt!“, sagte die Grünen-Politikern.

Die Ministerin hatte zuvor auch den Kiewer Vorort Butscha besucht, in dem mehr als 400 Leichen nach dem Abzug der russischen Truppen gefunden worden waren. Baerbock, die von schwer bewaffnetem Sicherheitspersonal geschützt wurde und eine Splitterschutzweste trug, zeigte sich erschüttert angesichts der Verbrechen. Sie ist das erste deutsche Kabinettsmitglied, das seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in die Hauptstadt Kiew reiste. Am Nachmittag war unter anderem ein Gespräch Baerbocks mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba geplant

Update, 12.55 Uhr - Anzahl toter Zivilisten in Mariupol geht wohl in die Tausende

In Mariupol sind nach Überzeugung der UN-Menschenrechtsbeauftragten in der Ukraine Tausende Zivilisten ums Leben gekommen. Matilda Bogner, Leiterin der Kommission, die die Menschenrechtslage in der Ukraine seit 2014 untersucht, sagte am Dienstag in Genf, bislang habe die Sicherheitslage es nicht erlaubt, die Fälle einzeln zu dokumentieren. Daran werde aber gearbeitet. „Mariupol ist das große schwarze Loch“, sagte Bogner. „Wir gehen davon aus, dass es dort Tausende Tote gab, Zivilisten, die wegen der Kämpfe umgekommen sind.“

Ihr Team von knapp 60 Expertinnen und Experten habe Büros im ganzen Land. Es habe seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar zahlreiche Menschenrechtsverletzungen dokumentiert. Darunter könnten auch Kriegsverbrechen sein, sagte sie.

„Menschen berichten uns, dass Verwandte, Nachbarn und Freunde getötet, verletzt und festgenommen wurden und einige verschwunden sind“, sagte Bogner. Sie berichtete von einer fünfköpfigen Familie, von denen drei Angehörige bei der Flucht im Auto von russischen Soldaten erschossen worden seien. Ein 70-jähriger Mann habe von seinem Zufluchtsort im Keller einer Schule berichtet, der so überfüllt gewesen sei, dass er im Stehen schlafen musste und sich an ein Geländer band, um nicht umzufallen. Ihr Team habe bislang knapp 4000 Todesfälle dokumentiert, sagte Bogner. Die wahre Zahl liege um Tausende höher.

Menschenrechte würden auch verletzt, wenn Alte und Kranke keine medizinische Versorgung hätten, so Bogner. In einem Dorf seien etwa zehn ältere Menschen im Keller einer Schule gestorben, weil sie dort teils Wochen ausharren mussten und nicht versorgt werden konnten. Es gebe anhaltende Berichte über Vergewaltigungen, überwiegend von Mädchen und Frauen, aber auch Jungen und Männern.

Update, 12.15 Uhr - Baerbock: Kriegsverbrechen aufklären, Täter zur Rechenschaft ziehen

Außenministerin Annalena Baerbock hat der Ukraine Unterstützung bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen während des russischen Angriffskrieges zugesichert. „Wir sind es diesen Opfern schuldig, dass wir hier nicht nur gedenken, sondern dass wir die Täter zur Verantwortung bringen und ziehen“, sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag bei einem Besuch im Kiewer Vorort Butscha. „Das werden wir als internationale Gemeinschaft tun. Das ist das Versprechen, was wir hier in Butscha geben können und geben müssen“, betonte sie.

In Butscha waren nach dem Abzug der russischen Truppen mehr als 400 Leichen gefunden worden - teils mit auf den Rücken gebundenen Händen. Baerbock war von einem Mitarbeiter der deutschen Botschaft an dessen Haus in Butscha empfangen worden. Die Ministerin wurde von der ukrainischen Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa begleitet.

Nachdem Baerbock in einer Kirche eine Kerze entzündet hatte, sagte sie, man glaube, in einer ganz normalen Kirche zu sein. Zugleich sei dies ein Ort, an dem „die schlimmsten Verbrechen, die man sich nur vorstellen kann, nicht nur sichtbar geworden sind, sondern passiert sind“. Der größte Wunsch der Menschen sei es, der Welt deutlich zu machen, welche Verbrechen passiert seien und wie groß der Schmerz sei.

Diesen Schmerz könne niemand nehmen, „aber wir können für Gerechtigkeit sorgen“, sagte Baerbock. Man könne einen „kleinen Beitrag dadurch leisten, dass wir diese Aufklärung von Kriegsverbrechen, von Verbrechen gegen die Menschlichkeit unterstützen, als internationale Gemeinschaft Beweise sammeln, dafür sorgen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Das sind wir den Opfern schuldig.“

Baerbock, die von schwer bewaffnetem Sicherheitspersonal geschützt wurde und eine Splitterschutzwest trug, zeigte sich erschüttert. Man spüre in Butscha eindringlich: „Diese Opfer könnten wir sein.“ Man sehe Spielplätze, Supermärkte, Menschen, die zur Arbeit gingen. „Und dann sieht man die schlimmsten Spuren von Verbrechen genau daneben.“ Eine Bombe sei direkt in den Supermarkt eingeschlagen. In der Kirche zeigten Bilder Menschen, die nur das getan hätten, was jeder Mensch tue, sagte Baerbock: Aufstehen, Einkaufen gehen und die dabei kaltblütig ermordet worden seien.

