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Berlin - Die Anzeichen für ein Ende der Rezession verdichten sich. Der Ökonom Peter Bofinger (54) hält den Jubel über ein Ende der Krise trotzdem für verfrüht.
Im Juni sind die Exporte so stark gestiegen wie seit fast drei Jahren nicht mehr – die deutschen Unternehmen melden ein Plus von 7 Prozent. Auch die Auslandsaufträge nahmen deutlich zu – plus 8,3 Prozent. Der Ökonom Peter Bofinger (54) hält den Jubel über ein Ende der Krise für verfrüht. Noch sei die deutsche Wirtschaft nicht übern Berg.
Bofinger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und als einer von fünf „Wirtschaftsweisen“ Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung. Kürzlich erschien im Econ-Verlag sein neues Buch mit dem Titel „Ist der Markt noch zu retten?“.
Prof. Peter Bofinger: Die aktuellen Zahlen zeigen: Es war richtig, dass der Staat aktiv die Stabilisierung der Konjunktur betrieben hat. Die expansiven Maßnahmen von Regierungen und Notenbanken zeigen Wirkung. Damit konnte vermieden werden, dass - ähnlich wie in den 1930-er Jahren – eine ungebremste Abwärtsbewegung entsteht, die über Jahre andauert. In Deutschland ist der Abwärtstrend vorerst gestoppt, wir sehen jetzt klar eine Bodenbildung. Das ist zwar erfreulich, wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass der Auftragseingang noch immer etwa 20 Prozent unter dem Vorjahresniveau liegt. Dass wir uns jetzt über einen Anstieg der Zahlen freuen, zeigt, wie bescheiden wir geworden sind.
Bofinger: Die entscheidende Frage ist doch: Ist diese Erholungsphase nur eine technische Reaktion, etwa auf den starken Abbau der Lagerbestände, oder können wir wirklich von einem deutlichen Aufwärtstrend sprechen? Für mich ist noch längst nicht ausgemacht, dass wir in naher Zukunft einen weltweiten Aufschwung erleben werden. Ich gehe für das zweite Halbjahr in Deutschland eher von einer Stagnation aus.
Bofinger: Diese Überlegungen halte ich für verfrüht. Unterstellt, das zweite Halbjahr 2009 verläuft etwas besser als angenommen, würde dies auf die Durchschnittswerte des Jahres nicht mehr so stark durchschlagen.
Bofinger: Wir dürfen nicht vergessen, welche Etappe hinter uns liegt. Wer zurückblickt, erkennt, dass die deutsche Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt jährlich nur noch um 0,7 Prozent gewachsen ist. Seit der Agenda 2010, also in der Zeit von 2004 bis 2009, betrug das jährliche Wachstum sogar nur noch 0,4 Prozent. Werden sich die Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft in den kommenden zehn Jahren entscheidend verbessern? Wenn ja: Wo soll das erhoffte Wachstum herkommen? Ich bin skeptisch und bezweifle, dass die Binnennachfrage im nächsten Jahrzehnt aus ihrer Lethargie herauskommen wird und dass die Exporte wieder die Dynamik der Jahre vor der Krise erreichen werden.
Bofinger: Die Kurzarbeiter-Regelung war sicher eine sehr kluge Maßnahme. Wenn jedoch die Exportzahlen in Deutschland auf niedrigem Niveau verharren, wird auch Kurzarbeit nicht verhindern können, dass die Arbeitslosigkeit merklich ansteigt...
Bofinger: Der private Verbrauch war zuletzt schon recht schwach. Ohne die Lohnerhöhungen in der Vergangenheit wären die Umsätze noch schlechter. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit wird die Binnennachfrage dämpfen.
Bofinger: Es schadet nie, die Dinge positiv darzustellen. Aber wir sollten die Psychologie auch nicht überschätzen. Wenn man sich daran erinnert, wie optimistisch Deutschland noch im August 2008 war, hätte es den Absturz ja eigentlich nie geben dürfen. Letztlich zählen in der Wirtschaft eben nur die harten Fakten, also Auftragszahlen und Umsätze.
Interview: Holger Eichele