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Ukrainer retten Sommersaison beim Huggenberg-Wirt in Saalfelden

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Von: Michael Hudelist

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Ukrainer retten Sommersaison beim Huggenberg-Wirt in Saalfelden
Huggenberg-Wirt Franz Strickner mit seinen neuen Servicekräften, v.l. Elena, Larysa und Svitlana. © hud

Der Berggasthof Huggenberg auf 1220 Metern Seehöhe hat die gleichen Probleme wie alle Gastronomen: die Gäste sind wieder da, das Personal nicht. Auch die Küche und der Service von Franz Strickner waren stark ausgedünnt, frühere Mitarbeiter aus Ungarn kamen nicht mehr. Doch der Wirt wusste sich zu helfen: Er fuhr kurzerhand den Biberg hinab in das Ankunftszentrum für Ukrainer und fragte: „Wer will bei mir arbeiten?“. Mit Erfolg, drei Ukrainerinnen und ein Ukrainer folgten seinem Ruf, eine win-win-Situation.  

Salzburg / Saalfelden - Svitlana Bondar ist mit ihrer Mutter Larysa aus der Nähe von Kiev, in Saalfelden sei sie erst wenige Tage gewesen, als der Wirt in die Unterkunft kam und Jobs anbot. Die Hip-Hop-Tänzerin habe nicht lange überlegt, sondern zusammen mit ihrer Mutter das Angebot sofort angenommen.

„Sie haben hier bei uns Kost und Logis frei und eine 5-Tage-Woche“, so Strickner, zwei weitere Ukrainer sind auch gekommen, unter anderem Oleg, der sehr gut Deutsch spricht, allerdings nur in der Küche arbeiten will, „also Salat putzen, abwaschen, alles was so anfällt“. Svitlana, Larysa und Elena sind – im schicken Dirndl gekleidet - im Service, also servieren den Gästen auf der großen Terrasse Salate, Wiener Schnitzel oder Kaspress-Knödel, bereiten an der Theke Getränke vor und zapfen Bier ab.

„In den ersten Tagen haben wir uns mit Händen und Füssen verständigt, Oleg hat auch immer fleißig übersetzt“, erinnert sich Strickner. Auch für die Kellnerin Carina aus dem Tiroler Nauders war die Zusammenarbeit mit den neuen Kolleginnen aus der Ukraine erst gewöhnungsbedürftig, „aber jetzt klappt das schon sehr gut, am Ende der Saison werden sie entweder Deutsch – oder Tirolerisch – können oder ich Ukrainisch“, meint sie schmunzelnd.

Flüchtlinge aus der Ukraine dürfen sofort arbeiten

Ukrainer dürfen, anders als Asylbewerber aus allen anderen Ländern, nach dem Vertriebenengesetz sofort arbeiten, vorausgesetzt sie sind gemeldet und haben eine blaue Karte, also einen Vertriebenenausweis. Flüchtlingshelfer kritisieren diese Zweiteilung der Flüchtlinge in „Erwünschte“, also Ukrainer, die legal in das Land kommen und sofort arbeiten dürfen, und alle anderen, die auch vor Kriegen und Gewalt fliehen, aber illegal einreisen und oft jahrelang auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten müssen.

Zurück zum Wirt, auch er war anfangs im Behörden-Dschungel gefangen, „die Gemeinde schickte mich zum Arbeitsamt, dort waren die Ukrainer aber noch nicht als arbeitssuchend gemeldet, die Bezirkshauptmannschaft schickte mich wieder zur Gemeinde zurück“.

Einigen Interessenten, vor allem Müttern mit Kindern, sei der Berggasthof am Ende doch zu weit weg von Saalfelden gewesen, mit den vier Flüchtlingen aus der Ukraine klappe das aber sehr gut. Ihm war auch wichtig, dass die die Vier den ganzen Sommer bleiben, das hätten sie ihm auch versprochen. Doch wie der russische Angriffskrieg in der Heimat der neuen Mitarbeiter weitergeht, weiß niemand, viele Ukrainer wollen in vermeintlich sichere Gebiete zurück. „Meine Mutter will auf alle Fälle wieder nach Hause“, erzählt Svitlana, sie selbst könne sich aber eine Zukunft in Österreich vorstellen.

Die Gäste am Huggenberg sind jetzt noch zumeist Einheimische, der Biberg ist sozusagen der Hausberg der Saalfeldner. Sie reagieren auf die ukrainischen Kellnerinnen durchwegs positiv, „sie sollen eine Chance erhalten und hier in Sicherheit sein“, sagt einer der Gäste, während Svitlana ihm die bestellen Kasnockn serviert. Das freundliche „Guten Appetit“ und „Mahlzeit“ verrät ihre Herkunft kaum.

„Gastarbeiter“ von Italien bis zur Ukraine

Auch am Huggenberg haben immer schon Ausländer gearbeitet, „vor meiner Zeit hier als Wirt waren es Italiener, dann kamen sie aus dem ehemaligen Jugoslawien und nach der Maueröffnung aus Ostdeutschland“. In den letzten Jahren waren es vor allem Ungarn, „aber die haben mittlerweile in Ungarn selbst Jobs gefunden und wenn sie in der Gastronomie sind, dann eher im Osten Österreichs, also nahe an ihrer Heimat“. Dass sich kaum Einheimische für eine Lehre oder einen Job in der Gastronomie begeistern können, erklärt sich Stricker mit dem Umstand, dass immer mehr Jugendliche in die Oberstufe der Gymnasien und später zum Teil studieren wollen.

hud

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