Die Außenministerin ist das erste deutsche Kabinettsmitglied, das seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in die Hauptstadt Kiew gereist war. Am Nachmittag war unter anderem ein Gespräch Baerbocks mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba geplant.

Update, 11.55 Uhr - FDP verteidigt Pläne für Tankrabatt trotz gesunkener Preise

Die FDP hält trotz gesunkener Preise an den geplanten Steuersenkungen für Benzin und Diesel fest. Der Tankrabatt sei „sinnvoll mit Blick auf die Diskussion über ein Ölembargo“ gegen Russland, sagte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Johannes Vogel am Dienstag in Berlin. In der EU gebe es darüber zwar noch keine Einigkeit, er hoffe aber, dass es dazu komme. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir darüber nochmal Marktreaktionen sehen werden.“

Der Tankrabatt, der für Juni, Juli und August gelten soll, komme daher „zu einer sehr wichtigen Zeit“, sagte Vogel. Der Beschluss eines Ölembargos gegen Russland könne eine „überschießende Marktreaktion“ auslösen. „Da dann die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten, prophylaktisch, halte ich für gerade gut.“

Der Bundestag berät voraussichtlich am Freitag erstmals über den Tankrabatt. Vorgesehen ist, für die drei Sommermonate die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß zu senken. Die Steuerentlastung für Benzin beträgt damit knapp 30 Cent pro Liter, für Diesel sind es 14 Cent pro Liter. 

Hintergrund sind die zwischenzeitlich stark gestiegenen Preise. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs Ende Februar kostete etwa Benzin zeitweise 2,20 Euro pro Liter. Mittlerweile sind die Preise wieder gesunken, sie liegen aber laut ADAC weiter deutlich über dem Vorjahresniveau.

Update, 11.28 Uhr - Geistlicher bittet Kremlchef Putin um Gnade in Mariupol

In einem neuen Appell hat der hohe ukrainische Geistliche Onufrij Kremlchef Wladimir Putin um eine Rettung der Menschen aus dem Stahlwerk der Hafenstadt Mariupol gebeten. Putin solle sich wie ein Christ verhalten und die eingekesselten Zivilisten, die Kämpfer und Sicherheitskräfte auf von der Ukraine kontrolliertes Gebiet oder in Drittstaaten fliehen lassen. Ein vom Kreml gewähltes Vermittlerland könne die Mission führen, sagte der Vorsteher der größten ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats.

Der Geistliche bat Putin, der selbst der russisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats angehört, sich an seine Eltern zu erinnern, die einst in der von der deutschen Wehrmacht belagerten Stadt Leningrad (heute St. Petersburg) um ihr Leben gekämpft hätten. „Die Bewohner von Mariupol und ihre Verteidiger sind heute auch in solch einer Lage“, sagte Onufrij laut Medienberichten vom Dienstag.

Nach ukrainischen Behördenangaben sollen in dem Stahlwerk noch rund 100 Zivilisten ausharren, viele Menschen hatten die Anlage zuletzt verlassen können. Zudem sollen sich dort nach russischen Angaben mehr als 2000 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner verschanzt haben. Die Kämpfer hatten bisher Forderungen Putins abgelehnt, sich zu ergeben und die Waffen niederzulegen. Der russische Präsident hatte ihnen zugesichert, für diesen Fall auf eine Erstürmung der Industriezone zu verzichten. Allerdings berichten die Kämpfer immer wieder von massivem Beschuss des Stahlwerks.

Der frühere Kommandeur des Asow-Regiments, Maxim Schorin, teilte ukrainischen Medien zufolge mit, dass die diplomatischen Bemühungen um die Rettung der Kämpfer andauerten. Zugleich sagte er, dass auch ein Prozess laufe, um Mariupol mit einer Militäroperation von der russischen Blockade zu befreien. Dafür sei aber viel Zeit nötig. Und die Kämpfer dort hätten diese Zeit vielleicht nicht mehr.

Update, 11.10 Uhr - Erste Marder-Panzer in drei Wochen fertig

Der Rüstungskonzern Rheinmetall will die ersten instandgesetzten Schützenpanzer vom Typ Marder in drei Wochen liefern können. Das sagte Vorstandschef Armin Papperger der Süddeutschen Zeitung (Dienstag). „Wir warten auf die endgültige Entscheidung der Regierung. Aber es gibt derzeit genügend Länder, die diese Fahrzeuge haben wollen, nicht nur die Ukraine.“ Der Bundestag hatte die Lieferung auch schwerer Waffen an die Ukraine Ende April genehmigt. Allerdings hält sich die Bundesregierung mit Angaben zu einzelnen Waffentypen wie zum Beispiel Leopard-Kampfpanzern oder Marder-Schützenpanzern bedeckt.

Rheinmetall verfügt über Bestände gebrauchter Panzer, die für den Einsatz wieder aufbereitet werden können. „Vor vier Wochen haben wir bereits damit begonnen, obwohl es noch keinen konkreten Auftrag gibt. Wir machen das also auf eigenes Risiko“, sagte Papperger, der in den vergangenen Wochen bereits in zahlreichen Interviews die Werbetrommel für den Düsseldorfer Rüstungskonzern gerührt hat.

Auch das 100-Milliarden-Euro-Programm der Bundesregierung zur Aufrüstung der Bundeswehr sieht er als Chance für das Unternehmen. Derzeit habe die Bundeswehr „von allem zu wenig“, sagte Papperger der Zeitung. Er sei „der festen Überzeugung“, dass Rheinmetall in den nächsten Jahren den Umsatz von heute knapp sechs auf mehr als zehn Milliarden Euro steigern könne. An der Börse hat sich der Aktienkurs seit Kriegsbeginn in der Ukraine mehr als verdoppelt.

Update, 10.40 Uhr - Baerbock zu Besuch in der ukrainischen Stadt Butscha eingetroffen

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist am Dienstag zu einem Besuch in der Ukraine eingetroffen. Baerbock traf am Morgen in der Stadt Butscha in der Nähe von Kiew ein, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Die Außenministerin sprach mit Bewohnern der Stadt, die zum Synonym für mutmaßliche Kriegsverbrechen der russischen Streitkräfte in der Ukraine geworden ist.

Baerbocks Besuch in der Ukraine ist der erste eines Mitglieds der Bundesregierung seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar. Der genaue Termin ihrer Reise war geheimgehalten worden. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vergangene Woche angekündigt, Baerbock werde „demnächst“ in die Ukraine reisen. Zuvor waren die schweren Irritationen infolge der Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die Regierung in Kiew in einem Telefon Steinmeiers mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj ausgeräumt worden.

Update, 9.38 Uhr - Russische Soldaten missachten vermehrt Befehle ihrer Kommandeure

Die USA sehen Beweise dafür, dass viele russische Soldaten vermehrt die Befehle ihrer Kommandeure missachten. Das veröffentlichte das Pentagon in seinem aktuellen Hintergrundbericht zur Lage in der Ukraine. Demnach seien vor allem mittlere Dienstgrade in der Militärhierarchie betroffen, aber auch Bataillons-Kommandeure.

Update, 9 Uhr - Biden: Putin „weiß keinen Ausweg“ mehr

Nach den Worten von US-Präsident Joe Biden sieht der russische Staatschef Wladimir Putin keinen Ausweg aus dem Ukrainekrieg. Das Problem, das ihn jetzt beunruhige, sei, dass der russische Staatschef „im Moment keinen Ausweg weiß, und ich versuche herauszufinden, was wir dagegen tun können“, sagte Biden. Putin sei ein sehr überlegter Mann und habe fälschlicherweise geglaubt, der Einmarsch in die Ukraine würde die Nato und die Europäische Union spalten.

Update, 8.25 Uhr - Toter Säugling in Unterkunft für Ukraine-Flüchtlinge in Deutschland gefunden

In einer Unterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine im Kölner Stadtteil Deutz haben Reinigungskräfte am Montagmorgen einen toten Säugling gefunden. Das Kleinkind war in einer Toilettenkabine „versteckt abgelegt“ worden, wie die Kölner Polizei am Montagabend erklärte. Eine Obduktion des toten Neugeborenen ergab, dass der Junge möglicherweise nicht bei der Geburt verstarb, sondern zunächst lebte.

Laut Polizeiangaben besteht deshalb der Verdacht eines vollendeten Tötungsdelikts, eine Mordkommission wurde eingerichtet. Die Polizei ermittelt nun die genaue Todesursache und sucht nach der Mutter des Kindes.

US-Verteidigungsministerium bestätigt Verschleppung von Ukrainern nach Russland

Das US-Verteidigungsministerium hat nach eigenen Angaben Hinweise darauf, dass Ukrainer von russischen Truppen gewaltsam nach Russland gebracht werden. „Ich kann nicht sagen, wie viele Lager es gibt oder wie sie aussehen“, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby am Montag. „Aber wir haben Hinweise darauf, dass Ukrainer gegen ihren Willen nach Russland gebracht werden“, sagte Kirby. Er nannte dieses Verhalten „skrupellos“.

Laut der Menschenrechtsbeauftragten des ukrainischen Parlaments, Ljudmila Denissowa, wurden seit Kriegsbeginn „mehr als 1,19 Millionen unserer Bürger, darunter mehr als 200 000 Kinder, in die Russische Föderation deportiert“. Die Angaben lassen sich nicht von unabhängiger Seite verifizieren.

Das geschah in der Nacht:

Der Ticker von Montag (9. Mai) zum Nachlesen.

nt/ afp /dpa

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion